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Sieben Premieren und eine missachtete Neutralitätspflicht am Theater

Sieben Premieren und eine missachtete Neutralitätspflicht am Theater

Die Görlitzer Bühne des Gerhart-Hauptmann-Theaters steht im Gegensatz zu Zittau stärker im Zeichen der Musik und ist damit etwas weniger anfällig für gesellschaftspolitische Bekundungen – wenn auch nicht frei davon. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Görlitz/Zittau. Das Gerhart-Hauptmann-Theater hatte zuletzt weniger künstlerisch, als vielmehr politisch für Schlagzeilen gesorgt. Der Fall Sawade überschattet dieser Tage die Vorstellung des neuen Programms für die kommende Spielsaison vom 16. Juli.

Landrat Bernd Lange hatte in der letzten Aufsichtsratssitzung des Gerhart-Hauptmann-Theaters die Geschäftsführung des Theaters um die Erarbeitung eines Verhaltenskodexes für öffentliche Auftritte des Theaters als Institution bei politischen Veranstaltungen ersucht. Hintergrund dafür ist der fragwürdige Umgang des Theater-Geschäftsführers Caspar Sawade mit dem staatlichen Neutralitätsgebot.

Am 14. Juni fand an der B96 unter dem Motto „Paradiesvögel statt Reichsadler“ eine Protestaktion statt, bei der auch ein Fahrzeug des Gerhart-Hauptmann-Theaters mit klar erkennbarer Beschriftung im Konvoi zum Einsatz kam. In diesem waren auch zahlreiche linksradikale Antifasymbole zu sehen. Auf Nachfrage der AfD hatte Sawade am 23. Juni bestätigt, dass die Fahrzeugteilnahme durch ihn persönlich im Vorfeld genehmigt worden sei. Der Protest sei gegen die Teilnehmer des „stillen Protests“ an der B96 gerichtet gewesen, die er dem rechtsradikalen Spektrum zurechne, ohne jedoch das Spektrum des präferierten Gegen-protestes zu problematisieren.

Sieben Premieren 2020/21

Bei der Vorstellung der neuen Spielzeit 2020/21 versprach Generalintendant Klaus Arauner dem Publikum eine Spielzeit im Musiktheater mit sieben Premieren und zwei Wiederaufnahmen. Als fulminanter Auftakt erwartet die Zuschauer im Oktober 2020 die romantische Operette „Das Land des Lächelns“. Die Wiener Grafentochter Lisa verliebt sich in den chinesischen Prinzen Sou-Soung und folgt ihm in seine Heimat. Dort wird ihre Beziehung durch die unterschiedlichen kulturellen Lebenswelten jedoch auf eine harte Probe gestellt. Weiter geht es mit „Diven sterben einsam (…und erst wenn sie gut ausgeleuchtet sind)“. Der Soloabend von Sängerin Yvonne Reich lässt das Publikum humorvoll und auch bissig in den Theateralltag eintauchen. Die Opern „Don Giovanni“ und „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ kamen durch die pandemiebedingte Theaterschließung in der Spielzeit 2019/20 nicht zur Aufführung und stehen deshalb in der neuen Spielzeit auf dem Spielplan um vollendet zu werden. Zum Sommertheater dürfen die Zuschauer sich auf das Erfolgsmusical „Evita“ freuen, auch das Stück über das Leben der argentinischen Präsidentengattin Eva Perón kam im Sommer 2020 nicht zur Aufführung und ist nun im kommenden Jahr auf der Bühne im Stadthallengarten zu sehen.

Neben dem neuen Spielplan thematisierte Klaus Arauner außerdem die coronabedingten Änderungen im Theaterbetrieb. So muss beispielsweise bei Proben und Vorstellungen auf einen Mindestabstand zwischen den Akteuren geachtet werden, das Orchester wird in kleinerer Form auftreten und im 1. Rang des Zuschauerraumes platziert sein. Der Chor wird teilweise auf der Bühne und teilweise im 2. Rang agieren. Zudem wird der Zuschauerraum im Görlitzer sowie im Zittauer Haus umgebaut, um trotz behördlich begrenzter Zuschauerzahlen eine angenehme Atmosphäre zu schaffen.

Pandemieverlauf im Blick

Die Tanzdirektion kann Politik hinggegen nicht lassen. „Das Zukunftsplädoyer Egoversum setzt sich mit unserer Wahrnehmung der heutigen jungen Generation auseinander. Sind sie wirklich alle nur auf ihr Handy und die sozialen Medien fixiert? Was ist mit Initiativen wie Fridays for Future?“, heißt es in einer Pressemitteilung über eine der drei Premieren.

Wie die Generalmusikdirektorin Ewa Strusinska für die Neue Lausitzer Philharmonie mitteilte, wird die Spielzeit 2020/21 unter dem Titel „Willkommen zurück!“ mit Sinfonien von Mozart und Schubert beginnen. Coronabedingt finden die Philharmonischen Konzerte zu Beginn der neuen Spielzeit noch in kleinerer Besetzung statt. Im Laufe des Theaterjahres hofft das Orchester jedoch, zu gewohnter Größe und damit auch größeren Meisterwerken zurückkehren zu können. Im 2. Philharmonischen Konzert „Aus der Seele“ wird im letzten Konzert des Beethoven-Jubiläumsjahres der Meister mit seiner 2. Sinfonie geehrt und gleichzeitig dem kürzlich verstorbenen zeitgenössischen Komponisten Krzysztof Penderecki gedacht. Die Jungen Konzerte der Reihe „Hexenritt und Drachentöne“, die von der Nähe zwischen Akteuren, den Kindern und deren Begleitern leben, können in den ersten Monaten aufgrund der Abstandsregeln nicht stattfinden.

Till Scholtz-Knobloch / 26.07.2020

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Kommentare zum Artikel "Sieben Premieren und eine missachtete Neutralitätspflicht am Theater"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Marcus Thomas schrieb am

    Das darf man auch anders sehen, als die beiden Theater „Mitarbeiter“.

    Das Theater übt pausenlos Kritik an der Gesellschaft. Sobald aber die Gesellschaft Kritik am Theater übt, spielt es, oder deren Vertreter die beleidigte Leberwurst.

    Ich findet es richtig, dass das Theater Kritik übt. Aber das Theater darf keinen radikalen und gewaltorientierten Krawallbrüdern Unterstützung gewähren. Keinen rechten aber auch keinen linken. Nur so bleibt es glaubhaft und in der Mitte der Gesellschaft. Andernfalls macht es sich überflüssig.

    Marcus

  2. Caspar Sawade schrieb am

    Ich muss richtigstellen,

    - dass Landrat Bernd Lange zu keinem Zeitpunkt die Erarbeitung eines "Kodex" gefordert oder angeregt hat.
    - ich nicht gegen, ein Neutralitätsgebot verstoßen habe, weil dieses für unser Theater schlicht nicht gilt. Die AFD musste dies wissen, so Sie sich auch nur ansatzweise im öffentlichen Recht auskennt.

    Mein Fazit zu Ihrem Bericht, leider nicht gründlich recherchiert.

  3. Lutz Hillmann schrieb am

    Die sogenannte "Neutralitätspflicht" ist für staatliche Stellen und Ämter in Reaktion auf den Nationalsozialismus eingeführt worden.
    Für die Leitung eines Theaters wird von den zuständigen Gremien eine Persönlichkeit ausgewählt, die dann mit ihren Einstellungen und Ansichten von Kunst, Ästhetik, Philosophie und Politik das Haus auf befristete Zeit zu leiten hat. Diese Persönlichkeit und auch das Theater genießen die verfassungsmäßig zugesicherte Kunstfreiheit. Eine "Neutralitätspflicht" würde dem entgegenstehen und kommt also nicht zur Anwendung. Die beantragende Fraktion und auch der Landrat unterliegen bei der Forderung nach einen "Verhaltenskodex" also einem Missverständnis.
    Ebenso fragwürdig ist das Erstaunen des Journalisten über politische Ansätze und Konzeptionen beim Tanztheater. Kunst und besonders Theater ist nie unpolitisch, darf es auch gar nicht sein!
    Lutz Hillmann (Vorsitzender des Landesverbands im Deutschen Bühnenverein)

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