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OB-Kandidatur spaltet Bautzens Stadtrat

OB-Kandidatur spaltet Bautzens Stadtrat

In Gedanken schon in Berlin? Oberbürgermeister Alexander Ahrens will es wissen: Er kandiert eigenen Angaben zufolge für den künftigen SPD-Vorsitz. Foto: UM

Stadtoberhaupt Alexander Ahrens hat sich entschieden: Er nimmt wieder Kurs auf seine alte Heimat. In Berlin will der 53-Jährige schon recht bald die Nachfolge der zurückgetretenen SPD-Chefin Andrea Nahles antreten – und zwar als Teil einer möglichen Doppelspitze. An seiner Seite: Simone Lange, Oberbürgermeisterin von Flensburg. Am Spreeufer in der Lausitz trifft das Unterfangen unterdessen auf ein geteiltes Echo.

Bautzen. Der Ruf von der Wilhelmstraße 141 in Berlin ist bis an den Bautzener Hauptmarkt vorgedrungen und ein Mann sieht sich gefordert, diesem zu folgen. Für Alexander Ahrens, 1966 im Westteil der Hauptstadt geboren, scheint die Stunde gekommen zu sein, um die ganz große Politik anzupeilen – und das mit einem klaren Ziel vor Augen. Sollte er SPD-Chef werden, möchte er auf Bundesebene die jahrelange Koalition mit den Unionsparteien CDU und CSU aufkündigen. Gleichzeitig machte der Wahlbautzener verständlich, seinen Oberbürgermeisterposten weiterhin ausüben zu wollen. „Was auch kommt, meine Aufgabe als Oberbürgermeister der Stadt Bautzen werde ich weder aufgeben noch vernachlässigen“, schrieb Alexander Ahrens in einer an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung adressierten Urlaubsbotschaft. „Mir liegt am Herzen, Sie als erste darüber zu informieren...“ Das wiederum trifft so nicht ganz zu, denn bereits Tage zuvor erlangte unsere Zeitung Kenntnis von Ahrens’ Zukunftsplänen. Allerdings behielt sich das Stadtoberhaupt vor, auf eine am 15. Juli verschickte E-Mail-Anfrage des Oberlausitzer Kuriers zunächst nicht zu reagieren. Nunmehr versicherte er jedoch öffentlich, „dass ich meine Kraft für die Stadt Bautzen auf der neuen Ebene nutzen werde“. 

Die Sozialdemokraten suchen auf der Grundlage eines im Juni dieses Jahres gefassten Beschlusses des Parteivorstandes nach einer neuen Führung. Bis zum 1. September müssen Kandidaturen mit den notwendigen Nominierungen beim Wahlvorstand gemeldet worden sein. Das können Einzelbewerber aber auch Zweierteams sein. Denn die SPD-Mitglieder votieren während einer Abstimmung im Oktober nicht nur für ihren jeweiligen Favoriten, sondern auch dafür, ob die „alte Mutter“, wie die Partei im Volksmund genannt wird, eine Doppelspitze erhalten soll. Genau dafür stellt sich mit Alexander Ahrens ein Mann aus der Region zur Wahl, der im März 2017 in die Reihen der Sozialdemokraten eintrat.

Vor diesem Hintergrund nimmt das Bürgerbündnis Bautzen (BBBz) die jüngste Kandidatur „mit Befremden“ zur Kenntnis. „Wir erinnern uns noch daran, dass Herr Ahrens im Vorfeld der OB-Wahl 2015 sich als parteiloser Bewerber vorgestellt hat, der insbesondere das Argument des parteiübergreifenden Agierens für den Fall seiner Wahl genutzt hat und sich damit auch die volle Unterstützung des BBBz damals gesichert hat“, erklärte Vereinssprecher Christian Haase. „Kurze Zeit danach erfolgte durch ihn der Eintritt in die SPD und nun der Versuch, sich selbst an die Spitze der Partei zu setzen. Damit setzt OB Ahrens seine Glaubwürdigkeit noch mehr aufs Spiel“, warnte er.

„Wir wünschen der SPD eine gute Wahl“, meinte dagegen die neue Grünen-Stadträtin Annalena Schmidt. „Sie sollte genau schauen, ob das Agieren Ahrens’ in Bautzen zu der Partei passt. Die Belange der Stadt werden jedenfalls mit dieser Bewerbung erstmal hinten angestellt.“ Auch die Christdemokraten bezweifeln, dass der frühere Charlottenburger beide Ämter unter einen Hut bekommt, sollte er beim SPD-Bundesparteitag im Dezember den entsprechenden Zuspruch der Basis erhalten. „Er hat selbst in seiner Halbzeitbilanz erklärt, dass der Job des OB von Bautzen mehr ist als ein Ganztagsjob“, sagte Stadtrat Heiner Schleppers. „Er muss entscheiden, ob er eines von beiden nebenbei macht. Der Job als OB von Bautzen geht nicht so nebenbei und sein Referent ist kein OB.“ Für die CDU bedeutet die Bewerbung um den SPD-Vorsitz jedoch auch: „Schon bei der Kandidatur sollte Alexander Ahrens die Niederlegung des OB-Amtes erwägen. Es kann für Bautzen keinen Stillstand geben. Sein Nachfolger muss die Chance des Bekanntwerdens haben. Wahlen sind vorzubereiten. Herr Ahrens muss sich entscheiden.“ Ähnlich sehen es die Grünen: „Im Falle einer erfolgreichen Kandidatur muss er das Amt zwingend niederlegen. Ihm sollte – egal ob er gewählt wird oder nicht – das Wohl der Bautzener oberste Priorität haben. Er sollte den Bautzenern ehrlich sagen, war er im Falle seiner Wahl tun will – nämlich nur noch SPD-Vorsitzender sein.“ Und weiter: „Bei seiner Halbzeitbilanz als Oberbürgermeister gab Ahrens an, dass das Amt des Oberbürgermeisters mehr als eine Vollzeitstelle sei. Bei seiner Bewerbung als Parteichef gibt er wiederum an, auch nach einer Wahl im Amt bleiben zu wollen. Das passt nicht zusammen. Beide Ämter mit gleicher Intensität zu begleiten, ist völlig an der Realität vorbei. So etwas anzukündigen, ist politisch verantwortungslos.“ Die AfD übte sich bezogen auf die Kandidatur des OB eher in Zurückhaltung. Aber auch sie befürchtet, dass eine Doppelfunktion OB und Parteivorsitzender nicht ohne negative Folgen realisierbar ist. „Und diese werden sich bedauerlicherweise in Richtung OB-Tätigkeit auswirken“, zeigte sich der künftige Fraktionsvorsitzende Sieghard Albert überzeugt. BBBz-Sprecher Christian Haase unterstrich dies mit den Worten: „Wir glauben, dass er hier eine völlig andere Auffassung zum Arbeitsumfang beider Ämter hat als wir es tun und ihm hier eine Unterschätzung der Verantwortung für jedes der Ämter unterläuft.“

Das sieht der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Dresden, Lars Fiehler, etwas differenzierter: „In der Vergangenheit gab es auf Bundesebene schon mehrere Beispiele für erfolgreiche Doppelrollen. Allein Bundeskanzlerin Merkel war von 2005 bis 2019 parallel auch CDU-Vorsitzende.“ Trotzdem bleiben am Ende Bedenken: „Im Unterschied zum konkreten Fall von Herrn Ahrens gab es da aber keine örtliche Trennung. Dass eine Ämterhäufung nur bedingt geeignet ist, die in den jeweiligen Zuständigkeitsbereichen anstehenden Aufgaben nicht nur vollumfänglich zu meistern, sondern auch gewünschte Impulse zu setzen, dürfte allerdings auch kein Geheimnis sein.“ 

Der Landtagsabgeordnete der Linken, Heiko Kosel, findet den Schritt mutig, „da sich für die Nachfolge der zurückgetretenen Parteichefin Andrea Nahles bisher Europa-Staatsminister Michael Roth und die nordrhein-westfälischen Landtagsabgeordnete Christina Kampmann beworben haben“. Daneben wollen die Bundestagsabgeordneten Karl Lauterbach und Nina Scheer antreten. Kandidaten mit „kommunalpolitischer Bodenhaftung“ hält er vor diesem Hintergrund durchaus für sinnvoll.

Dass beide Posten durchaus zu stemmen sind, davon geht der Chef der SPD-Stadtratsfraktion, Roland Fleischer, aus. „Gerade die Verbindung zur Kommunalpolitik, zu den Problemen vor Ort sind überaus wichtig und Teil der Aufgabe eines Parteivorsitzenden. Die Stadt und die Region würden davon profitieren. Bautzen würde öfters im Mittelpunkt stehen und bei allem Für und Wider durch mehr Sachlichkeit ins positive Licht gerückt werden können. Zudem hat ein OB immer seine Stadt und die Region im Hinterkopf.“ Die Bewerbung sei gut durchdacht und chancenreich, „da sich für dieses Amt bei Herrn Ahrens die kommunalpolitische Erfahrung, das Fachwissen, die Nähe zum Menschen, seine Standhaftigkeit, die schon öfters bewiesene Weltoffenheit und Toleranz sowie klare politische, auf dem Boden des Grundgesetzes befindliche Ansichten wiederfinden“. 

Stark im Kontrast dazu stehen Meinungen in der Einwohnerschaft. Nachdem die Kandidatur offiziell bekanntgemacht wurde, meldeten sich auch mehrere Bautzener im Internet zu Wort. So schrieb beispielsweise eine Facebook-Nutzerin: „Bautzen war nur ein Sprungbrett und in meinen Augen ein abgemachtes Spiel – als Unparteiischer zur Bürgermeisterwahl angetreten und nicht lange danach in die SPD eingetreten.“ Wiederum ein anderer meinte lediglich: „Ohne Worte.“

Währenddessen scheinen sich Kreise der CDU schon langsam von Alexander Ahrens zu verabschieden. Wohl nicht ganz uneigennützig wünschte ihm die Stadtratsfraktion eine erfolgreiche Kandidatur. Auf die Frage, welche Anregungen die Christdemokraten ihm mit auf den Weg geben, meinte Heiner Schleppers stellvertretend: „Dass er überlegt, warum er hier mit den Bürgern so einen Stress hatte und dass er den dann bei der SPD vermeidet. Bürgernähe ist zuhören und handeln, überzeugen und nachgeben. Einmal Gesagtes muss gelten.“ Bezogen auf eine gerichtliche Auseinandersetzung zwischen dem OB und FDP-Stadtrat Mike Hauschild betonte Heiner Schleppers: „Meinungsgegner sollten nicht verklagt werden. Immer helfen noch Argumente und Gespräche.“

Aus den Reihen der Freidemokraten sind im Vergleich zu früheren Zeiten inzwischen versöhnlichere Töne zu vernehmen: „Schwerpunkt der Bewerbung ist wohl die Wiedererlangung der Glaubwürdigkeit der SPD. Damit hat Herr Ahrens die Messlatte sehr hoch angelegt. Wir wünschen ihm viel Tatkraft und Erfolg bei der Erfüllung dieses Versprechens.“ Das Bürgerbündnis hingegen meldete dringenden Klärungs-bedarf an. „Wir sehen die Notwendigkeit ausführlicher Gespräche des OB nach seinem Urlaub gemeinsam mit den neu gewählten Stadträten, um die neue Situation zu erörtern“, bekräftigte Christian Haase. „Uns liegt die erfolgreiche Entwicklung der Stadt Bautzen am Herzen. Wir brauchen dazu Menschen an der Spitze, die es als Herzensaufgabe begreifen, sich für das Wohl der Stadt und ihrer Bürger mit ganzer Kraft einzusetzen und dabei Glaubhaftigkeit erzielen durch Einheit von Wort und Tat.“

Nichtsdestotrotz drückt Roland Fleischer seinem Parteigenossen Ahrens fest die Daumen. Er hofft, dass Bautzens OB gemeinsam mit Simone Lange als Duo den Parteivorsitz übernimmt. Auch der SPD-Kreisvorstand unterstützt geschlossen die Bewerbung. Bautzen und Berlin würden sich perfekt ergänzen, hieß es in einer Mitteilung. „Diese Kandidatur spiegelt den Wunsch der Basis wider – die Erneuerung von unten nach oben in Kooperation von Ost und West sowie Mann und Frau. Beide sind erfahrene Politiker, versprechen frischen Wind und bringen die SPD mit Sicherheit nach vorne.“ 

Roland Kaiser / 10.08.2019

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