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Von den Vorwürfen blieb nicht viel

Von den Vorwürfen blieb nicht viel

Christoph Hess (hier 2010 bei einem Besuch des damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich) sieht sich durch den Mannheimer Urteilsspruch rehabilitiert. Foto: Archiv

Es war ein Mammutprozess: Sieben Jahre lang wurde gegen den früher auch in Löbau aktiven Unternehmer Christoph Hess verhandelt. Am Ende stellt sich die Frage: Weshalb?

Löbau/Mannheim. Der Wirtschaftskrimi um die bis 2013 auch in Löbau ansässige Hess AG ist beendet. Das Amtsgericht Mannheim hat den früheren Vorstandsvorsitzenden, Christoph Hess, und den Finanzvorstand Peter Ziegler zu Freiheitsstrafen von neun Monaten bzw. einem Jahr und fünf Monaten, jeweils ausgesetzt auf Bewährung, verurteilt.

Von den zu Beginn des Prozesses erhobenen zahlreichen Vorwürfen blieben letztlich die der unrichtigen Bilanzdarstellung, der Verletzung der Buchführungspflicht, des Kapital- und Kreditbetrugs sowie der Untreue. Allerdings hielt das Gericht den Angeklagten zu Gute, dass sie sich nicht selbst bereichert und unter erheblichem Druck gestanden hätten. Demnach handelten sie nicht in betrügerischer Absicht, sondern lediglich mit „bedingtem Vorsatz“ und zum vermeintlichen Nutzen des Unternehmens.

Das von der Staatsanwaltschaft entworfene Szenario einer groß angelegten Manipulation zulasten der Anleger bestätigte sich im Zuge des Prozesses laut übereinstimmenden Berichten örtlicher Medien, die diesen verfolgt hatten, nicht.

Kurze Rückblende: Vor etwas mehr als 20 Jahren begann vor den Toren von Löbau ein Leuchtturm empor zu wachsen, und das im wahrsten Sinne des Wortes: Drehte es sich doch bei der industriellen Großansiedlung der Hess AG mit Stammsitz in Villingen-Schwenningen um Lichttechnik, die durch modernste Technologien revolutioniert werden sollte. 2010 war die Zahl der Beschäftigten von anfangs 20 auf 120 angewachsen, das Ende der Fahnenstange schien noch lange nicht erreicht. Vorstandsvorsitzender Christoph Hess freute sich über einen bevorstehenden Großauftrag im Wüstenemirat Katar. 20 Jahre später sucht man den Namen Hess im Löbauer Gewerbegebiet vergeblich. Wo einstmals der innovative Leuchtenhersteller residierte, hat jetzt ein polnisches Unternehmen aus der Kunststoffbranche seinen Sitz.

In Baden-Württemberg hingegen steht der Name Hess noch immer für die „perfekte Kombination von Leuchten und Mobiliar“, wie es in der Selbstdarstellung der Hess GmbH Licht + Form, die zur Nordeon Group gehört, heißt. Diese hatte zum 1. Oktober 2013 „alle Anteile, Aktivitäten und Mitarbeiter von Hess“ übernommen, wie in der entsprechenden Börsenmitteilung verlautbart wurde. Christoph Hess und Peter Ziegler waren da schon nicht mehr an Bord, bereits im Januar 2013 hatte sie der Aufsichtsrat gekündigt. Im Zuge des Gerichtsverfahrens sprachen die beiden Ex-Chefs laut „Südkurier“ von einer „feindlichen Übernahme“ und betonten, dass die Insolvenz nicht notwendig gewesen wäre. Die Schuld für das Scheitern der Hess AG habe letztlich nicht bei ihnen gelegen.

In einem Exklusiv-Gespräch, das er dem in Konstanz erscheinenden Blatt gewährte, erklärte Christoph Hess, dass er das milde Urteil als „Rehabilitation meiner Person und meines Rufs“ betrachte und sich freue, nicht mehr als „Betrüger und Verbrecher am öffentlichen Pranger zu stehen“. Gleichwohl räumte er Fehler bei der bilanziellen Darstellung der Gewinne und Verluste ein. Schwere Vorwürfe erhebt Hess gegen den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden sowie den Insolvenzverwalter. Er selbst, so Hess gegenüber dem „Südkurier“, habe durch den jahrelangen Prozess und die öffentlichen Anschuldigungen schwere psychische und gesundheitliche Schäden davongetragen.

Uwe Menschner / 18.07.2021

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