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Wenn man für Arbeit trotz einer Falle brennt

Wenn man für Arbeit trotz einer Falle brennt

Eigentlich könnte es für Winfried Hoferichter mit der Arbeit gleich losgehen. Foto: Scholtz-Knobloch

Winfried Hoferichter sprüht vor Tatendrang. Doch der Malermeister kommt mit Schulden bei der Sächsischen Aufbaubank nach einem gesundheitlichen Schicksalsschlag nicht aus Hartz IV oder Bürgergeld heraus. Wie kann man öffentliche Stellen aber überzeugen, dass diese auch einmal auf einen wirklich Fleißigen bauen und nicht allein Notstand aus Routine verwalten?

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Malermeister Winfried Hoferichter kann derzeit einen Geschäftsbetrieb daheim quasi nur simulieren. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Görlitz. Winfried Hoferichter trägt das Herz wie so viele Berliner am rechten Fleck. Bevor er der Redaktion seine prekäre Situation schildert, sind beim Erstkontakt zunächst einmal manche witzige Floskeln ausgetauscht. Ein paar beiläufige Bemerkungen entwickeln sich zu umfassenden und ebenso kurzweiligen wie tiefsinnigen Gesprächsfäden, die ganz andere Geschichten als sein eigentliches Anliegen aufziehen lassen. 

Aber Winfried Hoferichter stellt ebenso geistesgegenwärtig den Hebel um und erklärt, wieso sein Leben in den letzten Jahren in schwieriges Fahrwasser geriet. Durch eine Beziehung verschlug es ihn von Berlin nach Görlitz und unglücklich ist er darüber nicht. An der Sonnenallee in Berlin habe er im Grunde seine Heimat verloren, nachdem Neukölln nach und nach als Problemgebiet seinen Charakter verloren habe. Der Takt in Görlitz gefalle ihm, doch der Malermeister steckt durch unverschuldete Lebensumstände heute in der Hartz-IV-Falle. 

In Görlitz wagte er den Schritt in die Selbstständigkeit als Malermeister und absolvierte später zusätzlich eine Ausbildung zum Betriebswirt. 2018 wurde sein Leben durch einen doppelten Leistenbruch allerdings komplett auf den Kopf gestellt. Von einem Tag auf den anderen musste er ins Krankenhaus und sich gleich drei Operationen unterziehen. Bitterste Folge war, dass er sein Gewerbe abmelden musste. Obwohl sein Unternehmergeist weiterhin brannte, machte ihm seine gesundheitliche Situation einen Strich durch die Rechnung. Immerhin gelang es ihm dann, mit einem Darlehen von der Sächsischen Aufbaubank neu zu starten. Doch die möglichen Investitionen in Technik und Fuhrpark müssen auch zurückgezahlt werden.

Ein betrügerischer Bauträger brachte seine Hoffnungen zum Einsturz und hinterließ eine erhebliche finanzielle Lücke. Das Darlehen ließ sich nicht mehr voll zurückzahlen, die Sächsische Aufbaubank forderte 17.000 Euro einschließlich angefallener Zinsen von ihm.

Eine Umschuldung scheiterte. „Ich hätte nie für möglich gehalten, in welchem Eilzugtempo es nach Erfolg auch auf einmal mit dem Absturz gehen kann“, sagt er. Die soziale Hängematte passt so überhaupt nicht zu Winfried Hoferichter. Und so drängte es ihn, auch einmal der Öffentlichkeit den Windmühlenkampf zu schildern, wieso man hierzulande so schwer wieder aufstehen könne. Denn ein Vertrauen in ihn, habe er in Ämtern oder bei der Aufbaubank nicht gespürt. Die zögen ihr Ding durch und man sieht ihm an, dass er damit auch meint: Es nutzen zu viele aus, und dann sitzen auch die Tatkräftigen wie jeder andere mit im Boot der Abgehängten.

Zunächst hegte er die Hoffnung, mittels der TV-Doku „Hartz aber herzlich“ von seiner Lebensgeschichte berichten zu können. Er zeigt einen langen Chat-Verkehr mit der Redaktion, die ihn als Protagonisten für ein Schicksal führte. Am 31. März hieß es noch: „Hallo Winni, gute Nachrichten, wir wollen gerne zum Dreh von einem Castingvideo vorbeikommen“, doch zwei Wochen später kam von RTL2 die Absage: „Es tut mir sehr leid, es wird von unserer Seite leider doch nicht klappen... Leider glaubt meine Redaktionsleitung nicht daran, dass die dritte Selbstständigkeit fruchtet.“ Dabei kann man am Tatendrang von ’Winni’ eigentlich nun gar nicht zweifeln. 

In seinem Büro hängen Werbebanner, die er für seine erhoffte Rückkehr in die Selbstständigkeit eigenständig konzipierte. Am Computer zeigt er, dass er den Sprung in die von der Politik geforderte Digitalwirtschaft meistert. Sein Konzept: Er gruppiert Sach- und Warenleistungen so, dass ein potenzieller Kunde diese im Warenkorb so wie im Internetkaufhaus einfach buchen kann. Dabei habe er keinerlei Vorbildungen dazu gehabt. Hoferichter bewegt sich am PC quasi fiktiv im Geschäft, dessen Ausübung ihm verwehrt ist. 

Eine Zusatzqualifizierung als Projektmanager hat er ebenfalls hinter sich. Der Wagen steht auf dem Hof, es gibt Flyer, ein Konzept und moderne Strukturen, von denen andere meilenweit entfernt sind. Einzig Kollegen fehlen. Er denkt, die Absage der RTL2-Redaktion hätte ihn wohl ereilt, weil er nicht das erhoffte Muster bedient hätte. „Vermutlich habe ich einfach zu klar Tacheles über die wirklichen Probleme geredet“.

Und so zeichnet sich nur das Spiel Hoffnung und Glaube ab, dass Entscheidungsträger erkennen, wo es sich lohnt auf Menschen mit Tatendrang zu setzen. Dabei ist er auch mit dem Konzept voll im Trend der Zeit. In der selbst gestalten Werbung preist er an, als Ökomalerbetrieb komplette Lösungen anzubieten. „Verputzen, sanieren, gestalten“, alles mit ökologisch abbaubaren Materialien.

Till Scholtz-Knobloch / 22.07.2023

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