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ViaThea-Motto Rübezahl dank einer Mongolin

ViaThea-Motto Rübezahl dank einer Mongolin

Christiane Hoffmann, Leiterin des Via-Thea-Festivals an der Litfaßsäule mit der Festivalwerbung vor dem Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Beim seit Donnerstag stattfindenden Straßentheaterfestival Via Thea übernimmt Rübezahl, der Herr der Berge, dieses Jahr bis zum 8. Juli das Zepter. Das bremst aber nicht die Vielseitigkeit der Künstler, die wieder von Christiane Hoffmann koordiniert werden.

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Das Via Thea lockt die Görlitzer nun bereits seit 28 Jahren zum Kulturgenuss ins Freie. Foto: Matthias Wehnert

Görlitz. Aktion, Schrilles, Gaukler und Schausteller haben die Görlitzer seit 1995 in der Stadt liebgewonnen, wobei die Idee ursprünglich aus Hirschberg im Riesengebirge (Jelenia Góra) abgeschaut wurde – dort feierte das Vorbild 1982 seine Geburtsstunde. Eine Zusammenarbeit mit dem Regionalen Kulturzentrum Hirschberg bestand bereits „und es gab eine polnische Theaterpädagogin, die damals in Görlitz arbeitete. Mein damaliger Kulturamtsleiter, Stefan Waldau, kannte sie und sagte, ‚Straßentheater, ja das machen wir‘“, erinnert sich Christiane Hoffmann, die Leiterin des Festivals.

Für sie als Görlitzerin sei es wichtig, dass im 25. Jubiläumsjahr der Proklamation der Europastadt das Verbindende hervorgehoben werden sollte. „Wir arbeiten von Anfang an, Deutsche und Polen zusammen, und wir wollen dieses Jahr das Schlesische in den Fokus rücken“, sagt sie und erklärt, dass ein Straßentheater barrierefrei sei und alle Zielgruppen vereine. Auf diese Weise könne man anregen, sich Gedanken zu machen, „was Schlesien heute für uns bedeutet“.

Christiane Hoffmann lacht, wenn sie erzählt, dass in der Ideensammelphase, was denn nun typisch schlesisch sei und womit man die Leute packen könne: „ausgerechnet eine mongolische Studentin sagte: Rübezahl!“. Und tatsächlich ist der schlesische Berggeist diesjähriges Motto geworden.

Die Ernüchterung kam dann dennoch, als es sich herausstellte, dass die deutschen Studenten kaum noch etwas über ihn wussten. Aber es half nichts, ihre jungen Leute mussten über Rübezahl lesen, recherchieren, Filme gucken. Für die Berlinerin Lea, die zum Studium nach Görlitz kam und bei der Organisation des Via Theas an Bord ist, hatte zuvor keinen Kontakt zu schlesischen Kultur gehabt. „Ja, und dann hieß es: ‚Wir machen Rübezahl!‘“. 
Besonders der neuste Film „Rübezahls Schatz“ von Stefan Bühling mit Sabin Tambrea in der Titelrolle regte die jungen Geister im Organisationsteam an. „Diese Rübezahl-Figur erinnert mich an Tolkiens Gandalf“, sagt Hoffmann.

Und tatsächlich, berichtet sie, soll es eine Postkarte geben, die Tolkien aus dem Riesengebirge mit Rübezahl besitzen haben sollte. „Deswegen denken wir, dass der Gandalf eigentlich die Weiterentwicklung von Rübezahl ist. Das ist unsere These im Büro, mit der wir zwar nicht hausieren gehen, aber es war schön zu entdecken, wie sich auch das Bild vom Berggeist in der Grafik, in der Zeichnung veränderte“, so die Via-Thea-Leiterin. 

Mit dem aneigneten Wissen sei ein Künstler betraut worden, erläutert Hoffmann: „Thomas Hauck ist ein Schriftsteller, Journalist, Zeichner, Maler und Kinderbuchautor. Er hat die ‚Sammlung‘ zugeschickt bekommen, muss sich in Rübezahl einlesen und wird während des Festivals drei Tage lang Rübezahlgeschichten sammeln“, verspricht Hoffmann und erklärt, der Künstler brauche lediglich einen Tisch, ein Stoß Papier, Stifte, Malutensilien und schon erdichtet er Neues von Rübezahl. Er schreibt an allen drei Tagen mit Kindern eine Fortsetzungsgeschichte über den „Herrn der Berge“.

Auch das Schlesische Museum zu Görlitz ist dabei und nimmt Kinder zwischen fünf und zehn Jahren auf eine Reise in die Welt des launischen Berggeistes mit. Dort erfahren die Kleinen, wo der Herr der Berge herkommt, was er so in seinem Reich treibt und warum man ihn lieber nicht grundlos rufen sollte. Für Erwachsene gibt es seitens des Museums Rübezahl-Führungen. Im Dom Kultury in der ulica Parkowa 1 wird  während des Via Theas eine Ausstellung mit Kinderzeichnungen zum Thema Rübezahl präsentiert. Darüber freut sich Christiane Hoffmann besonders, denn das Thema Schlesien war für sie seit der Kindheit präsent. „Meine Vorfahren kommen aus einem schlesischen Dorf hinter Breslau. Dort sind wir regelmäßig hingefahren und haben dort den Pfarrer besucht und waren auf dem Friedhof. Meine geliebte Tante hatte ihre Erinnerungen an Schlesien – auch die Flucht nach Herrnhut – aufgeschrieben und ich durfte sie lesen. Daher weiß ich viel. Die schlesische Geschichte hat sich für mich so durchgezogen. Deshalb war ich immer bemüht mehr zu erfahren und es begleitet mich. Es ist ja irgendwo meine Geschichte, es ist eine Herzenssache“.

In diesem Jahr beleben 20 internationale Gruppen aus 17 Ländern mit 111 Auftritten das Stadtbild zu beiden Seien der Neiße. Neben deutschen und polnischen Künstlern sind Gruppen aus Frankreich, den Niederlanden, den USA, Finnland, der Schweiz, Burundi, Portugal, Argentinien, Spanien, Italien, Österreich, der Ukraine, Brasilien, Australien und Chile vertreten. 
Dabei kommt es zu einem Wiedersehen mit alten Via-Thea-Hasen wie der Gruppe Pinezka aus Polen und der Ukraine oder der internationalen Theaterformation Grotest Maru. Letztere ist bereits zum achten Mal zum Festival eingeladen und präsentiert in diesem Jahr unter dem Titel Der Schwarm audiovisuelles, mobiles und partizipatives Stelzentheater mit Live-Akustik und mobilen Projektionen.

Auch der Publikumsliebling vom letzten Jahr This Maag ist wieder dabei. Sein Programm ’Das ist der Gipfel’ verspricht Skizirkus mitten im Sommer und verbindet interaktiv alpenländischen Wahnsinn mit Schweizer Humor. 

Die niederländische Gruppe Hirondelles wurde vom Publikum 2019 zum Publikumsliebling gewählt und bietet mit ihrer diesjährigen Show Crêpes de la Betes aufs Neue eine spektakuläre Vorstellung mit Luftakrobatik, Jonglierkunst, Humor und natürlich Crêpes.

Bei der politischen Luftartistik von Omnivolant geht es hoch hinaus. Unter dem Titel Angst verdirbt den Charakter agiert Julia Knaust in acht Metern Höhe kopfüber am Vertikal- und Schwungseil. Eine spannende Darbietung zwischen Himmel und der harten Realität des Bodens. Solche und viele weitere Programmpunkte die staunen lassen finden sich an über einem Dutzend Schauplätzen in der Stadt. Am besten findet man durch das vielfältige Angebot, wenn man 5 Euro gut in das Programm anlegt, dass chronologisch und thematisch durch die Tage führt.
Dieses gibt es in der Bären-Apotheke, der Bierblume, Comenius-Buchhandlung, im Emmerich-Hotel, Fortuna-Apotheke, im Görlitzer Fass, in der Görlitz-Information, im GVB-Kundencenter, dem Haus der Schönheit, Hotel Am Goldenen Strauss, Humboldt-Apotheke, Lebenshofladen, Lindenapotheke, Linda – Robert-Koch-Apotheke, Marktkauf, Naturkost Arche, Obermühle, Paracelsus-Apotheke, Presse- und Buchzentrum Blackburn, Rabryka, Romantikhotel Tuchmacher, Stadtbibliothek, im Städtischen Klinikum, an der Theaterkasse Görlitz und im Miejski Dom Kultury.

Klaudia Kandzia / Till Scholtz-Knobloch / 07.07.2023

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