Mehr Polizei auf die Autobahn
Polizei-Professor Dr. Dieter Müller. Foto: Robert Michalk
Es vergeht so gut wie kein Tag, an dem es auf der A 4 zwischen Görlitz und Dresden nicht scheppert und sich Fahrzeuge kilometerweit stauen. Dieter Müller von der Hochschule der Sächsischen Polizei beobachtet diese Phänomen schon seit längerer Zeit genau. Im „Oberlausitzer Kurier“ spricht er über die möglichen Ursachen, charakterliche Schwächen der Autofahrer und Lösungsansätze, wie sich die Autobahn durchaus wieder zu einem friedlicheren Ort machen ließe.
Herr Dr. Müller, der Verkehr auf der Autobahn A 4 zwischen Görlitz und der Landeshauptstadt hat in kürzester Zeit rasant zugelegt. Sind Sie dort eigentlich noch gern unterwegs?
Dieter Müller: Nach den Verkehrsprognosen des Bundes-verkehrsministeriums wird der Verkehr auch weiterhin noch deutlich zulegen. Für mich erfüllen Autobahnfahrten stets nur den Zweck, möglichst zügig von A nach B zu kommen. Die Zeiten, dass ich gern Autobahn gefahren bin, sind bei der heutigen Verkehrsdichte längst vorbei. Sorge bereiten mir die vielen Drängler und diejenigen Fahrer, die gerade in den gefährlichen Baustellenbereichen bewusst zu schnell fahren und unerlaubt mit zu geringem Seitenabstand überholen.
Es wird permanent auf der Überholspur gefahren und gedrängelt. Viele pfeifen auf Tempolimits und Überholverbote. Auch der Ton unter den Autofahrern ist deutlich rauer geworden im Vergleich zu vorangegangenen Jahren. Was ist da im Gange?
Dieter Müller: Das sind zwei Faktoren. Einmal merken diese aggressiven Autofahrer, dass sie für Verstöße nicht bestraft werden, weil es an Kontrollen mangelt. Es gibt viel zu wenige zivile Polizeifahrzeuge, die mit Kameras ausgestattet sind und diese unsozialen Fahrer unerkannt filmen und aus dem Verkehr herausziehen. Leider ist weithin bekannt, dass in Baustellenbereichen in Sachsen nicht geblitzt wird und nur höchst selten einmal nachts und am Wochenende. Zum anderen sind es oft charakterlose Fahrer, die das soziale System des Straßenverkehrs nicht begriffen haben, sondern bewusst egoistisch unterwegs sind, um nur ihre eigenen Ziele zu verfolgen.
Haben die Zustände auf der Autobahn genug Potenzial, dass Menschen womöglich zu tickenden Zeitbomben werden?
Dieter Müller: Das glaube ich nicht. Es sind immer nur einzelne, besonders aggressive Fahrer, die derart negativ auffallen. Die meisten Autofahrer fahren zum Beispiel in Baustellen „nur“ nach der Regel „+ 20 km/h“, weil sie genau wissen, dass dies von der Polizei toleriert wird. In Brandenburg toleriert das die Polizei übrigens nicht und dort halten sich auf der A 13 alle Autofahrer peinlich genau an die erlaubten 120 km/h, weil bereits ab 125 km/h konsequent geblitzt wird.
Was müssten Freistaat, der Bund und die Polizei nach Ihrer Ansicht unternehmen, damit es wieder etwas entspannter auf der A 4 zugeht?
Dieter Müller: Der Freistaat hat es selbst in der Hand, die Regeln wieder herzustellen. Die Autobahnpolizeireviere benötigen mehr Personal – und zwar jeweils mindestens zehn Personen für jedes Autobahnpolizeirevier. Dann muss die Verkehrsüberwachung mit zivilen Videokraftfahrzeugen verstärkt werden, sodass diese dauerhaft im Einsatz sein können. Schließlich muss konsequenter als bisher geblitzt werden, das heißt auch nachts und an den Wochenenden und zwar zu unregelmäßigen Zeiten, die für die Schnellfahrer nicht berechenbar sind. Zudem müssen Verstöße, die durch ausländische Fahrer begangen werden, konsequent durch die Polizei und die Zentrale Bußgeldstelle in Chemnitz verfolgt werden. Das macht uns die Stadt Leipzig vorbildlich vor, wo Verstöße gegen Fahrer aller Nationalitäten konsequent verfolgt werden. Der Bund könnte der Bundespolizei und dem Zoll die Kompetenzen übertragen, ebenfalls Verkehrsordnungswidrigkeiten verfolgen zu dürfen. Das ist nämlich leider nicht der Fall. Diese Beamten würden gern auch beispielsweise Überhol-, Gurt- und Handyverstöße ahnden, dürfen es aber nicht. Der Gesetzgeber könnte das mit einem Federstrich ändern. Ich würde diese Kollegen gern in diesem Bereich fortbilden, sodass es sofort deutliche Sicherheitsgewinne gibt.
Welche Lösungsansätze verfolgen Sie als Verkehrsexperte, um die Lage auf der A 4 zu entspannen und inwieweit machen Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie verstärkte Kontrollen einen Sinn?
Dieter Müller: Geschwindigkeitsbegrenzungen sind nur dann sinnvoll, wenn sie auch kontrolliert und Verstöße konsequent geahndet werden. Alles andere ist Augenwischerei. Jeder Form von Verkehrsüberwachung macht den Verkehr sicherer. Verstärkte Kontrollen führen also immer zu Sicherheitsgewinnen für alle, auch für die kontrollierten Fahrer.
Woran liegt es eigentlich, dass man als Autofahrer das Gefühl hat, früher wurde viel schärfer auf den Straßen der Region kontrolliert – inklusive Autobahn?
Dieter Müller: Früher, das heißt vor den Personaleinsparungsreformen des Landtages und des Innenministeriums, gab es tatsächlich mehr Verkehrskon-trollen, weil es eben auch mehr Beamte auf den Straßen gab. Im Gegensatz dazu sind die zusätzlichen Aufgaben der Polizei gewachsen. Dazu zählen die Kfz-Kriminalität und Straftaten, die durch Asylbewerber begangen werden, die sich in ihrem Gastland nicht benehmen können. Diese Straftaten müssen in Form von Anzeigen zeitaufwendig abgearbeitet werden. Dadurch fehlen Polizisten auf der Straße.
Ein Freifahrtschein für alle Raser?
Dieter Müller: Solange sich nichts ändert, ist davon auszugehen.