Astronomietourismus ganz nach Gersdorff

Marcin Wawrzynczak beim Verkauf seiner deutsch-polnischen Anthologie „Wanderer im Riesen-Gebirge“ Foto: Klaudia Kandzia

Auf der Tafelfichte gibt es keinen Gerstorff-Gedenkstein, jedoch – wie auf der Landeskrone in Görlitz – einen für dessen Zeitgenossen Theodor Körner. Foto: Wilhelm Bolko Scholtz-Knobloch
Kodersdorf liegt näher am Isergebirge, als man denkt – zumindest geistig. Von hier stammt Adolf Traugott von Gersdorff, dessen nächtliche Gipfelwanderungen nun auf Polnisch wiederbelebt wurden. Wer hinauf zur Tafelfichte steigt, erlebt Himmel und Geschichte zugleich.
Kodersdorf / Görlitz / Isergebirge. Mitten in der Nacht auf die Tafelfichte im Isergebirge zu wandern, um auf dem Gipfel den Sternenhimmel zu betrachten und am Morgen den Sonnenaufgang zu genießen – dies ist möglich. Denn eine Gruppe von Wander- und Geschichtsfreunden, die sich in der erst im Januar dieses Jahres gegründeten Lokalen Touristischen Isergebirgsorganisation (Izerska Lokalna Organizacja Turystyczna) zusammengeschlossen hat, bietet eine solche Tour sporadisch auf Polnisch an.
Das Ziel der Gruppe um Rafal Wroblewski, Bartosz Kijewski, Arkadiusz Lipin und Marcin Wawrzynczak ist, jenseits ausgetretener Pfade, historische Persönlichkeiten, Orte und Denkmäler wieder sichtbar zu machen. Sie haben dabei ein Vorbild: Adolf Traugott von Gersdorff. Er hatte eine solche Mitternachtswanderung auf die Tafelfichte am 15. September 1802 unternommen und diese detailliert beschrieben. Der aus Warschau stammende Verleger und Übersetzer Marcin Wawrzynzak hatte kürzlich die Tagebücher Adolf Traugott von Gersdorffs transkribiert und ins Polnische übersetzt.
Adolf Traugott von Gersdorff wurde am 20. März 1744 in Niederrengersdorf – heute quasi das Zentrum von Kodersdorf – geboren und starb am 16. Juni 1807 in Meffersdorf, später Wigands-thal (Pobiedna) im Kreis Lauban (Luban). Er war Mitbegründer der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften und beschäftigte sich als Aufklärer mit Mineralogie, Geografie, Meteorologie und vor allem mit der Astronomie. Er war fasziniert von Elektrizität, Licht und Zeit.
Für seine Beobachtungen des nächtlichen Himmelszelts, wählte von Gersdorff die Tafelfichte und den Dresslerberg (die Czerniawska Kopa). Von dort aus beobachtete er die Sonnenfinsternis am 5. September 1787 und am 5. September sechs Jahre später sowie die Sonnenflecken am 14. Mai 1794.
Er errechnete den Zeitunterschied zwischen der Umlaufbahn des Jupiters und seinen Satelliten, was wiederum zur Bestimmung der Meridiane verhalf.
Bei einer seiner Nachtwanderungen mit seinen Begleitern, Karl Andreas Meyer-Knonow und Christoph Nathe, landete von Gersdorff beinahe im Gefängnis. Von der kaiserlichen Patrouille angehalten, sorgten die Nachtwanderer für Verwirreng, denn für Schmuggler waren sie zu gut gekleidet. Und wer sonst sollte nachts mit Ferngläsern und Schreibutensilien durch die Berglandschaft streifen?
Für die Bergwacht waren es Spione. Schließlich konnten die drei Wissenschaftler ihre Expedition auf die böhmische Seite inhaltlich erläutern und so ihre Beobachtungen schließlich durchführen. Darüber berichtet Arkadiusz Lipin auf der Internetseite Góry Izerskie (Isergebirge) goryizerskie.pl, dessen Chefredakteur er ist. Für ihn ist Adolf Traugott von Gersdorff ein Vorläufer für Astronomietourismus. Zusammen mit seinen Mitstreitern dokumentiert Lipin historische Pfade, Wanderrouten, Grenzverläufe und ehemalige Siedlungsstrukturen. Dazu gehört Schloss Meffersdorf in Wigandsthal (Pobiedna), der Besitz Adolf Traugott von Gersdorffs.
Sie entwickelten ein Geländespiel in Bad Flinsberg (Swieradow-Zdroj), initiierten einen Obelisken am Schloss in Wigandsthal, sanierten Gersdorffs Grabstein und erarbeiteten Konzepte für den Wiederaufbau und die Nutzung des Aussichtsturms.
Marcin Wawrzynczak, der seit 17 Jahren in Ludwigsdorf (Chromiec) im Isergebirge lebt, nahm sich als erstes der nicht mehr existenten Michelsbaude an, dessen Geschichte er beschrieb und damit ins polnische Bewusstsein transportierte. Seitdem widmet er sich alten Reiseberichten, die er ins Polnische übersetzt und publiziert. Wawrzynczak gründete den Verlag Wielka Izera und gab, in Zusammenarbeit mit Agnieszka Bormann vom Schlesienreferat des Schlesischen Museums Görlitz, die deutsch-polnische Anthologie „Wanderer im Riesen-Gebirge“ (Podroznicy w Gorach Olbrzymich)“ heraus.