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Mut, Dinge stets neu zu Ende zu denken

Mut, Dinge stets neu zu Ende zu denken

Carsten Kaempf bei seiner Antrittsrede Foto: Till Scholtz-Knobloch

Innenminister Prof. Roland Wöller hat am 20. September in Rothenburg Carsten Kaempf als Rektor der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) feierlich in sein Amt eingeführt. Mit dem Wechsel soll nach den Prüfungsmanipulationen ein neuer Geist einziehen. Nach drei Monaten kommissarischer Führung hat Kaempf bereits viel Achtung erworben.

Rothenburg. Der Mord 1989 am ehemaligen Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen ist nie wirklich aufgeklärt worden, auch wenn er der RAF zugeschrieben wird. Fakt ist, dass Herrhausen gegen jede Denkverbote und so auch für den Schuldenerlass von Entwicklungsländern kämpfte. Der Ausgleich zwischen Dritter Welt und den Reichen fand nie statt, diese steht 30 Jahre später ohne Herrhausen an einem Punkt, zu dem man mit ihm vielleicht nie gekommen wäre.

Doch was hat das alles mit der Polizeihochschule zu tun? Carsten Kaempf (50), der seit dem 1. Juli diese bereits kommissarisch geführt hat, stellte Alfred Herrhausen als seine Vorbildfigur in den Mittelpunkt seiner Antrittsrede. Die Botschaft war klar: Beim Denken gewinnt am Ende nur der, der sich dem Druck des Mainstreams erwehrt und mit einer klaren Linie einem Apparat führen kann.
Die Vorschusslorbeeren hat Kaempf bereits erhalten. Doch zunächst wurde die Schar der Studenten, Lehrkörper, Polizisten und Prominenten im Saal mit den strukturellen Widrigkeiten der Region konfrontiert, als Moderator Thomas Knaup mit einem Lächeln sagte: „Sie können Ihr Handy jetzt ruhig 90 Minuten auf Pause stellen, Sie haben hier vermutlich ohnehin keinen Empfang“.

Und dass sich die Polizeiarbeit ohnehin nicht der gesellschaftlichen Gegebenheiten entziehen kann, darauf schwor Sachsens Innenminister Wöller die Versammelten ein. „Sicherheit ist Grundbedürfnis und damit Voraussetzung von Freiheit“, stellte er an den Anfang seiner Rede, um kurz darauf den jüdischen Wiener Religionsphilosophen Martin Buber zu zitieren: „Haltung hat, wer Halt hat“, dies gelte auch im Privatleben, denn sonst gäbe es einen Vertrauensverrat. Wöller übertrug dies auf den Neuen in Rothenburg. In ihm vereine sich Haltung und Vorbild.

Unter Kaempfs Führung soll die Aus- und Fortbildung der sächsischen Polizei umfassend reformiert werden. Ziel sei es, alle Fragen der Aus- und Fortbildung „in einer Hand“ zu bündeln. Hierzu würden die Zuständigkeiten der Polizeifachhochschule, der drei Polizeifachschulen sowie die Fortbildungseinrichtungen in Bautzen und Dommitzsch in einer Verantwortung zusammengeführt. Zudem werde eine neue Polizeidirektion Aus- und Fortbildung entstehen. Deren Aufbaustab wird übrigens ebenfalls durch Rektor Carsten Kaempf geleitet.

Innenminister Wöller unterstrich im Rahmen der Amtseinführung: „Sachsen braucht tatkräftige und beherzte Polizisten mit Haltung. Gute Polizeiarbeit setzt eine fundierte Aus- und Fortbildung voraus. Diese muss stets auch den gesellschaftlichen Wandel im Blick behalten.“ Kaempf und seine Mitarbeiter hätten die Aufgabe, angehende Polizisten bestmöglich auf ihr hoheitliches Handeln vorzubereiten. Kaempf verfüge dabei über vielseitige Fachkenntnisse in Organisationsfragen und umfangreiche Führungserfahrungen. „Nicht zuletzt zeichnet er sich durch Geradlinigkeit, Tatendrang und Durchsetzungsvermögen aus. Carsten Kaempf ist der richtige Mann, um diese Herausforderung zu meistern“, so Wöller.

Die begonnenen personellen und strukturellen Veränderungen gehen unter anderem auf einen Bericht der von Innenminister Wöller eingesetzten Kommission zur Überprüfung der Ausbildung an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) zurück. Das Papier mit 90 Empfehlungen wurde im Mai 2019 vorgelegt. Wöller fühlte sich sichtlich wohl am Mikrofon im Audimax: „Ich komme ja aus der Lehre und als Politiker eine Hochschule im eigenen Geschäftsbereich zu haben ist ja fast wie ein Lehrauftrag“, fasste er dies zusammen. Seit 2013 zählt übrigens auch das Aus- und Fortbildungzentrum der Polizei Sachsen am Standort Bautzen zur Hochschule der Sächsischen Polizei (FH). Es wird von Prorektor Hanjo Protze geführt, der in seiner Eigenschaft zudem auch Vertreter Kaempfs als Rektors der Polizeihochschule ist und so auch zu einem der ersten Gratulanten in Rothenburg zählte. Im Rahmen der Erweiterung und Modernisierung werden in den kommenden Jahren an den beiden Hochschulstandorten Rothenburg sowie Bautzen rund 100 Millionen Euro investiert. Damit soll unter anderem eine neue IT-Infrastruktur im Rahmen eines Konzeptes „Digitaler Campus 4.0“ geschaffen werden. Auch die anwendungsorientierte Forschung soll durch ein Institut für Polizei- und Sicherheitsforschung eAufwertung erfahren.
Dass Ausbildung nicht ein notwendiges Übel der Existenz einer gut ausgebildeten Polizei sei, sondern gewissermaßen eine intellektuelle Speerspitze des Vordenkens gesellschaftlicher Entwicklungen und Handlungsnotwendigkeiten sein müsse, zog sich als Leitmotiv durch die Feierstunde – präsentiert als Resultat eines gemeinsamen Denkprozesses nach dem Prüfungsskandal. Mit Carsten Kaempf ist nun ein Mann am Ruder, der diesen Denkweg mitgetragen hat, aber nicht stehenbleibt, denn – so seine Worte: „Herrhausen hat gesagt: ’Die meiste Zeit geht dadurch verloren, dass man nicht zu Ende denkt.’“ Letztlich ergeben sich ja in der globalisierten Welt jeden Tag veränderte Voraussetzungen, die das Gehirn erneut fordern und für die man vielleicht das Denken wieder ganz schnell umstellen muss.

Till Scholtz-Knobloch / 30.09.2019

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