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Wie kommen die RKI-Zahlen eigentlich zustande?

Wie kommen die RKI-Zahlen eigentlich zustande?

Am vergangenen Mittwoch sah die Corona-Deutschlandkarte so aus. Screenshot/n-tv.de

Region. Eine von Medien immer wieder ins Feld geführte und aktuell in weiten Teilen rot eingefärbte Deutschlandkarte sorgt seit Wochen für Irritationen. Über sie sollen sich die sogenannten Sieben-Tages-Inzidenzen, also die Menge an Neuinfektionen hochgerechnet auf 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche, für die jeweiligen Landkreise und kreisfreien Städte ganz bequem per Mausklick abrufen lassen. Das dem zugrunde liegende Zahlenmaterial stellt das Robert Koch-Institut (RKI) zur Verfügung, heißt es in einer Fußzeile.

Auffällig dabei ist, dass sich die Angaben zum Teil gravierend von den Daten unterscheiden, die tagtäglich von den Gesundheitsämtern veröffentlicht werden. Eine Region stach dabei besonders hervor – der Landkreis Görlitz. Schon als dieser sich Ende Oktober zum Risikogebiet erklärte, weil die Inzidenz auf einen Wert von über 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner geklettert war, schien laut der besagten Deutschlandkarte hierzulande noch alles halbwegs im grünen Bereich zu sein. Erst eine Woche später schaltete die grafische Darstellung auch dort auf knallrot um. Kurioser Nebeneffekt: Obwohl sie es Tage zuvor bereits taten, berichteten verschiedene Medienanstalten nochmals darüber, dass der Landkreis die kritische Marke geknackt habe.

Damals wurde gerade darüber diskutiert, ob Menschen aus deutschen Risikogebieten ihren Herbsturlaub in Mecklenburg-Vorpommern antreten dürfen. Dort galt für sie zu dem Zeitpunkt ein allgemeines Beherbergungsverbot, das sich nur unter Vorzeigen eines Negativtests umgehen ließ. Schließlich wurde die Corona-Maßnahme vom Oberverwaltungsgericht in Greifswald gekippt.

Doch wie können solche Diskrepanzen überhaupt passieren? Fakt ist: Die bei den Landkreisverwaltungen angesiedelten Gesundheitsämter pflegen eigenen Angaben zufolge die jeweils aktuellen Infektionszahlen, die ihnen von Haus- und Kinderärzten sowie von Laboren auf vorgeschriebenen Formularen übermittelt werden, in ein Computerprogramm ein, das über eine Schnittstelle zur Landesuntersuchungsanstalt des Freistaates Sachsen (LUA) verfügt.

„Die LUA wiederum leitet die Zahlen ans RKI weiter“, erklärte die Sprecherin des Görlitzer Landratsamtes Julia Bjar. Sie schränkte jedoch ein: „Wann die LUA dem RKI meldet, entzieht sich unserer Kenntnis.“ Wie in Dresden mit dem dort eintreffenden Zahlenmaterial verfahren wird, konnte auch eine Sprecherin der Kreisverwaltung des Nachbarlandkreises Bautzen auf Anfrage nicht konkret schildern. Sie ließ jedoch wissen, dass das RKI seinen Datenbestand jeweils um Mitternacht aktualisiere. Das bestätigte Institutssprecherin Ronja Wenchel auf Anfrage: „Die Zahlen der Neuinfektionen werden von den Gesundheitsämtern an die zuständigen Landesbehörden und von dort ans RKI übermittelt. Im Anschluss werden diese mit Datenstand 0.00 Uhr des jeweiligen Tages auf dem Dash-board veröffentlicht.“ Diesem lasse sich auch entnehmen, zu welchem Zeitpunkt die täglich hinzugekommenen Fälle in den Gesundheitsämtern registriert wurden.

Sachsens Sozialministerium teilte mit, dass es die Zahlenbestände veröffentliche, die der LUA bis jeweils 12.30 Uhr vorliegen. „Auf Kreisebene hingegen werden auch solche Fälle erfasst, die noch nicht in das Datensystem eingetragen und an uns weitergeleitet wurden“, meinte eine Ministeriumssprecherin. Gleichzeitig betonte sie: „Im Landkreis werden immer die aktuellesten Zahlen vorliegen. Die Diskrepanzen werden sich nicht abstellen lassen, so lange auf allen Ebenen Zahlen veröffentlicht werden, weil eben jeweils unterschiedliche Fallzahlen vorliegen.“ An der LUA würden mehrmals täglich die eingehenden Daten durch die Mitarbeiterinnen eingelesen und an das RKI weitergeleitet. Für die Übermittlung des Zahlenmaterials greife die Behörde ebenso auf eine Software zurück, die jedoch im Vergleich zur Kommunikation mit den Landkreisen eine andere ist.

Görlitz räumte indes ein, dass es dort in den letzten Wochen zu einem Bearbeitungsstau gekommen sei. Julia Bjar führte das auf die begrenzten personellen Kapazitäten und technische Probleme zurück. „Infolgedessen verzögerte sich die Übermittlung der aktuellen Zahlen an die LUA deutlich. Um diesen Abweichungen entgegenzuwirken, hat der Landkreis Görlitz technisch und personell die internen Arbeitsprozesse nachgesteuert.“ Unabhängig davon sei es möglich, dass die Befundübermittlung in Einzelfällen 72 Stunden übersteigen kann. Die „enorme“ Belastung der Labore führte sie als Grund dafür an.

Die Kreisverwaltung verwies an der Stelle noch einmal ausdrücklich auf die tägliche Veröffentlichung der Infektionszahlen auf der eigenen Internetseite. „Diese Zahlen sind für diesen maßgebend“, betonte die Landratsamtsmitarbeiterin. „Sie bilden die aktuelle Lage ab und können auch zum Vergleich mit anderen Landkreisen herangezogen werden.“

Aus Bautzen hingegen war auf die Frage, ob die Kreisverwaltung dort vor dem Hintergrund der seit Längerem festgestellten Diskrepanzen die Auffassung teilt, dass die Aussagekraft der jeweils mitgeteilten Inzidenzen keine ausreichende oder eine verminderte Vergleichbarkeit zwischen den Landkreisen und kreisfreien Städten zulassen,  zu vernehmen: „Das sehen wir nicht, da die Fehler eher normalverteilt sind.“

Ein Beispielversuch des Oberlausitzer Kuriers, am 5. November festgestellte Abweichungen durch das RKI korrigieren zu lassen, ging indes ins Leere. Sprecherin Ronja Wenchel teilte uns schriftlich mit: „Ins Dashboard fließen die Fälle, die die Landesbehörden bei uns melden. Korrekturen oder Nachmeldungen müssen diese vornehmen.“ Damals war auf der bereits erwähnten Deutschlandkarte für den Landkreis Görlitz eine Inzidenz von lediglich 14,2 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner angezeigt worden. In Wahrheit lag sie aber bei weit über 200.

Und noch etwas bedarf einer Klärung: Die vom RKI für die Oberlausitz gemeldeten Todeszahlen sind nicht, wie etwa in den Medien suggeriert wird, das Resultat einer Entwicklung innerhalb von 24 Stunden. Oftmals handelt es sich um eine Zusammenfassung von mehreren Tagen. So gab zuletzt das Landratsamt Görlitz in seinem Corona-Bericht vom Samstag zehn weitere Todesfälle bekannt - für einen Zeitraum vom 1. bis 10. Dezember.

Roland Kaiser / 14.12.2020

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Kommentare zum Artikel "Wie kommen die RKI-Zahlen eigentlich zustande?"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Statist schrieb am

    Ich kann beweisen, dass die 7 Tages Inzidenzen Fantasieprodukte sind. Nachfolgende Rechnung für die Mecklenburger Seenplatte.
    betrifft Inzidenzwert Nordkurier Ausgabe 21.4. Seite 12.

    Wenn ich die Inzidenzwerte nachrechne, sind alle Kreise , die weniger als 100000 EW haben auf 100000 hochgerechnet. Damit nicht genug: Diese Hochrechnungen werden jetzt zusammen gezählt und bilden die Zahl der Gesamtinfektionen, 7 Tage Inzidenz für die Mecklenburger Seenplatte. Das ist nun spätestens falsch. Hier muß die auf die Mecklenburger Seenplatte. bezogene Erkrankungshäufigkeit zugrunde gelegt werden. Wenn ich alle hier abgebildeten Zahlen zusammenzähle und durch die Anzahl der Kreise teile komme ich übrigens auf 164,2 und keinesfalls auf 189,1

    insgesamt wurden 3288,1 Fälle hochgerechnet, teile ich diese Zahl durch die Anzahl der Kreise komme ich auf 164,2.
    Was sollten wir also zugrunde legen? Anzahl der Tests zu positiven Tests, das gibt die Infektionshäufigkeit wieder, z.B. auf 10 000 oder 100 000 Tests.

  2. Fritz schrieb am

    Diese Deutschlandkarte ist das blödeste was es gibt. Die kann überhaupt nicht aktuell sein ? oder vielleicht ist es so gewollt ?

  3. Steffen schrieb am

    Schreiben Sie doch mal welche Personen eigentlich bei RKI Zahlen gezählt werden. Ist nirgendwo zu finden.
    Ist das manchmal Betrug an der Bevölkerung?

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