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Eine Statik, die keiner mehr beherrscht

Eine Statik, die keiner mehr beherrscht

Architektur, die begeistert: Die Statik des Crostwitzer Dachgewölbes entzieht sich der Berechnung.

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Wo wir sind, ist oben: Marko Zieschwauck hat das Baugeschehen auf dem Dach der Crostwitzer Kirche fest im Blick.

Das Dach der Crostwitzer Kirche wird zurzeit grundlegend saniert. Für den Architekten keine Aufgabe wie jede Andere – und ein Quell der Faszination.

Crostwitz. „Das würde heute kein Statiker mehr nachweisen können.“ Marko Zieschwauck bewundert die Baukunst seines früheren Berufskollegen Peter Rocho aus Zerna, der 1898 den ersten größeren Umbau der katholischen Pfarrkirche Hl. Apostel Simon und Juda in Crostwitz leitete. Damals wurden – unter anderem – das Kirchenschiff um sechs Meter nach Osten verlängert und ein Gewölbe eingezogen. Dies hatte Auswirkungen auf die Decke – „eine faszinierende Konstruktion, deren Statik heute niemand mehr imstande wäre, zu berechnen.“ Marko Zieschwauck selbst muss sich tief in diese Konstruktion hineindenken – hat er doch heute dieselbe Aufgabe, die Peter Rocho vor 120 Jahren leistete: Kein Umbau zwar, aber doch eine grundlegende Sanierung des Kirchendaches von Simon und Juda. 

Die Dimension der Aufgabe lässt sich bereits vom Boden aus erahnen, wo sich das gewaltige Kirchendach hinter Planen und Gerüsten verbirgt. Noch viel besser freilich lässt sie sich „auf Augenhöhe“, auf der Gerüstkonstruktion, ermessen. „Bei weitem nicht alle Balken müssen ersetzt werden“, erklärt Architekt Marko Zieschwauck. „Doch wir müssen alle Balkenköpfe öffnen und nachsehen, wie ihr Zustand ist.“ Das Spektrum reicht von sehr gut bis hin zu Totalausfall: „Da wo der weiße Porenschwamm oder der Hausbock ihr Werk verrichtet haben, können wir die Balken nicht mehr gebrauchen.“ Eine „Sammlung“ hat Pfarrer Martin Delenk im gegenüber liegenden Hornik-Haus aufgebaut: Die einst für die Ewigkeit gefügten Balken zerbröseln schon beim Hinschauen, und erst recht beim Anfassen. Staubartig rieselt das, was vom einstigen Holz noch übrig ist, zu Boden: „Man wundert sich, dass das Dach in der Form so lange gehalten hat.“

Bereits seit 20 Jahren bemüht sich die Kirchgemeinde um eine Sanierung des Daches, berichtet der Pfarrer. 650.000 Euro kostet dieser so genannte „1. Bauabschnitt“, wovon die Gemeinde circa 313.000 Euro selbst stemmt – 263.000 Euro aus der Rücklage und 50.000 Euro aus Spenden. Nicht mitgerechnet die unzähligen Arbeitsstunden der Gemeindemitglieder, die insbesondere in der Anfangsphase bei der notwendigen Beräumung mithalfen. „Daran hat man gesehen, dass es sich nicht um ein Projekt des Pfarrers oder des Kirchgemeinderates handelt, sondern um eines der gesamten Gemeinde. Alle stehen dahinter“, freut sich Martin Delenk. Und das will bei einer Gesamtmitgliederzahl von 3825, die sich auf 36 Orte erstrecken, schon etwas bedeuten. Weitere wichtige Finanziers sind das Bistum Dresden-Meißen und der Freistaat Sachsen über das Leader-Programm. Mittlerweile haben die Zimmerleute bereits zum großen Teil ihre Arbeit verrichtet, ihnen folgen die Dachdecker, die für das äußere Erscheinungsbild, für die Wasserableitung und den Blitzschutz sorgen. 

Das Dach selbst wurde in mehrere Abschnitte unterteilt – so können die verschiedenen Gewerke gleichzeitig arbeiten. Zum Kirchweihfest im Oktober sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. Das gilt jedoch nur für das Dach: Mit der Erneuerung der Fenster ist das nächste Projekt bereits fest eingeplant, die denkmalschutzrechtliche Genehmigung liegt vor. „Sobald die Finanzierung steht, legen wir auch damit los“, so der Pfarrer. Wann der dritte große Abschnitt – die Erneuerung des Innenraumes – in Angriff genommen werden kann, ist noch nicht absehbar. Das Dach jedenfalls soll dann für mindestens 100 Jahre – „in solchen Zeiträumen muss man schon denken“ – geschlossen bleiben. Bis wieder ein junger Architekt daherkommt und die Baukunst seines Vorgängers Marko Zieschwauck bewundert ...

Uwe Menschner / 10.07.2019

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