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Jahrestag im ehemaligen KZ-Außenlager Kamenz-Herrental

Jahrestag im ehemaligen KZ-Außenlager Kamenz-Herrental

Im ehemaligen KZ Außenlager Kamenz-Herrental erinnern Edelstahltafeln an 182 ehemalige Gefangene. Foto: A. Koch

Kamenz. Am 10. März jährte sich der Tag, an dem 1945 die Häftlinge des KZ-Außenlagers im Kamenzer Herrental mittels der Reichsbahn über das KZ Mauthausen in das KZ Dachau evakuiert wurden. Der Transport erreicht am 16. März das KZ Dachau. Für die Häftlinge war ihre Odyssee aber noch nicht beendet. Bei den Evakuierungsmärschen des Lagers Dachau in die Alpen fanden weitere der in Kamenz inhaftiert gewesenen Häftlinge den Tod, bevor das KZ Dachau durch US-amerikanische Truppen am 30. April 1945 befreit wurde.

Vom Oktober 1944 ab befand sich im Herrental ein, von der SS eingerichtetes, Außenlager des KZ-Groß Rosen (Niederschlesien). Die Enzyklopädie „Der Ort des Terrors“ verzeichnet ab Kriegsbeginn insgesamt 23 KZ-Hauptlager mit insgesamt 1.154 Außenlagern. Eines dieser Außenlager war in Kamenz.Es wurde in einer stillgelegten Tuchfabrik eingerichtet, mit Stacheldraht und vergitterten Fenstern versehen. In den Fabriksälen wurden bis zu 1.000 Häftlinge aus 21 europäischen Nationen als Arbeitskräfte gefangen gehalten. Fast ein Drittel waren sehr junge Häftlinge der Jahrgänge 1921-1925, das heißt, sie waren damals gerade 19-25 Jahre alt. 50 Prozent aller Häftlinge waren nicht älter als 30 Jahre, typisch für Außenlager, die bei Rüstungsbetrieben geschaffen wurden.

Mit dem Näherrücken der Fronten im Westen und im Osten an die Reichsgrenzen im Herbst 1944, verlagerte die Daimler-Benz AG ihre Produktionsstätten aus Colmar (Elsaß) und Reichshof (Generalgouvernement) nach Penig und Kamenz in Ostsachsen unter der Tarnbezeichnung „Elster-GmbH“. Ihre Arbeitsstätte befand sich in der ca. 4,5 Km entfernten ehemaligen Glashütte.

Die hohe Zahl von fast 200 Todesopfern in den 130 Tagen des Bestehens des Außenlagers war sowohl der Brutalität des Wachpersonals als auch der allgemeinen Erschöpfung infolge völlig unzureichender Ernährung und Krankheiten wie Ruhr geschuldet. Zur Verbrennung der vor Schwäche umgekommenen, erschlagenen oder durch Giftinjektionen ermordeten Häftlinge war die Kesselanlage der Tuchfabrik instandgesetzt worden. So menschenver¬achtend, wie mit den Lebenden umgegangen wurde, so war es auch nach dem Tod der Häftlinge. Ihre Asche wurde in die Abfallgrube geworfen. Diesen Ort bedecken heute die Granitstufen der Treppe der ehemaligen Tuchfabrik.

Die genaue Zahl der Todesopfer lässt sich nicht mehr ermitteln, da nur 57 Totenscheine vorgefunden wurden. Die Registrierung der Toten in den Konzentrationslagern unterlag ab Mitte 1944 grundsätzlichen Einschränkungen. Es war durch die SS-Führung untersagt worden, Totenscheine für die Häftlinge aus den sogenannten Ostländern sowie für Juden und Roma auszustellen.

Die heute in der Gedenkstätte auf Edelstahltafeln aufgeführten 182 Namen wurden durch den Vergleich von vorhandenen Transportlisten ermittelt. Mit ihrer Nennung soll den Todesopfern ihre menschliche Würde zurückgegeben werden – denn keinem der Angehörigen der Opfer wird es je möglich sein, Blumen an ihrem Grab niederzulegen.Lenken Sie doch einmal bewusst ihre Schritte ins Herrental. Folgen sie an diesem historisch authentischen Ort gedanklich Egon Bahr, dem Architekten der neuen Ostpolitik des damaligen SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt, der 2013 einmal in Richtung der jungen Generation warnte: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“ Denken Sie bitte noch weiter, gerade weil es nicht einfach ist. Es geht um unser aller Leben! 

Andreas Koch / 13.03.2023

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