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Von der Schule in Nieskys Coronastation

Von der Schule in Nieskys Coronastation

Der Ernst des Berufslebens führte Sophia Kiock (l.) und Anita Wróblewska im Rahmen ihrer Pflegeausbildung gleich auf die Coronastation des Krankenhauses Emmaus in Niesky. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Am 1. Juni stehen für Sophia Kiock aus Niesky und Anita Wróblewska aus Lodenau die schriftlichen und vom 14. bis 16. Juli die mündlichen Prüfungen in ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin an, dazwischen liegen noch die praktischen Prüfungen im Krankenhaus Emmaus in Niesky. Als sie ihre Ausbildung 2018 antraten, war noch nicht absehbar, dass Corona ihren Einstieg in das Berufsleben bestimmen sollte.

Niesky. Bei Ausbildungsbeginn wusste Sophia Kiock, dass eine gehörige Portion Verantwortung auf sie zukommen würde. Schließlich hatte sie bereits ein Freiwilliges Soziales Jahr im Krankenhaus hinter sich. Dass ihre Ausbildungszeit dann jedoch durch die Pandemie ganz besondere Ansprüche stellen sollte, lag noch außerhalb des damaligen Horizonts. Ausbildungskollegin Anita Wróblewska fasst so auch zusammen: „Wir sind eigentlich Fachfuchs, Reinigungskraft und Seelsorger in einem.“ Und der letztere Aspekt gewann hierbei noch deutlich an Gewicht.

Dabei traf die beiden wie andere Menschen auch erst einmal das Ungewohnte. Aber: „Der Mensch ist eben doch ein Gewohnheitstier“, so Sophia Kiock. „In der ersten Zeit habe ich schon mal den Mundschutz vergessen, heute ist das ein Automatismus“, meint sie.

Dabei ist die Ausbildung an sich gerade im Umbruch begriffen. Sophia und Anita gehören zum vorletzten Ausbildungsjahrgang in Niesky zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Seit 2020 wird zur Pflegefachkraft in einer generalistischen Lehre ausgebildet. „Sie führt die Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zusammen und trennt die Pflege nicht mehr nach Krankenhaus, Pflegeheim, Wohngruppen oder in der ambulanten Pflege“, erläutert Pflegedienstleiterin Susanne Dunger. An der Berufsfach-schule für Pflegeberufe Niesky  seien im ersten Ausbildungsjahrgang neuer Art neben 15 eigenen Auszubildenden auch bereits fünf Externe am Start.
Für Anita und Sophia bedeutete die Pandemie bei ihrer Arbeit im Krankenhaus jedoch, dass neben isolierten Patienten auch schwere Corona-Fälle zu betreuen waren und sind. Zwar sei mit dem Einsetzen der Beatmung über die Coronaleitstelle zunächst meist eine Abgabe des betreffenden Patienten an das Carolus-Krankenhaus in Görlitz erfolgt, aber die einstige Spezialisierung gebe es mittlerweile nicht mehr.

„Ohnehin ist ein Krankheitsverlauf nicht planbar. Ich war in der Notfallaufnahme, wenn der Patient zunächst stabilisiert werden muss. Der letzte Dezember führte mich auf die Isolationsstation – und das bei Personalmangel“, berichtet Anita Wróblewska.

Victor Franke, Pressereferent der das Krankenhaus tragenden evangelisch-lutherischen Diakonissenanstalt Dresden e.V. hört hierbei den Begriff „Jongliermasse“ nicht gerne, aber unstreitig ist, dass dank pandemiebedingter Personalknappheit die Auszubildenden wie sonst kaum an eigenen Aufgaben wachsen können.

Derzeit sei die Station 3 Isolierstation, 18 Covid-Patienten könnten dort versorgt werden, normalerweise befänden sich hier 36 Betten, so Victor Franke über an sich bereits höheren Aufwand beim Dienst an den Corona-Patienten. Und: Für jede Coronastation müsste letztlich auch eine andere Station schließen, was den gesamten Ablauf auch im Zusammenspiel mit anderen Krankenhäusern logistisch so schwierig mache.

Sophia Kiock sieht sich in der schwierigen Zeit jedoch genau am richtigen Platz. „Wir Pflegekräfte wollen von unserem Selbstverständnis alles möglich machen. Angesichts des nicht möglichen Besuchs von Angehörigen sind wir derzeit auch Vermittler z.B. von Whatsapp-Videoanrufen, mit denen Familien wenigstens teilhaben, wenn der unmittelbare Kontakt fehlt“, sagt sie und Anita Wróblewska erinnert daran, dass besonders intensive Erfahrungen seien, wenn man Patienten ans Fenster begleite, hinter dem die Angehörigen Distanz halten müssen.
„Wir hatten sogar schon ein Ehepaar mit ihrem 50-jährigem Sohn bei uns. Alle drei waren mit Covid-19 auf einem Zimmer. Als der Vater beatmungspflichtig wurde, wurde er jedoch verlegt, aber auch diese Familie konnte über Video in Kontakt bleiben“, berichtet Sophia Kiock. Gleichzeitig, so Anita Wróblewska, erlebe sie jedoch auch, dass ein Patient, mit dem man sich am Vortag noch ganz normal ausgetauscht habe, bei Dienstantritt am Folgetag dann schon beatmet werde.

Das Sterben gehöre zwar im Krankenhaus an sich dazu, aber in der Pandemie hätte sie nun erlebt, wie sie in voller Montur am Sterbebett die Hand gehalten hätte. „Das Gehör schwindet bei einem Sterbenden eigentlich als Letztes. Auch deswegen können wir immer wieder vor einer hohen menschlichen Verantwortung stehen“, fügt Sophia Kiock an.

Ihre Wahl für ihre Ausbildung habe sie dennoch nicht bereut. Einzig ihre Haut sei durch die Sicherheitskleidung sehr belastet. „Auch ich würde im Wissen um Corona diese Ausbildung wählen“, sagt Anita Wróblewska, die jungen Menschen zurät ihrem Ausbildungsweg zu folgen. „Unser Beruf ist trotzdem schön. Andere können das auch schaffen“. Anita Wróblewska findet dabei besonderes Lob für ihre Ausbilder. „In dieser Zeit mussten wir viel Prüfungsrelevantes nun ja auch daheim lernen – das war manchmal schon sehr schwierig, aber wir hatten die Telefonnummern der Schulleitung und auch zu ungewöhnlichen Zeiten gab es für unsere Fragen immer ein offenes Ohr.“

Till Scholtz-Knobloch / 02.05.2021

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