Sichert die Elektrifizierung der Bahn Innovation und Wachstum?
Ziehen an einem Strang beim Thema Elektrifizierung: (v.l.) Bürgermeister Stephan Kühn (DD), Landrat Udo Witschas (BZ), die Oberbürgermeister Karsten Vogt (BZ), Torsten Ruban-Zeh (HY) und Octavian Ursu (GR) sowie Landrat Stephan Meyer (GR). (Foto: Stadt)
Landkreis Bautzen. Momentan gibt es auf der Zugstrecke zwischen Dresden und Görlitz im Abschnitt ab Demitz-Thumitz eine Lücke. Diesen Umstand, dass dieser Teil der Bahnstrecke bislang nicht elektrifiziert ist und die Region damit ein Stück weit abgekoppelt ist, wollen die Stadt und der Landkreis Bautzen nicht hinnehmen.
Aus diesem Grund haben sie sich Unterstützung aus dem Landkreis Görlitz und der Landeshauptstadt Dresden sowie den Städten Görlitz und Hoyerswerda geholt. Bei der Regionalkonferenz Oberlausitz haben sich Landräte und Bürgermeister nun gegenüber dem Freistaat Sachsen positioniert, damit der Landesentwicklungsplan Sachsen aus dem Jahr 2013 weiter umgesetzt wird.
Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden–Bautzen–Görlitz gefordert
Diese Rechtsverordnung – also geltendes Recht – besagt, dass bis 2023 leistungsfähige Verkehrsanbindungen von Schiene und Autobahn zu erzeugen sind. Darunter fällt auch die lückenlose Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden–Bautzen–Görlitz. „Wir akzeptieren nicht länger, dass dieses Recht seit Jahren vor Bautzen ausgesetzt ist und die wirtschaftliche Entwicklung der Region gefährdet wird“, kritisiert Karsten Vogt (CDU), Oberbürgermeister von Bautzen.
Landrat Udo Witschas (CDU) pflichtet ihm bei und unterstreicht die Wichtigkeit des Vorhabens auch für den Landkreis Bautzen. „Eine leistungsfähige Infrastruktur ist das Rückgrat jeder wirtschaftlichen Entwicklung. Insbesondere die Elektrifizierung der Bahnstrecke Dresden–Görlitz ist dabei von zentraler Bedeutung, ähnlich dem Ausbau der Autobahn A4“, sagt der 53-Jährige.
Interessen Ostsachsens mit Nachdruck vertreten
Dies ermögliche nicht nur eine moderne und nachhaltige Mobilität, sondern sichere auch die Wettbewerbsfähigkeit der Region und die Erreichbarkeit für Menschen sowie Unternehmen. „Die Lösungswege liegen längst auf dem Tisch. Es braucht jetzt den politischen Willen, sie auch konsequent zu gehen“, erklärt er. „Der Landkreis Bautzen wird gemeinsam mit seinen Partnern nicht nachlassen, die Interessen Ostsachsens mit Nachdruck zu vertreten.“
Amtskollege Stephan Meyer (CDU) aus Görlitz führt die besondere Bedeutung der Oberlausitz an: „Wir wollen wettbewerbsfähig bleiben und aufzeigen, dass Ostsachsen und die Lausitz zentral in Europa auf der transeuropäischen Achse Dresden–Berlin–Wroclaw liegt“, erläutert der 43-Jährige. „Gerade deshalb müssen wir diesen Schulterschluss zeigen und ein durchgängig elektrifiziertes Schienennetz sicherstellen.“
Infrastruktur und Innovation zwischen Stadt und Land
Die Regionalkonferenz im Kreistagssaal des Landratsamts in Bautzen diente nicht nur dazu, sich politisch zu positionieren, sondern auch dazu, Impulse für die Region zu übermitteln. Unter dem Titel „Was haben Florida und der Innovationskorridor gemeinsam?“ referierte Roland Sillmann, Geschäftsführer der Wista Management GmbH, die als landeseigener Standortentwickler, Dienstleister und Wirtschaftsförderer in Berlin Strukturwandelprojekte begleitet. In seinem Referat zeigte er die Potenziale aus dem Transfer von Wissenschaft in die Wirtschaft am Beispiel Technologiepark Berlin-Adlershof.
Der Fragestellung „Wie aus einem Infrastrukturkorridor ein Innovationskorridor zwischen Stadt und Land wachsen kann?“ ging im Anschluss Thomas Kralinski nach, Staatssekretär für Wirtschaft und Arbeit. Aufbauend auf den Impulsen seines Vorredners adaptierte der 52-Jährige Chancen, aber auch Herausforderungen auf die Region Ostsachsen.
Bautzen, Görlitz und Hoyerswerda verbünden sich weiter
Bautzen verbündet sich nun weiter mit Hoyerswerda und Görlitz, um der besonderen Rolle in Ostsachsen im Oberzentralen Städteverbund (OSZV) nachzukommen. Mit dem entstehenden Innovationskorridor entlang der A4 hin zur polnischen Grenze wirke die Region auch im paneuropäischen Kontext stark mit. Silicon-Saxony, Net-Zero-Valley, Deutsches Zentrum für Astrophysik und Bauforschungszentrum LAB erfordern zukunftsweisende und belastbare Infrastruktur.
„Seit über 20 Jahren besteht das deutsch-polnische Abkommen über die Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung der Eisenbahnverbindungen Berlin–Warschau und Dresden–Breslau“, sagt Octavian Ursu (CDU), Oberbürgermeister von Görlitz. „Das ein kleines Teilstück zur Landeshauptstadt fehlt, ist den Menschen in Europa nur schwer zu vermitteln und erfordert politisches Handeln.“
Landeshauptstadt Dresden unterstützt Elektrifizierung
Bautzen, Görlitz und Hoyerswerda übernehmen darin Aufgaben als gemeinsames Oberzentrum. „Die damit verbundenen Rechte und Pflichten können wir nur dann an- und wahrnehmen, wenn wir Rückendeckung von Freistaat und Bund bekommen“, ergänzt Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh (SPD) aus Hoyerswerda.
Unterstützt werden die Landräte und Oberbürgermeister auch von der Landeshauptstadt Dresden. „Die ostsächsische Wertschöpfung hört nicht vor Dresden auf, sondern ist ebenso integraler Bestandteil“, betont Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP). „Gerade durch das Pendlerverhalten der Region sind wir auf belastbare Verkehrswege angewiesen.“
Wettbewerbsfähigkeit zwischen Elbe und Neiße sichern
Im Hinblick auf die demografische Entwicklung und erwachsende Bedarfe des Fachkräftemangels erscheine es gerade jetzt umso wichtiger, die Voraussetzungen für Wettbewerbsfähigkeit zwischen Elbe und Neiße zu sichern. Die Zahlen sind eindeutig: Die dringend nötige Elektrifizierung sichere für 52 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort und knapp 44 Prozent aller Einwohner die Mobilität sowie Erreichbarkeit der Unternehmen vor Ort.
Die Regionalkonferenz stellt einen Auftakt dar, nachhaltig an den Themen zu arbeiten. So befasst der OSZV sich bereits intensiv damit, dem wegweisenden Spektrum der Mobilität auf Bundes- und Landesebene Nachdruck zu verleihen – sowohl für die künftige Landes- als auch Bundesregierung.
Kommentare zum Artikel "Sichert die Elektrifizierung der Bahn Innovation und Wachstum?"
Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.
Werte Deutsche Bahn,
in Frankreich wurden Diesel-Akku-Hybridzüge erfolgreich erprobt, in Deutschland nicht. Vielmehr werden hierzulande sogar kurze Stichstrecken (Beispiel Ahrtalbahn) aufwendig elektrifiziert, obwohl dort vermutlich Akkutriebwagen ausreichen würden - Verschandelung historischer Bahnhöfe und Landschaften, Steuergeld- und Rohstoffverschwendung. Zurück nach Frankreich, wo man Dieseltriebwagen nicht verschrottet, sondern innovativ nachrüstet:
Zitat: "Die (nachträgliche) Hybridisierung des Triebzugs bestand darin, die Hälfte der Verbrennungsmotoren durch Energiespeichersysteme aus Lithium-Ionen-Batterien zu ersetzen. Tests haben gezeigt, dass sich der Zug wie erwartet verhält. Die Rückgewinnung der Bremsenergie, die zum Aufladen der Batterien dient, erreicht mit über 90 % ein sehr hohes Niveau, was je nach Strecke eine Energieeinsparung von bis zu 20 % ermöglicht. Dank einer Reichweite von etwa 20 Kilometern kann der Zug im Null-Emissions-Modus ohne Einsatz von Verbrennungsmotoren fahren: Diese Funktion wird im kommerziellen Betrieb getestet, um die Umweltbelastung in bestimmten Ballungsräumen zu verringern. Der Hybrid-Regionalzug wird auf nicht elektrifizierten Strecken die gleiche Reichweite haben wie die bimodale Version mit Verbrennungsmotor und Elektroantrieb, nämlich bis zu 1.000 Kilometer.
Die Hybridisierung stärkt somit die Umweltfreundlichkeit des regionalen Schienenverkehrs und ermöglicht es, an bereits verkehrenden Zügen zu arbeiten, ohne auf deren Ersatz warten zu müssen (die Lebensdauer eines Zuges beträgt mehr als 30 Jahre) und ohne das Schienennetz verändern zu müssen, insbesondere durch die Elektrifizierung von Strecken, deren Realisierung lange dauert.
Quelle Lok-Report 22.02.2022 und 16.07.2024
Werter Herr Fritz,
ich verstehe in Ihrem Kommentar nicht, welche der von mir genannten Antriebsarten sich angeblich nicht bewährt haben sollen.
Es waren Antriebsarten genannt, die bereits erfolgreich im Einsatz sind, darunter Dual-Mode-Fahrzeuge und klimafreundliche Kraftstoffe. Die Bahnindustrie bietet aktuell auch Lokmotoren an, die mit Wasserstoff betrieben werden.
Akkutriebwagen bewähren sich ebenfalls, und wo deren Reichweite zu gering ist, könnte man diese in einer Garnitur mit HVO-betankten Dieseltriebwagen zu einem Hybridzug kombinieren: Der Akkuzugteil fungiert dabei als Bremsenergiespeicher und Booster beim Beschleunigen, bei abgasfreien Tunnelfahrten, Anfahrten in Bahnhöfen usw.: Schnell einsetzbare, aktuelle und bezahlbare Technik anstelle teurer Elektrifizierung mit massiven Eingriffen in Natur und Bahninfrastruktur.
Werter Her Weber
so kann man natürlich auch eine Elektrifizierung der Bahn ablehnen... Alle andern Antriebsarten die sie anführen haben sich bist jetzt nicht bewährt oder stecken noch in den Kinderschuhen. Es wird dann eben beim Diesel bleiben.
Beispiel zu elektrifizierungsbedingten Baumfällungen: https://www.drehscheibe-online.de/foren/read.php?003,11009635,11009635#msg-11009635
Wald speichert etwa 13 t CO2/ha. Bei Elektrifizierung gehen beidseits der Gleise gehen diese CO2-Speicher verloren. Dazu ein Zitat einer Bahnsprecherin:
"... wenn neben der Oberleitung noch eine sogenannte Speiseleitung verläuft. „Hier sind zusätzlich zur Rückschnittszone Schutzabstände von fünf Metern zu allen Teilen der Leitung vorgeschrieben, sobald die Vegetation eine Höhe von vier Metern überschreitet“, sagte eine Bahnsprecherin." https://www.landeszeitung.de/lokales/24189-schutzabstaende-haben-vorrang/
Für einen verkehrstechnischen Lückenschluss, der Umsteigen oder Umspannen beseitigt, bedarf es keiner Elektrifizierung. Denn dazu sind längst fahrdrahtunabhängige Dual-Mode Fahrzeuge am Markt.
Zu Recht finden in den Medien zunehmend auch die Nachteile von Oberleitungen Beachtung. Dazu gehört z.B. die erschreckend große Zahl an Bahnstromopfern. In keinem anderen Bahnsystem kommen so viele Tiere und Menschen zu Schaden wie im elektrischen und auch der Flächenbedarf elektrifizierter Bahntrassen ist deutlich größer als bei anderen Traktionsarten - folglich auch die Beseitigung CO2-speichernder Vegetation beidseits der Bahntrassen. Hinzu kommt hier der massive Flächen- und Schutzstreifenbedarf des 110 kV-Bahnstromnetzes: Auf jeden Kilometer elektrifzierter Bahnstrecke entfallen etwa 300 Meter 110 kV-Bahnstromtrasse. Auch der damit einher gehende massive Metallrohstoffbedarf erhöht den CO2-Fußabdruck dieses Bahnsystems.
Ein weiteres Thema sind die vergleichsweise häufigen Betriebsstörungen im elektrischen Bahnbetrieb: Oberleitungen fallen aus durch Vögel, Sturm, Eis, Blitz, Vandalismus, Kabediebstahl, Bauplanen, Lkw-Aufbauten an Bahnübergängen, Kinderballons usw.
Wenn Bahnelektrifizierung als Klimaschutzmaßnahme gelten soll, so muss sich diese an ihren CO2-Vermeidungskosten messen lassen. Effizienter Klimaschutz zeichnet sich durch geringe CO2-Vermeidungskosten aus. Ob dies auf Bahnelektrifizierung zutrifft, scheint fraglich, zumal die Bahn schon heute z.B. mit klimafreundlichem HVO-Kraftstoff über vergleichsweise kostengünstige Antriebsalternativen verfügt. Dieser Kraftstoff ist auch in den o.g. Dual-Mode Bahnfahrzeugen problemlos einsetzbar.
Wenn Bautzen und Hoyerswerda sich weiter verbünden, ob es dann auch zum Wiederaufbau der Bahnstrecke zwischen beiden Städten kommt? Bautzen hatte sich vor Jahren dazu bekannt.