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Drei Mal Heimspiel für Kretschmer bei Kaiserwetter

Drei Mal Heimspiel für Kretschmer bei Kaiserwetter

Michael Kretschmer in seinem Element. Beim dezent politisch gewürzten Smalltalk hat er die Themen fest im Griff. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte am Dienstag wieder mal ein Heimspiel – ob beim Bürgergespräch auf dem Marienplatz, bei den Verkehrsbetrieben oder im Tierpark. An solchen Tagen ist die Spendierhose dabei, die freilich der Steuerzahler zuvor gefüllt hat.

Görlitz.
Da es für Michael Kretschmer in Sachen Rückendeckung für Straßenbahn und Zoo nach Görlitz ging, begann der Tag in seiner Heimatstadt bei dieser Gelegenheit auch mit einem Angebot der Tuchfühlung mit dem potenziellen Wähler auf dem Marienplatz. Von 10.30 bis 12.00 Uhr gab es mit Oberbürgermeister Octavian Ursu eine öffentliche Sprechstunde auf dem Marienplatz, bei der das Stadtoberhaupt natürlich nur die zweite Geige spielen konnte.

Doch zumindest in der ersten halben Stunde, der Zeit redaktioneller Beobachtung, stellt sich die Terminierung als unproblematisch dar. Während tags zuvor aus den zuletzt nur 300 Montagsdemonstranten unter dem Eindruck des Angriffes von Migranten auf feiernde Abiturienten im L2-Club wieder ein vierstelliges Wutbürgervolk geworden war, drängen sich zur frühen Mittagszeit dominant schaulustige Senioren um den Sonnenschirm vor dem Dicken Turn. Oder anders gesagt, tendenziell jene pensionierte Altersgruppe, die noch am wenigsten Zicken macht.

Die Wortmeldungen sind eher dezent kritisch und erlauben es dem Landesvater erst einmal mit den oft zu hörenden Überschriften der Hochglanzprospekte der Landesregierung operieren zu können. Das liegt Michael Kretschmer, der sich auch nicht von einem Görlitzer außer Fassung bringen lässt, der im Grunde bei jedem Auftritt des Landesvaters mit einer Schriftmappe und einem „schwierigen Fall“ aufkreuzt. Doch Michael Kretschmer schafft es, sich das Thema eines ganz konkreten Feuermelders in einer ganz konkreten Hausgemeinschaft ebenso verständlich wie souverän vom Leibe zu halten. Allerdings hatte der Versuch „Ladys first“, also eine wartende Dame vorzuziehen, zunächst keine echte Erleichterung verschafft. Diese bleibt kurz beim Dank, statt eine echte Frage zu formulieren. Während der PR-Stab mit der Uhrzeit jedoch richtig lag, bleiben auch die beiden weiteren Stationen des Ministerpräsidenten für diesen ein echtes Heimspiel.

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Klar, dass der Tierpark dem vom Straßenbahnbetriebshof kommenden Landesvater mit seinem tierischem Anhang Einlass gewährt. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Bei den Görlitzer Verkehrsbetrieben ist Kretschmer zum Start des zweiwöchigen Testbetriebs eines wasserstoffangetriebenen Busses dabei und hält so auch den grünen Koalitionspartner bei Laune. In der ersten Woche des Testes geht es zunächst um das Gefühl für das Fahrverhalten, Reichweite und Energieverbrauch. Die Woche darauf soll der Bus sich dann auch im Linien- und Schienenersatzverkehr zwischen Demianiplatz und Weinberg beweisen. Die „ÖPNV-Modellstadt Görlitz“ wird also auch im Hinblick auf einen Probebetrieb einer wasserstoffangetriebenen Straßenbahn schon einmal in Szene gesetzt. Der Bus vom Typ Urbino Hydrogen von Solaris aus Posen (Poznan) ist mit einer Brennstoffzelle ausgestattet, die als eine Art Mini-Wasserstoff-Kraftwerk an Bord fungiert. Als einzige Produkte der chemischen Reaktion in der Brennstoffzelle nennen die Görlitzer Verkehrsbetriebe Wärme und Wasserdampf, „so dass der Betrieb des Busses vollkommen schadstofffrei erfolgt.“

Nebenan im Tierpark darf Michael Kretschmer dann auch zwei erste Förderbescheide für den Zoo zücken, die im Rahmen des Strukturwandels nach dem „Investitionsgesetz Kohleregionen“ möglich wurden. 

Der Vorstandsvorsitzende des Zoo-Trägervereins, Carsten Liebig, ist der Projektleiter für das gesamte Vorhaben. „Endlich besteht damit die realistische Möglichkeit, den beschlossenen Zukunftsplan für den Tierpark umsetzen zu können“, freut er sich. Das erste Teilprojekt ist der Bau eines neuen Parkplatzes für das es nun eine Zusage von 509.000 Euro gibt. Auf dem Gelände des ehemaligen Leuchtenwerkes in der Zittauer Straße/Ecke Carl-von-Ossietzky-Straße werden 65 Stellplätze entstehen. Damit muss der Görlitzer Tierpark von dem Kuriosum Abschied nehmen, das bislang geringste Parkangebot aller Zoos mit nur 14 Stellplätzen vorzuhalten. Diese Quote war so bescheiden, dass kein Pressevertreter die Frage stellt, ob eine Anreise mit einer wasserstoffgetriebenen Tram nicht vielleicht doch die bessere Wahl sei.

Gleich 885.000 Euro stehen auf dem Förderbescheid für das Teilprojekt „Naturbrücke“. „Zwischen der Geyer- und der Manulanlage wird sich künftig in sechs Metern Höhe die Konstruktion in den Rundgang durch den Zoo einfügen und für mehr Familienfreundlichkeit und Barrierefreiheit durch die Überwindung größerer Reliefsprünge beitragen“, erläutert Carsten Liebig.

„Außerdem erhöht sich die Wirkung des Parks durch völlig neue Sichtachsen auf das Gartendenkmal“, heißt es zudem in einer Pressemitteilung des Naturschutz Tierparks.
In Planung seinen auch bereits die weiteren Teilprojekte. Den nächsten Schwerpunkt bildet dabei der Bau einer neuen Gemeinschaftsanlage für Tibetbären und Rhesusaffen entsprechend dem Entwicklungskonzept des Tierparks. Durch die Haltung der bedrohten Tibet- oder Kragenbären leistet der Tierpark einen neuerlichen Beitrag zur Arterhaltung.

Kuratorin Catrin Hammer berichtet der Redaktion, dafür seien Bär Franz aus Dessau-Roßlau sowie Mischa aus dem Zoo im tschechischen Chleb (Chelby), östlich von Prag auserkoren. Mit Blick auf die neue Eselwelt (siehe 2. Seite) und bei einem kühlen Softdrink bei Kaiserwetter bekundet auch Bürgermeister Benedikt M. Hummel, er freue sich über die vielen Fortschritte, schließlich hätten er und seine Familie eine Dauerkarte. Für den Ministerpräsidenten sollte diese entbehrlich sein, denn die nächsten Teilprojekte für den Tierpark können ja noch weitere werbewirksame Pressetermine aus Kohlemillionen nach sich ziehen. Oder aus unser aller Geld, denn Fördergelder sind letztlich auch nur vom Volk erwirtschaftete Mittel oder stammen aus Neuverschuldungen.

Till Scholtz-Knobloch / 15.07.2023

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