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Weltoffen, nicht jedoch bunter

Weltoffen, nicht jedoch bunter

Der Görlitzer Flüsterbogen Foto: Till Scholtz-Knobloch

Kommentar. Der Tag nach der Wahl von Görlitz zeigte in voller Vehemenz, welche Signalwirkung auch nach der Entscheidung der Görlitzer Oberbürgermeisterwahl dieser weiterhin beigemessen wird. Als CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer twitterte: „Octavian Ursu und die @cdusachsen zeigen in #Goerlitz: Die @cdu ist die bürgerliche Kraft gegen die AfD“, schlug ihr ein Empörungsschwall entgegen, die CDU habe nicht verstanden, was hier passiert sei. Der stellvertretende sächsische Regierungschef Martin Dulig (SPD) kommentierte sofort: „Es als CDU-Erfolg darzustellen, zeigt, dass Sie nicht verstanden haben, was hier in Sachsen passiert.“

Nun liegt fast die gesamte Last, die immensen Meinungsverschiedenheiten und vor allem politischen Erwartungszahlungen zu versöhnen auf Octavian Ursu, so viel dieser auch beteuern mag, es gehe darum – man möchte fast sagen „nur“ darum – Görlitz voranzubringen. Dulig hat in einem Recht: Ein Sieg der Union ist das ganz bestimmt nicht gewesen!
Ursu hat das sympathische Wesen, manche Gemüter sicher zur Einhalt gebieten zu können, gleichzeitig muss er daran arbeiten, zu dem zu werden, der auch einmal öffentlich vernehmlich auf den Tisch haut.

Die beste Gelegenheit dazu wäre klarzustellen, dass man 45 Prozent der Görlitzer Wähler nur dann wirklich mitnehmen kann, wenn man die Stadt weltoffen führt, dies jedoch nicht mit „Wir sind bunt“-Beschwörungen und begleitenden Projekten ausgestaltet, die volkserzieherisch angelegt sind. Denn der eigentliche Schubverstärker, wieso die Annahme „Wahlergebnis Ursu + Stimmen Franziska Schubert + Stimmen Jana Lübeck aus dem ersten Wahlgang = anzunehmende klare Mehrheit Ursu“ deutlich scheiterte und auch aus der Mitte breite Bevölkerungsteile Sebastian Wippel gewählt haben, könnte der Offene Brief der „Hollywood“-Schauspieler einer sich immer weiter abnutzenden Empörungsindustrie gewesen sein.

So ist eine Lehre aus der Wahl: Zu viele haben mit einer überzogen synonymen Wortnutzung von weltoffen und bunt in einem Atemzug den Höhenflug von Sebastian Wippel und der AfD überhaupt erst möglich gemacht. Die Mitte ist dort, wo solche Sprachtricks nicht mehr funktionieren. Wenn Octavian Ursu die Courage aufbringt, solche Zusammenhänge trotz entgegengesetzer Erwartungshaltung taktischer Unterstützer künftig deutlich auszusprechen, dann kann er auch abseits von Wirtschaftskompetenz in der Stadtgesellschaft punkten und ein Bürgermeister aller Görlitzer werden.
 

Till Scholtz-Knobloch / 24.06.2019

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Kommentare zum Artikel "Weltoffen, nicht jedoch bunter"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Torsten schrieb am

    Hallo Herr Schultz-Knobloch,
    Hallo AL- Redaktion,

    dank für Ihre Analyse des Wahlergebnisses von Görlitz. Ich glaube aber nicht, dass Ihre langen und verklausulierten Kettensätze dazu beitragen, die komplizierten Zusammenhänge dort verständlich zu machen.

    Man kann komplexe Zusammenhänge auch mit einfachen Sätzen und Formulierungen erläutern. Dazu gehört nur ein wenig Struktur. Überlegen Sie doch nochmal, was Sie uns allen sagen wollten und schreiben den Text nochmal neu. Und bevor Sie ihn veröffentlich einfach mal den netten Kollegen von nebenan querlesen lassen.

    VG Torsten

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