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Ein Kulturtempel hat ausgehaucht

Ein Kulturtempel hat ausgehaucht

Vom Volkshaus in Weißwasser ist nach dem Großbrand nicht viel übrig geblieben. Tags darauf versuchten Kameraden verschiedener Ortsgruppen des Technischen Hilfswerks eine stehengebliebene Fassade vor einem möglichen Einsturz zu sichern. Fotos: RK

Weißwasser. Einen Tag nach dem verheerenden Feuer in Weißwassers ehemaliger Kulturseele, dem Volks- beziehungsweise Kulturhaus, wie es zu DDR-Zeiten hieß, haben zahlreiche Ortsverbände des Technischen Hilfswerkes Sicherungsarbeiten an der übriggebliebenen Gebäudesubstanz durchgeführt. Dabei griffen die mehr als 20 Einsatzkräfte auf massive Holzbalken zurück, die sie extra aus in Dresden und Chemnitz lagernden Beständen herantransportieren ließen. Diese wurden im Laufe des heutigen Montages mit Hilfe schwerer Technik der Görlitzer Kameraden teilweise in luftige Höhen gehoben und Meter überm Erdboden von Einsatzkräften zu einer speziellen Konstruktion zusammengeschraubt. Die Görlitzer Straße, an der sich die Brandruine befindet, musste bis auf Weiteres für den Durchgangsverkehr gesperrt werden. 

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Am Sonntag quoll ein Flammenmeer aus den Fenstern des Gebäudeteiles, in dem sich unter anderem der große Saal befand. In diesem gingen vor und nach der politischen Wende Stars und Sternchen ein und aus. Augenzeugen hatten das Drama mit ihren Handys eingefangen.

Am Sonntagnachmittag gegen 15.30 Uhr war der Brand von Anwohnern bemerkt worden. Wie ein 36 Jahre alter Familienvater Alles-Lausitz.de berichtete, hatte seine Frau beim Wäscheabhängen ein Klirren bemerkt. Dieses habe dem Geräusch geähnelt, als wenn man Flaschen in einem Container entsorgt. Weil sich in der Nähe aber kein solcher befindet, habe die Frau nachgesehen und dabei Flammen aus den zerberstenden Fenstern im obersten Stockwerk des Gebäudeteiles wahrgenommen, in dem sich bislang auch der große Saal befand. Wenige Minuten später seien bereits die ersten Feuerwehrfahrzeuge am brennenden Volkshaus eingetroffen.

„Circa 200 Kameraden kämpfen seit den Nachmittagsstunden gegen die Flammen“, teilte die Polizeidirektion Görlitz in einer am Sonntagabend verschickten Pressemitteilung mit. „Das Feuer breitete sich zügig aus. Der rund 100 mal 40 Meter große Saal des Hauses stand in Vollbrand. Die Polizisten sperrten sowohl die Görlitzer Straße als auch die Puschkinstraße.“ Bis spät in die Nacht dauerte der Kampf gegen die Flammen. Auch am Tag danach rauchte es noch aus den Trümmern. Ein Brandursachenermittler sollte zum Einsatz kommen. Die Kriminalpolizei sucht indes Zeugen für das Inferno, dessen dunkle Rauchsäule bereits von Weitem zu sehen war. „Wer Hinweise zum Brand geben kann oder am Tag verdächtige Beobachtungen gemacht hat, wird gebeten, sich beim Polizeirevier in Weißwasser unter der Rufnummer (03576) 262-0 oder bei jeder anderen Polizeidienststelle zu melden“, sagte ein Polizeisprecher.

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Kameraden diverser sächsischer Ortsverbände des THW fertigten aus Holzbalken eine Stützkonstruktion. Damit sollte verhindert werden, dass eine Gebäudewand auf die Görlitzer Straße kippt. Die Verkehrsader bleibt vorerst für den Durchgangsverkehr gesperrt. Auch Einsatzkräfte aus Görlitz, Zittau, Bautzen und Kamenz waren nach dem Großbrand in die Glasmacherstadt ausgerückt, um dort mit ihrem Know-how und ihrer Technik zu helfen.

Vor und nach der politischen Wende gingen in dem Ende der 20er Jahre errichteten Volkshaus, das laut einem Wikipedia-Eintrag bis zuletzt aus einem fünfgeschossigen Wohn- und Verwaltungsbau sowie einem Saalanbau mit dreigeschossiger Fassade bestand, namhafte Künstler ein und aus. Dazu zählten neben den Sängerinnen Monika Herz und Ina-Maria Federowski auch Frank Schöbel, der für sein Witzfeuerwerk bekannte Hamburger Komiker Fips Asmussen und TV-Star Karl Dall. Im großen Saal mit seiner Bühne und dem riesigen Deckenleuchter wurden aber auch Karnevalssausen sowie Generationentreffen der Abiturienten und Jugendweihen abgehalten. Zudem kamen Auszüge aus Operetten und Theatervorstellungen hin und wieder zur Aufführung oder aber auch beeindruckende Dia-Shows.

Viele Weißwasseraner verknüpfen mit dem Volkshaus zahlreiche Erinnerungen. Diese werden bleiben. Wie es allerdings mit der ausgekohlten Ruine weitergehen soll, war zu Wochenbeginn noch vollkommen unklar. Eine Blitzumfrage in der Stadt zeigte jedoch, dass es Menschen gibt, die sich trotz des jüngsten Ereignisses einen Wiederaufbau durchaus vorstellen können. Andere wiederum meinten, dass das Haus nunmehr abgerissen werden sollte. Letztendlich wird wohl ein Statiker über das Schicksal des Gebäudes entscheiden müssen.

Seit 2004 ist es für den Besucherverkehr geschlossen. Nur zwei Jahre später hatte es am 12. Januar schon einmal darin gebrannt. Die Polizei konnte zwei Heranwachsende im Alter von 18 und 19 Jahren ermitteln. Ihr vorgetragenes Motiv begründeten sie mit Ärger auf einen Gleichaltrigen. Sie wollten ihm, der ebenfalls das Volkshaus als sein Domizil auserkoren hatte, eins auswischen -  hieß es in einem Zeitungsbericht. Damals waren etwa 90 Feuerwehrleute im Einsatz.

In der Zeit danach gab es immer wieder Bestrebungen, dem Volkshaus neues Leben einzuhauchen. Das Thema spielte auch bei der letzten Oberbürgermeisterwahl eine entscheidende Rolle. Dabei unterlag der Kandidat, der sich für eine Verjüngungskur des einstigen Kulturtempels stark machte, nur knapp Amtsinhaber Torsten Pötzsch. Schon zuvor hatte sich ein Förderverein gegründet, der sich seitdem für die Erhaltung des Baudenkmales und „sehr geschichtsträchtigen Objektes“ einsetzt.

Roland Kaiser / 26.04.2021

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