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Temposünder im Corona-Glück

Temposünder im Corona-Glück

Immer wieder ist zu beobachten, dass sich Autofahrer mit Tempolimits schwer tun. Die Polizei reagiert darauf mit Geschwindigkeitskontrollen. Inzwischen werden Verstöße auch härter bestraft. Foto: Symbolbild

In Zeiten, in denen ein kleines Virus die gesamte Welt in Atem hält, geschehen mitunter auch Wunder. Ein solches erleben momentan zahlreiche Autofahrer, die im Frühjahr auf der A 4 in die Blitzerfalle tappten. Zumindest dürfte es ihnen wie eines vorkommen.

Region. Kommt sie oder kommt sie nicht? Vor diese Frage sehen sich auch zahlreiche Autofahrer gestellt, die während des virusbedingten Lockdowns auf der Autobahn A 4 geblitzt wurden. Dabei handelt es sich um Post von der Zentralen Bußgeldbehörde, die bei der Landesdirektion Sachsen (LDS) angesiedelt ist.

Die wiederum gab auf Anfrage unserer Zeitung nun eine Antwort: Die Temposünden jener Autofahrer werden nicht weiter verfolgt. Betroffen seien mehrere Messreihen im Einzugsbereich der Polizeidirektion (PD) Görlitz in den Monaten März und April. Genauere Angaben zu den jeweiligen Tagen und Orten, an denen die stationären Geschwindigkeitskontrollen stattfanden, machte Behördensprecherin Mandy Peschang nicht. Jedoch ließ sie wissen: „Sechs Messreihen der PD Görlitz konnten aufgrund der Pandemielage und des damit einhergehenden eingeschränkten Betriebs bei der LDS nicht bearbeitet werden. Aufgrund der langjährigen Erfahrung der LDS in diesem Bereich kann geschätzt werden, dass aus diesen sechs Messreihen knapp 600 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet worden wären. Diese Verfahrenszahl den tatsächlich eingeleiteten Verfahren hinzugefügt, zeigt, dass die Zahl der Verfahren im betrachteten Zeitraum 1. Januar bis 30. April 2020 deutlich unter der von 2019 liegt.“ Zum Vergleich: Im Vorjahreszeitraum wurden zwischen Görlitz und Hermsdorf 2.455 Tempoverstöße geahndet. Hinzukamen 243 Abstandsunterschreitungen. Wiederum 2020 wurden bislang keine in der LDS-Statistik aufgeführt.

Das hat auch einen guten Grund, wie Anja Leuschner, Sprecherin der PD Görlitz, weiß: „Eine stationäre Abstandskontrolle in unserem Zuständigkeitsbereich gibt es auf der A 4 momentan nicht. Der Hersteller führt derzeit ein Versions-Update der Abstandsmessanlage durch. Danach wird auch diese auf der Autobahn eingesetzt. Mobil ist die Polizeidirektion Görlitz bislang und auch weiterhin regelmäßig mit einem zivilen Videofahrzeug, zivilen Reisebussen und auch mit Unterstützung der Polizeihubschrauberstaffel unterwegs, um Abstandsverstöße festzustellen und zu ahnden.“

Zurück zu den Geschwindigkeitskontrollen während der Corona-Krise. Insgesamt postierte sich die Polizei eigenen Angaben zufolge von März bis Mai 30 Mal mit ihren Tempomessgeräten an verschiedenen Standorten entlang der Schnellstraße. Und mit noch einer Zahl kann sie aufwarten: Von März bis Mai 2020 legten sich die Beamten insgesamt 121 Stunden lang auf die Lauer nach Autofahrern, die es mit der Straßenverkehrsordnung (StVO) nicht ganz so ernst meinen. 2019 seien es 128 Messstunden gewesen. „Das bedeutet, dass im vergangenen Jahr sogar sieben Stunden mehr geblitzt wurde. Eine Verstärkung der Tempokontrollen fand demnach in 2020 nicht statt“, betonte die Sprecherin.

Dies ist durchaus bedauerlich, findet auch Verkehrsjurist Dieter Müller. „Beim Befahren der A 4 gelten die Regelungen des Verkehrsrechts, speziell die Verhaltensregeln der StVO und des Strafgesetzbuches. Gleichwohl sind zahlreiche Verkehrsverstöße, unter anderem auch gegen das Lkw-Überholverbot, zu beobachten und werden zu großen Teilen nicht beachtet.“ Letztendlich sei Verkehrsüberwachung vor allem eine Frage des effektiven Personaleinsatzes. „Ich persönlich hoffe darauf, dass ein großer Teil der zukünftigen Polizeibeamten in dem Bereich eingesetzt wird.“

Dann kehrt auch auf der viel befahrenen Autobahn eventuell schon bald wieder mehr Rücksicht und Ordnung ein. Momentan kann davon nur bedingt die Rede sein, wenn man sich allein die eigenen Erlebnisse vor Augen führt. Am Burkauer Berg oder in der Baustelle zwischen Salzenforst und Bautzen-West sind tagtäglich Autofahrer zu beobachten, die, vorsichtig ausgedrückt, die dort geltenden Tempolimits recht großzügig für sich auslegen. Auf dem Autobahnabschnitt Pulsnitz – Dreieck Dresden-Nord setzen Brummifahrer zum Überholen an, obwohl das tagsüber nicht gestattet ist. Die zivilen Fahrzeuge der Polizei sind zwar auf Achse und am Straßenrand präsent. Mitunter lässt sich allerdings die Konsequenz vermissen, die vor dem genannten Hintergrund angebracht wäre. „Geschwindigkeitskontrollen werden vorrangig mit dem Ziel der Reduzierung von Verkehrsunfällen durchgeführt“, erläuterte Anja Leuschner. „In der Regel finden diese seitens der Verkehrspolizeiinspektion ohne Anhaltung der entsprechenden Fahrzeuge statt.“ Bedeutet das im Umkehrschluss: Wenn es mal längere Zeit nicht auf der Autobahn scheppert, muss dann auch nicht mit Tempokontrollen im größeren Umfang gerechnet werden?

Fakt ist: Nach einer mehrtägigen Blitzaktion entlang der Schnellstraße in der zweiten Juniwoche, bei der Hunderte Tempoverstöße registriert wurden, haben sich die Messteams bereits wieder vom Straßenrand zurückgezogen. Laut den täglich veröffentlichten Medieninformationen der PD Görlitz waren die Beamten mit Stand Mittwoch dieser Woche zuletzt am 15. Juni in der Baustelle zwischen Bautzen-West und Salzenforst in Fahrtrichtung Dresden auszumachen. Anja Leuschner mit einer Erklärung: „Die Überwachungstechnik, die auf der Autobahn zum Einsatz kommt, wird im gesamten Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion eingesetzt. Hierzu erfolgen Abstimmungen mit den Landratsämtern und Kommunen und auch den Polizeirevieren. Eine Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen auf einer Straße hätte somit stets eine Abwägung von Prioritäten im Vorfeld zu durchlaufen.“

Dabei stoßen die Tempokontrollen auf der A 4 durchaus auf Zustimmung, wie Lesermeinungen verdeutlichen. „Richtig so! Hätte schon viel eher passieren sollen“ oder „Wer nicht hören will, der muss fühlen“, heißt es da unter anderem. Eines steht indes fest: Die Autofahrer, die im Juni zu flott unterwegs waren und sich dabei erwischen ließen, kommen nicht mit einem blauen Auge davon. Die bei der Landesdirektion ansässige Bußgeldstelle befindet sich inzwischen wieder im Regelbetrieb.
 

Roland Kaiser / 27.06.2020

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