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Teurer Kita-Bau nimmt Betrieb auf

Teurer Kita-Bau nimmt Betrieb auf

Aus Sicht der benötigten Kapazitäten ist der Kita-Bau dringend notwendig gewesen. Darin sind sich Stadtrat und Verwaltung einig. Nur die Höhe der Kosten stößt so manchem Bürgervertreter nach wie vor bitter auf. Foto: Stadt BZ

Die Pädagoginnen um Nicole Laube wollen es sich zur Aufgabe machen, dem natürlichen Bewegungsdrang ihrer Schützlinge nachzukommen. Zunehmende fehlende Bewegungs- und Sporterfahrungen der Kinder sollen kompensiert werden. In der neuen Kita am Schützenplatz wird sich das nach Ansicht der Stadtverwaltung bestens umsetzen lassen. Das Areal ist jetzt in Betrieb gegangen. Jedoch unter weniger guten Vorzeichen.

Bautzen. Einen solchen Start hat sich wahrlich niemand für die neue Kindertagesstätte am Bautzener Schützenplatz gewünscht. Wenige Stunden nach ihrer Eröffnung musste sie auch schon wieder ihre Türen für einen Teil der dort betreuten Mädchen und Jungen schließen. Der Grund: eine Corona-Infektion, wie die Stadtverwaltung am Dienstag mitteilte. Deshalb bleibe die Einrichtung vorerst bis einschließlich 15. März für die betroffenen Kinder und Erzieher zu. Ihnen habe das Gesundheitsamt häusliche Isolation verordnet. Die Eltern seien entsprechend informiert worden.

Damit gerät das Haus einmal mehr in die Schlagzeilen. Denn schon vor seiner Einweihung stand es im Licht der Öffentlichkeit. Der Grund: die gestiegenen Baukosten. „Gleichwohl sollten wir daraus eine ganz wichtige Lehre ziehen“, sagte FDP-Stadtrat Mike Hauschild auch in Hinblick auf noch bevorstehende Baumaßnahmen. „Die Stadträte sollten dann umfassend informiert und noch vor teuren Planungsänderungen entscheidend einbezogen werden. Ich erinnere daran, dass die Verwaltung bei der Kita den Stadträten, erst nachdem viele Mehrkosten bereits entstanden waren, einen Beschluss über zusätzliche anderthalb Millionen Euro Mehrkosten vorgelegt hatte. Die Verantwortung für die Kostensteigerungen sieht die Verwaltung hingegen nicht bei sich. Da hätten wir uns nach den langen Debatten im Stadtrat etwas mehr Selbstkritik gewünscht.“

Bürgervertreter Dirk Lübke pocht auf eine „sachliche Prüfung“: „Welche Konsequenzen zu ziehen sind, kann erst ein solcher Prüfprozess aufzeigen. Erst dann sollten wir über eventuell nötige Konsequenzen nachdenken.“ Und weiter: „Dass der Bau um fast zwei Millionen Euro teurer wurde als ursprünglich vorgesehen, lässt mich nach wie vor erhebliche Bauplanungs- und Umsetzungsdefizite vermuten. Ein großer Fehler scheint die Beauftragung eines Planungsbüros gewesen zu sein, das zuvor noch niemals eine Kita gebaut hat. So soll es denn auch zu mehreren Baufehlern und -mängeln gekommen sein, die ein erfahrenes Team niemals gemacht hätte.“ Unterm Strich aber freut sich Dirk Lübke eigenen Angaben zufolge darüber, dass die Kita zu Wochenbeginn ihren Betrieb aufnehmen konnte.

Ähnlich äußerte sich die AfD-Stadtratsfraktion. „Einen Fakt kann man schon jetzt formulieren: Es war unklug und sogar falsch, ein Architektenbüro mit der Planung zu beauftragen, das noch keine Kita geplant hat, die auch gebaut wurde. Die fehlende Qualifizierung und Erfahrung war und ist auf unserer Kita-Baustelle sichtbar und führt auch zu entsprechenden Kostensteigerungen“, meinte deren Vorsitzender Sieghard Albert. Aufgrund der Entwicklungen rund um den Bau sei im Januar 2020, auch durch Initiative seiner Fraktion, innerhalb des Stadtrates eine „Arbeitsgruppe Kita Schützenplatz“ gebildet worden. Sie habe die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit dem Bauamt die einzelnen Stufen des Ausschreibungs-, Planungs- und Bauablaufes zu analysieren und zu bewerten. „Daraus sollen Konsequenzen und Maßnahmen abgeleitet werden, um vor allem bei künftigen Baumaßnahmen solche Kostenentwicklungen zu vermeiden beziehungsweise geordneter und zeitnaher gemeinsam zu bewältigen.“ Zur Erinnerung: Die Kostenschätzung des Wettbewerbssiegers, der letztendlich den Auftrag für die Konzeptionierung der Betreuungseinrichtung bekam, habe ursprünglich bei 4,95 Millionen Euro gelegen.

„Der Stadtrat muss rechtzeitiger genauer hinschauen, Fachleute intensiver durchleuchten und dann ab einen gewissen Punkt eine Entscheidung für oder dagegen fällen“, betonte hingegen der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, Roland Fleischer. „Wir Sozialdemokraten wollen und wollten den Kita-Bau. Er ist ein Meilenstein, eine langfristige Zukunftsinvestition für die Eltern, die Kinder und ein klares Signal für zuzugswillige Familien – das Zeichen einer prosperierenden Stadt.“ Angesichts der Mehraufwendungen erklärte er: „Die Konsequenz wäre gewesen, den Bau zu stoppen. Das stand trotz aller Nachfragen allerdings nie ernsthaft zur Diskussion. Es ist ein Gemeinschaftswerk der Stadt, der Stadträte, der Fördermittelgeber und des Landkreises.“

Für Tobias Schilling von der CDU ist genug über mögliche Fehler in der Vergangenheit gesprochen worden. „Der Blick zurück ist wichtig, um künftig Überraschungen bei kostenintensiven Investitionen zu vermeiden. Dem Landkreis sind wir sehr dankbar, dass er mit Fördermitteln die finanziellen Lasten geschmälert hat. Wir gehen davon aus, dass künftig noch mehr auf eine genaue Kalkulation der Kosten, regionale Unternehmen und deren Erfahrungswerte für die jeweiligen Projekte gesetzt werden muss. Einen Rücktritt der Baubürgermeisterin, wie ihn andere Fraktionen fordern, sehen wir nicht. Wichtig ist, dass das Haus jetzt eröffnet.“

Der Bau der Kita „Purzelbaum“ ist ein wichtiges Hochbauprojekt der Kommune, betonte indes der kommissarische Stadtsprecher Markus Gießler. Doch schon ein Jahr nach dem ersten Spatenstich sei klargeworden, dass sich der ursprüngliche Finanzierungsplan problematisch gestaltet. „Nach einer Erhebung des Baukosteninformationszentrums Deutscher Architektenkammern (BKI) stiegen die Baupreise im Osten Deutschlands allein 2018 zum Vorjahr um 6,9 Prozent. Kostensteigerungen waren aber auch im Rahmen der detaillierteren Ausführungsplanung, Auflagen aus der Baugenehmigung und Stellungnahmen verschiedener Ämter entstanden, die nachträgliche Anpassungen in der Planung und daraus resultierende Mehrkosten notwendig machten“, begründete er die Problematik der gestiegenen Ausgaben. „In der Praxis ergaben die entsprechend der öffentlich-rechtlichen Vergaberegularien durchgeführten Ausschreibungen wenige Angebote, die zudem häufig über den Schätzungen lagen. Fünfeinhalb Millionen Euro hatte die Stadt ursprünglich veranschlagt. In der Realität waren diese Zahlen leider nicht haltbar.“ Am Tag der Eröffnung standen Gesamtkosten in Höhe von rund sieben Millionen Euro zu Buche.

Innerhalb von 30 Monaten wuchsen am Schützenplatz zwei zueinander versetzte und jeweils zweigeschossige moderne Baukörper in die Höhe, die durch einen eingeschossigen Eingangsbereich verbunden sind. Es entstanden insgesamt 36 Krippen-, 135 Kindergarten- und 15 Hortplätze. Ein Leitmotiv im Entwurf sei die Vielfältigkeit der Aufenthaltsbereiche und damit ein breites Angebot an Räumen gewesen, in denen unterschiedliche Betreuungsformate stattfinden können, wie aus einer von der Rathausmannschaft versandten Medieninformation hervorgeht. Gruppenräume seien dank großer Flügeltüren flexibel, Flure würden zu großzügigen Spielbereichen und auch Rückzugsräume für die Kleinen seien vorhanden. Zudem sei der Komplex „konsequent“ barrierefrei. Eine gute Raumakustik komme nicht nur Kindern mit Hörbeeinträchtigungen zugute, sondern erleichtere allen Nutzern der Einrichtung die Kommunikation. Die Räume seien von Licht durchflutet. Sowohl innen als auch außen seien weitestgehend natürliche Materialien verbaut worden. Zudem könnten die Kleinen in einem Mehrzweckraum regelmäßig Sport treiben. Der Spielbereich in den Obergeschossen sei über holzverkleidete Balkone und eine gemeinsame Dachterrasse mit einer großzügigen Treppe erreichbar.

Um die Grundpfeiler des selbstverordneten pädagogischen Konzeptes – also Bewegung, Entspannung und Ernährung – umsetzen zu können, bedarf es auch entsprechender Möglichkeiten. „Durch Bewegung kann sich das Gehirn entwickeln, Synapsen verknüpfen sich und der Lernprozess wird überhaupt erst möglich“, meinte in dem Zusammenhang Markus Gießler. „In der Bewegung lernt das Kind seine eigenen Grenzen kennen und diese zu überwinden – ein wesentlicher Aspekt für die Persönlichkeitsentwicklung.“

Aufgrund des eingeschränkten Regelbetriebes und der anhaltenden Corona-Pandemie fand die Betriebsübergabe der Kindertageseinrichtung „Purzelbaum“ nur in einem kleinen Rahmen statt. Oberbürgermeister Alexander Ahrens, Finanz- und Sozialbürgermeister Robert Böhmer sowie Baubürgermeisterin Juliane Naumann überreichten den symbolischen Schlüssel an das Personal der Einrichtung. Einen „Tag der offenen Tür“ werde es vermutlich erst im Juni geben. „Dann können sich alle Interessenten, alle politischen Entscheider, alle Baugewerke und die Geldgeber ein Bild von der neuen Kindertagesstätte machen“, ließ Markus Gießler wissen.

Roland Kaiser / 06.03.2021

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