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Über die Musik zu Henryk Wanieks Böhmesicht

Über die Musik zu Henryk Wanieks Böhmesicht

Dieses Bild Henryk Wanieks hängt im Schlesischen Museum – allerdings nicht in Görlitz sondern in Kattowitz. Foto: Klaudia Kandzia

Görlitz. Am Freitag, 29. November, 19.30 Uhr, findet das zweite Schatzkammerkonzert „Traditio et Innovatio“ – Musik für Oboe und Streichtrio mit Musik von Benjamin Britten, Ludwig van Beethoven, Mieczyslaw Weinberg und Mozart im Schlesischen Museum, Eingang Brüderstraße 8, statt.

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Henryk Waniek bei einer Studienreise. Foto: Johannes Golaswski

In Ergänzung des Konzerts nimmt Museumsmitarbeiterin Dr. Martina Pietsch vor Ende des 400. Todesjahres von Jacob Böhme noch einen Bezug zum Mystiker. Sie stellt das Gemälde „Nun fahre ich hin ins Paradies“ von Henryk Waniek, geb. 1942 in Auschwitz (Oswiecim) vor. Mit dem Ölbild bezieht sich der oberschlesische Künstler auf Jacob Böhme, dem die aktuelle Sonderausstellung des Museums gewidmet ist. In dem polnischen Dokumentarfilm „Kunst des Irren“ (Sztuka bladzenia, 1998) über das Leben und Schaffen von Henryk Waniek, beginnt Waniek mit einer Erinnerung des in seiner Kindheit sprachlich noch deutsch und polnisch gespaltenen Kattowitz: „…Meine Kindheit ist mit dem Duft von frischem Brot verbunden. Jedes Mal, als ich in unsere Wohnung im vierten Stock, die Treppe bestieg, begleitete mich der Duft frischen Brotes. Der Bäckermeister, Herr Krakowsky, mit Ypsilon am Ende, ein Mensch, der nie Polnisch gelernt hatte, außer dziekuje und dzien dobre. Dieser Mensch rettete meine Familie vor dem Hunger in Kattowitz. Meine Großeltern verdanken das Überleben der Kriegsjahre diesem Deutschen. Weil sie die Volksliste nicht unterschrieben, durften sie nicht arbeiten und ohne Arbeit gab es keine Lebensmittelkarten. Nach dem Einmarsch der Sowjets wurde Krakowsky als Deutscher verhaftet, doch mein Großvater tat alles, und er wurde freigelassen…“. Alle Romane und Essays von Waniek sind mit der schlesischen Thematik verbunden und der Autor beschwört sogar immer wieder, dass seine Geburtsstadt Auschwitz, die Schlesien bereits 1457 verlorenging und dauerhaft an Kleinpolen fiel, nie ihre eigentliche schlesische Wurzel verloren habe und dazugehöre.

Bei einem Seminar in Ratibor (Raciborz) 2011 erwähnte er eine Erinnerung aus seiner Kindheit. Bei einem Besuch in Beuthen (Bytom) nahm ihn sein Onkel, der Hausmeister im Landsratsamt war, mit aufs Amt. Im Keller sah er vor den Heizöfen große Stapel deutscher Bücher, die hier verbrannt wurden. Als er fragte, warum die Bücher verbrannt würden, erhielt er die Antwort, das seien doch deutsche Bücher. Ein Büchlein „Die Streiche von Max und Moriz“ von Wilhelm Busch nahm er mit. Dieses Büchlein begleitete ihn über Jahre und gab ihm die Anregung, die deutsche Sprache zu erlernen.

Nach der Volksschule und dem Kunstlyzeum in Kattowitz begann er 1964 das Studium der Graphik an der Kunstakademie Krakau. Seit 1967 schloss er sich den magisch-fantastisch orientierten Malern um Barbara und Henryk Ziembicki an. Eine Künstlergruppe von „Geistlichen Einsichten“, die zur Magie, Alchemie, Religion und Philosophie des Fernen Ostens neigte. In den 60er- und 70er-Jahren gab es oft Treffen im Heuscheuergebirge, man drehte Filme und gab eine Zeitschrift mit Arbeiten der Künstlergruppe heraus. 1970 beendete er das Studium der plastischen Kunst bei Prof. Grabowski und das der Kunstgraphik bei Prof. Pietsch. Martina Pietsch bekundet auf Nachfrage, dass sie keinen familiären Bogen zu Prof. Pietsch in ihrer etwa 15-minütigen Bildvorstellung schlagen könne. Diese werde sich auch am Bild selbst orientieren und nicht das Leben Wanieks beleuchten.

Als Surrealist stellt dieser seine Visionen in Ölbilden, Zeichnungen, Grafiken, Plakaten, aber auch in Szenenbildung von Theaterstücken vor. Henryk Waniek ist auch ein Kenner der Geschichte, Philosophie, der Weltreligionen und der mystischen Literatur, was wiederum den Bogen zu Jacob Böhme schlägt. Bei einem Seminar vor cirka 200 Schülern eines polnischen Lyzeums sagte er einmal ganz persönlich und politisch völlig unkorrekt in Wehmut: „Ich bin kein Politiker. Darum kann ich Euch die Wahrheit sagen: Das größte Verbrechen des 20. Jahrhunderts ist die Vertreibung der Deutschen und der Juden aus ihrer schlesischen Heimat, in der sie über Jahrhunderte gelebt und eine weltbekannte Kultur geschaffen haben.“ Dieser Satz wurde auch in der polnischen Presse zitiert. Der Eintritt zum Konzert mit der Bildpräsentation kostet 18 Euro, ermäßigt 12 Euro. Reservierung und Vorverkauf wird ausschließlich über die Theaterkasse Görlitz unter der Telefonnummer (03581) 47 47 47; E-Mail: service@g-h-t.de abgewickelt.

Johannes Golawski, Till Scholtz-Knobloch / 25.11.2024

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Kommentare zum Artikel "Über die Musik zu Henryk Wanieks Böhmesicht"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Fritz schrieb am

    Danke für die Wahrheit...

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