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Sicherheitslage völlig außer Kontrolle geraten

Sicherheitslage völlig außer Kontrolle geraten

Janet Langbrand vom Senfkorn-Verlag beim Aufräumen nach dem Einbruch vom 30. Dezember in den Redaktions- und Büroräumen in der Brüderstraße. Foto: Klaudia Kandzia

Insbesondere in der Görlitzer Altstadt klagen Geschäftsleute und Privatpersonen über zahlreiche Straftaten unweit der Grenze. Der Senfkorn-Verlag in der Brüderstraße ist bereits über ein Dutzend Mal Opfer von Diebstählen geworden, zwei neuerliche Einbrüche lassen Verleger Alfred Theisen verzweifeln. Schwerer als der hohe Sachschaden wiegen Datenverluste und der völlige Vertrauensverlust in den Schutz durch den Staat.

Görlitz. Als Verleger Alfred Theisen am 18. Dezember die Büros und die Redaktion des Senfkornverlages (u.a. Schlesien heute) über seiner Schlesischen Schatztruhe in der Brüderstraße betrat, fand er die Büros verwüstet vor. „Viele Kunden und Geschäftspartner dachten damals tagelang wir seien abgetaucht“, sagt er, denn vieles sei liegengeblieben, da erst einmal wieder Ordnung ins Chaos kommen musste.

Nach vielen Einbruchserfahrungen entschloss sich Theisen das Haus durch moderne Sicherheitstechnik noch sicherer zu machen. Doch diese war bis Jahresende noch nicht geliefert und montiert, so dass der eigentliche Tiefschlag mit einem neuerlichen Einbruch in der Nacht auf den 30. Dezember kam. Doch wie so viele Unternehmer schlug der grippegeplagte Chef mal wieder zu völlig ungewöhnlicher Zeit im Betrieb auf und fand – erneut – die Räume von Redaktion, Verlag und Buchhaltung verwüstet vor. Doch ein Einbrecher lief Alfred Theisen noch über den Weg. Auf frischer Tat ertappt, verliert dieser eine gefüllte Kaffeekasse und schmeißt auf der Flucht mit Gegenständen, ehe er sportlich über eine Mauer springt und über ein unbewohntes Nachbarhaus entflieht. Im Hof steht bereits dort gehortetes Diebesgut, doch der eigentliche Schaden steckt nun im Verlust und der Vernichtung des technisches Herzens der Firma. Zudem sind alle Schlüssel weg, was den Austausch des Schließsystems im gesamten Haus einschließlich von fünf Wohnungen bedeutet.

Bereits kurz nach dem Einbruch kontrollierte eine Streife der Bundespolizei einen polnischen Staatsbürger an der Altstadtbrücke. Der Tatverdächtige war im Besitz von Gegenständen, „die aus dem im Fokus stehenden Einbruch stammen könnten. Ob es sich dabei allerdings um genau den Mann handelte, der in das Haus eingebrochen war, gilt es nun im weiteren Verlauf der Ermittlungen zu klären“, teilte die Polizeidirektion Görlitz auf Anfrage des Niederschlesischen Kuriers mit.

Alfred Theisen bringt das in Aufruhr, denn diese Gegenstände sind „ohne jeden Zweifel aus der Redaktion“, sagt er.

Die Bundespolizei ist in diesem, wie in anderen Fällen mit der Überstellung ans Revier auch nur ein kurzzeitiger Akteur, doch auch Michael Engler, Pressesprecher der Bundespolizei Ludwigsdorf, versteht, dass öffentlich schwer vermittelbar ist, wenn ein mit großer Wahrscheinlichkeit ermittelter Täter nach Feststellung des Sachverhalts wieder auf freien Fuß kommt – wie auch in diesem Fall. „Es ist unerheblich, ob der Täter aus Deutschland oder Polen stammt. Wenn es eine ladungsfähige Anschrift innerhalb der Europäischen Union gibt, spielt es keine Rolle, ob ein Täter nun von diesseits oder jenseits der Neiße kommt“, sagt er.

In der Mitteilung der Polizei las sich der Hergang so: „Zur Klärung seiner Identität wurde der Tatverdächtige zum örtlichen Revier gebracht. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft waren die rechtlichen Voraussetzungen für eine weiterführende Festnahme nicht gegeben. So war die Identität des 23-jährigen Mannes zwischenzeitlich bekannt gemacht worden. Er verfügt im Nachbarland über einen festen Wohnsitz und war bisher noch nicht nennenswert polizeilich in Erscheinung getreten. Mit Blick ins Strafgesetzbuch bliebt festzustellen, dass die Schadenshöhe bei der rechtlichen Betrachtung derartiger Delikte nicht ins Gewicht fällt. Nach Festlegung der Staatsanwaltschaft war der Mann nach Abschluss der polizeilichen Maßnahmen somit zu entlassen.“

Eine Schadenshöhe von vielleicht 20.000 Euro hatte Alfred Theisen als Ad-hoc-Einschätzung abgegeben und ärgert sich, dass in der Schnelle völlig unverifizierbare Summe dann überhaupt in einer Pressemitteilung der Polizei landet. „Ich weiß ja nicht, ob ich mit den ganzen Folgeschäden am Ende nicht gar einen sechsstelligen Schaden zu beziffern habe. Trotz Grippe und Einbruch hatte ich bereits um 12.00 Uhr eine Reisegruppe zu betreuen“.

Das Schlimmste sei für ihn jedoch die Ohnmacht und die Angst: „Was wäre bei einer Situation mit zwei Tätern? Ich denke nun daran, mich persönlich zu bewaffnen. Die Polizei ist guten Willens, aber die ganze Sicherheitslage ist für viele völlig außer Kontrolle geraten. Da braucht sich doch niemand zu wundern, wenn z.B. wie zuletzt in Amberg von einer Bürgerwehr die Rede war über die man sich dann noch empört. Ich bin vor allem so aufgebracht, da man sich völlig ohnmächtig fühlt. Es gibt eine immense Abgaben- und Steuerlast die gerade Kleinunternehmen zunehmend knebelt, ausufernde Steuerberatungen, Digitalisierungserfordernisse oder weltfremde Datenschutzvorgaben, aber nach alldem, was auf einem lastet, denkt man sich am Ende: Noch wichtiger ist eigentlich die Frage, wie man selber wehrhaft wird, denn scheinbar ist Täter- wichtiger als der Opferschutz.“

Schon vor zwei Jahren sei ihm sein Fiat-Ducato-Kleinbus vom Obermarkt gestohlen worden. Der Staatsanwaltschaft habe damals die Einstellung des Verfahrens mitgeteilt, „weil der Täter bisher nicht ermittelt werden konnte“. Alfred Theisen beantwortete dies damals mit einem Brief, in dem er anführte: „Unmittelbar nach dem Diebstahl wurde mein Wagen von der polnischen Polizei mit dem Fahrer erwischt. Es fehlte bereits das Autoradio“. Angesichts der dünnen Information, wieso ein unmittelbar nach der Tat Gestellter, der augenscheinlich das Autoradio demontiert hatte, nicht als Täter gelten könne, wandte sich Alfred Theisen damals auch an Politiker der Region. Mit den Behörden rieb er sich nicht weiter auf. Wenn offenkundige Fakten und Resultate der Ermittlungen nicht in Einklang gebracht werden können, dann lohne sich scheinbar auch wenig, sich weiter zeitlich und gesundheitlich aufzureiben, dachte er sich, nachdem er auch dem vermeintlichen Täter erst gar nicht gegenübertreten durfte. „Der ganze Ablauf war für mich damals unfassbar. Aber scheinbar gehört so etwas ja zur Regel, wie ich jetzt erfahren muss“, sagt er. Denn auch vom 30. Dezember gäbe es ja Diebesgut, das er zweifelsfrei als sein Eigentum beschreibt. Man sieht ihm dabei vor allem an, dass er darunter leidet, dass er als Verleger, der soviel für den deutsch-polnischen Austausch auf eigenes Risiko getan hat, ohne echten Rückhalt der öffentlichen Hand dasteht, die ihre oft nur plakativen grenzüberschreitenden Projekte aus der Sicherheit des Steuergeldes finanziert.

Till Scholtz-Knobloch / 13.01.2019

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