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Der „Chefkümmerer“ der „BücherboXX“

Der „Chefkümmerer“ der „BücherboXX“

V. l. n. r.: Jürgen Möldner von der Hochschule Zittau/Görlitz, Maximilian Schmidt vom Mehrgenerationenhaus Hillersche Villa, Studentin Lee-Ann Tews und „Chefkümmerer“ Frank Brandt schmökern an der umfunktionierten Telefonzelle auf dem Zittauer Marktplatz.

Frank Brandt hegt und pflegt seit der ersten Stunde – also seit Anfang November des vergangenen Jahres – die „BücherboXX“ auf dem Zittauer Marktplatz mitten im Herzen der Stadt. In Zusammenarbeit mit seinen Partnern – der Hochschule Zittau/Görlitz, der Stadt Zittau und der Hillerschen Villa als Träger – ist der rüstige Rentner aufgrund seines großen Engagements in dieser Mission zum „Chefkümmerer“ erklärt worden. 

Zittau. Der 69-Jährige kümmert sich jeden zweiten Tag circa eine halbe Stunde, manchmal auch ein bisschen länger, um die umfunktionierte Telefonzelle mit einer Grundfläche von einem Quadratmeter und einer Höhe von 2,40 Meter ohne Solarzelle. Es handelt sich dabei um das letzte geschlossene Modell der 90er Jahre der Marke TelH90 mit quaderförmiger Ausführung und farblicher Magentagestaltung. Frank Brandt sorgt vor Ort für Ordnung und Sauberkeit, sortiert und stempelt den Bücherbestand. „Die Kinderbücher stehen links unten im Regal“, sagt er. Jede Leseratte findet in der „BücherboXX“ ein breites Spektrum unter den rund 180 Büchern vor – von Tierbüchern über Krimis, Romane bis hin zu erotischer Literatur. 

Die umfunktionierte Telefonzelle ist über das gesamte Jahr hinweg 24 Stunden am Tag geöffnet – sozusagen für Frühaufsteher wie auch Nachtschwärmer. Frank Brandt freut sich über die gute Resonanz in allen Altersklassen – von Vorschulkindern bis hin zu betagten Senioren. 

„Mit manchen Nutzern komme ich bei einem Plausch auch direkt in Kontakt“, sagt er. Eltern und Großeltern würden ihren Kindern und Enkeln vor Ort auch erklären, wie so eine Telefonzelle früher mit Hörer usw. funktioniert- und welchen gesellschaftlichen Wandel diese Art von Technik vollzogen habe. Manche Mädchen und Jungen können das fast gar nicht glauben bzw. begreifen. „Ich muss da auch noch manchmal ein paar erklärende Worte hinzufügen, weil das damals eine ganz andere Zeit war“, betont Frank Brandt. 

Das Prinzip bzw. die Funktionsweise steht direkt oben an der „BücherboXX“ dran: Bring ein Buch. Nimm ein Buch. Lies ein Buch! Theoretisch sollte jemand, der ein Buch nimmt – Ausleihzeit und Gebühren gibt es keine – auch ein Buch hinstellen. In der Praxis stört sich aber niemand daran, ob jemand ein Buch nimmt und keins hinterlässt oder vielleicht drei Bücher hinstellt und nur eins mitnimmt. 

Die Sitzbänke drumherum und auf dem Marktplatz laden zum Verweilen, Schmökern und Kommunizieren ein. Frank Brandt möchte sich ganz herzlich bei denjenigen bedanken, die Bücher hierher bringen. „Ich muss zu Hause teilweise meinen Keller damit vollbunkern“, verrät er. Größere Bestände sollten deshalb im Mehrgenerationenhaus Hillersche Villa auf dem Klienebergerplatz 1 abgegeben werden.
 
Der Zittauer Senior war 2017 bei einem Urlaub in Bad Saarow von einer „knüppeldick“ gefüllten englischen „BücherboXX“ derart begeistert gewesen, „dass ich mich als vorbelasteter literaturbegeisterter Mensch an die Stadt Zittau gewandt habe, ob so etwas bei uns auch möglich wäre?“ Dazu kam, dass es sich eine Gruppe von Studierenden des Studiengangs Sozialwissenschaften der Hochschule Zittau/Görlitz im Rahmen der Lehrveranstaltung „Projektstudium“ unter Federführung von Jürgen Möldner in kooperativer Zusammenarbeit mit der Stadt Zittau und dem soziokulturellen Zentrum Hillersche Villa zur Aufgabe gemacht hatte, eine „BücherboXX“ in Zittau zu etablieren. Komponenten, wie zum Beispiel soziale Kontakte, Kultur, Demokratieverständnis oder Nachhaltigkeit, spielten dabei eine wichtige Rolle. So findet es die 22-jährige Studentin der Hochschule Zittau/Görlitz Lee-Ann Tews gut, dass alte und ausrangierte Bücher bei anderen einen Wiederverwendungszweck finden. Die Fördermittel über das „UnbezahlbarLand“, ein Projekt des Landkreises Görlitz zur Fachkräftesicherung und Fachkräftegewinnung sowie zur Förderung des Ehrenamtes, seien gut investiert worden, betont Jürgen Möldner. 

An der Umsetzung in der Praxis haben sich gleich drei Ausbildungsstätten beteiligt. Auszubildende des Beruflichen Schulzentrums in Zittau entwarfen das Design und übernahmen den Umbau der ausrangierten Telefonzelle zur „BücherboXX“. Teilnehmer der Motivationswerkstatt 2.0 der bao GmbH Zittau stellten die Außenbank und die Regale her. Studenten der Hochschule Zittau/Görlitz kümmerten sich im Rahmen der dualen Ausbildung um die gesamte Elektronik. Für alle Beteiligten war es von großem Nutzen als Bestandteil ihrer beruflichen Ausbildung, sich kreativ einzubringen und etwas Bleibendes für die Öffentlichkeit zu schaffen.

Die „Zittauer BücherboXX“ der Hillerschen Villa ist von Dr. Franziska Giffey, der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, in Anerkennung für die Arbeit für Jung und Alt im Rahmen des Projektwettbewerbs „DemografieGestalter 2020“ der bundesweiten Mehrgenerationenhäuser mit einer Urkunde bedacht worden. Eigentlich waren in Verbindung mit der „BücherboXX“ auch Veranstaltungen, wie zum Beispiel Lesungen mit Autoren oder Kleinkunst mit Musik, angedacht. Aufgrund der Corona-Pandemie sei das aber bisher noch nicht möglich gewesen, sagt Maximilian Schmidt vom Mehrgenerationenhaus Hillersche Villa. Kulturelle Höhepunkte dieser Art sollen aber nachgeholt werden. 

Der „Chefkümmerer“ Frank Brandt und seine Mitstreiter wünschen sich jedenfalls, dass die „BücherboXX“ auch weiterhin hoch frequentiert wird und die Leser ihre Freude daran haben.

Steffen Linke / 20.06.2020

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