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Eskaliert die Lage am Steinbruch?

Eskaliert die Lage am Steinbruch?

Bernd Rehn ist nur einer von mehreren Hausbesitzern, der über Risse in den Wänden klagt. Der Mann mit Sprengschein macht die Detonationen im Granittagebau dafür verantwortlich. Foto: RK

Ein heftiger Rumms hat zu Beginn dieser Woche zahlreiche Menschen in der Gemeinde Malschwitz in Sorge versetzt. Bei der Bürgerinitiative „Steinbruch Pließkowitz“ läuten die Alarmglocken. Sie befürchtet, dass die Sprengungen im Tagebau künftig noch intensiver werden.

Malschwitz. Die Lampe und der Putz fallen von der Decke, Geschirr vibriert im Schrank, Häuserwände zeigen deutliche Risse auf: Die Menschen rund um den Steinbruch Pließkowitz machen seit wenigen Jahren immer besorgniserregendere Erfahrungen. Nach der jüngsten Sprengung im Granittagebau nimmt der Anwohnerprotest zu. Am Montag hat eine außergewöhnlich starke Detonation die Umgebung erschüttert. Anders als in einer E-Mail an die betroffenen Anrainer mitgeteilt, erfolgte die Zündung zudem außerhalb des von der Werksleitung angekündigten Zeitraumes. Das bringt die Menschen in der Region inzwischen auf die Palme. Immer mehr schließen sich dem Protest einer Bürgerinitiative an, die seit gut einem Jahr um eine bessere Lebensqualität rund um den Steinbruch kämpft. Bei ihr gingen eigenen Angaben zufolge nach dem Ereignis mehr als 20 Meldungen von Betroffenen ein. „Auch in Pließkowitz wurde die gestrige Sprengung als äußerst stark und intensiv wahrgenommen“, schrieben tags darauf exemplarisch zwei Familien. „Auch wir schließen uns den bisher geäußerten Protesten an. Es kann nicht sein, dass gesprengt wird, wann Sie wollen und so stark Sie wollen. Das Empfinden der Bürger der umliegenden Ortschaften ist durchaus auch ein Maßstab der Sprengungsintensität. Auch wir erwarten eine Erklärung, warum gerade die gestrige Sprengung so stark war und wieso nicht in dem angekündigten Zeitraum gesprengt wurde.“

Eine weitere Grundstücksbesitzerin zeigt sich ebenfalls beunruhigt über die Arbeitsweise im Steinbruch: „Die Sprengung war heute sehr intensiv. Zumal diese auch nicht in der angekündigten Zeitspanne stattfand. Am Ende ihrer E-Mail bitten sie um Verständnis. Dieses haben wir aber schon lange nicht mehr.“ Damit nimmt sie Bezug auf die Nachricht von Werkleiter Dirk Stief, der vier Tage zuvor die Sprengung für den 12. Februar zwischen 10.00 und 14.00 Uhr schriftlich angekündigt hatte. Jedoch sei diese am Montagnachmittag erst 15.28 Uhr erfolgt, wie die Bürgerinitiative dem Oberlausitzer Kurier mitteilte.   

Schon zuvor ließen die in dem von der Werksleitung in roter Schrift verfassten Warnhinweise darauf schließen, dass die Detonation stärker sein könnte als an anderen Tagen: „Wir bitten Sie, die Spreng- und Postenbereiche im Radius von circa 300 Metern um die Sprengstelle während dieser Zeit nicht zu betreten, gegebenenfalls Ihre Gäste entsprechend zu informieren.“

Noch vor einer Woche hatte der Chef des Tagebaubetreibers Jens Gerisch bezogen auf das in unmittelbarer Nähe des Steinbruchs befindliche Flächennaturdenkmal „Teufelssteine“ dem Oberlausitzer Kurier versichert, dass diesem keine Gefahr durch die Detonationen droht. „Es wird sich künftig, wie in den vergangenen einhundert Jahren auch, außerhalb des Betriebes befinden. Von aktuellen und künftigen Sprengstellen liegt es minimal 90 Meter entfernt, meistens sehr viel weiter“, teilte er dem OLK mit.

Bereits seit Monaten warnen die Mitglieder der Bürgerinitiative davor, dass das sagenumwobene Himmelsobservatorium durchaus in der Zukunft Schaden nehmen könnte. „Auch künftigen Generationen soll das Flächennaturdenkmal als touristischer Anlaufpunkt dienen“, sagte in diesem Zusammenhang die Sprecherin der Protestbewegung Luise Dutschmann.

Dass es anders geht, beweist derzeit die Gemeinde Sohland/Spree. Sie unterstützt eine Initiative des ortsansässigen Sternwartenvereins, Orte zur Beobachtung physikalischer und anderer naturwissenschaftlicher Phänomene zu erhalten beziehungsweise darauf mit Schildern hinzuweisen. Rund 70.000 Euro gibt die Kommune im Oberland dafür aus. Auf diese Weise sollen noch mehr Besucher den Weg dorthin finden.
In Malschwitz hingegen, so beklagt die Bürgerinitiative, wurde jahrelang dieses Potenzial verschenkt. Erst jetzt, nachdem Verwaltung, Gemeinderäte und die Protestler an einem Strang ziehen, gäbe es Bemühungen, die Fehler von einst wieder gut zu machen.

Unterdessen müssen zahlreiche Bewohner von Kleinbautzen und Pließkowitz weiter um ihr Recht kämpfen. Einige Wohngebäude sind von Rissen nur so übersät. Der Tagebaubetreiber stritt bislang ab, etwas mit den Schäden zu tun zu haben. Auch die Staatsanwaltschaft stellte inzwischen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Sachbeschädigung gegen Unternehmer Jens Gerisch ein. Gleich mehrere Hausbesitzer hatten zuvor Strafanzeige gegen ihn erstattet. Zur Begründung der Verfahrenseinstellung hieß es seitens der Ermittlungsbehörde unter anderem: „Hinzu kommt, dass nach dem pauschalen Vorbringen der Anzeigeerstatter überhaupt nicht festgestellt werden kann, durch welches konkrete Sprengereignis welcher konkrete Schaden entstanden sein soll.“ Der zivilrechtliche Klageweg wurde den Betroffenen dagegen offen gehalten. Einige von ihnen kündigten bereits an, gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Görlitz Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden einzulegen. Wie Hausbesitzer Bernd Rehn zur Begründung anführte, sei er vom ermittelnden Staatsanwalt der Außenstelle in Bautzen nicht einmal angehört worden. „Ich konnte während des gesamten Verfahrens meine gesammelten Unterlagen zur Aufklärung nicht beitragen. Auch habe ich keine Gelegenheit erhalten, mich zum Sachverhalt zu äußern.“ Ein schwerer Vorwurf, der hier im Raum steht. Die Hoffnung ist daher groß, dass die Strafverfolgungsbehörde in Dresden ihre Arbeit besser macht. „Wir sehen den nötigen Vorsatz für eine Straftat erfüllt“, meint indes Luise Dutschmann, „da ein Handeln aus Gewinnsucht nicht auszuschließen sein dürfte.“ Erneut hat die Bürgerinitiative Anzeige erstattet – und zwar aufgrund der Intensität der am Montag erfolgten Sprengung und wegen Verstoßes gegen die Einhaltung der Sprengzeiten. Diese seien eigentlich im Rahmenplan des Tagebaubetreibers vorgegeben. Demnach dürfen nur zwischen 11.00 und 14.00 Uhr auf den Auslöser gedrückt werden.

Um das Ganze mit Beweisen zu untermauern, hat die Protestbewegung eigenen Angaben zufolge eine Expertin aus Nordsachsen für genauere Messungen gewinnen können. Ein von ihr angewendetes 3D-Verfahren könne Aufschluss über die tatsächlichen Auswirkungen der Sprengungen im Tagebau Pließkowitz auf die Bausubstanz von Wohn- und Geschäftshäusern im Einzugsgebiet des Steinbruchs liefern. Bislang seien solche Messungen nicht zum Tragen gekommen, hieß es.
Unklar bleibt, welchen Einfluss die im Vergleich zu früheren Jahren gefühlt heftiger gewordenen Detonationen auf den Staudamm der Talsperre Bautzen haben werden. Auch in Niedergurig und Briesing, beides Ortschaften in kurzer Distanz zum Stausee, melden in der Zwischenzeit Bewohner Erschütterungen. Im Fall Briesing bestätigte das dem OLK die Gemeindeverwaltung.

Das Phänomen: Neben dem Staudamm liegen mehrere Ortschaften auf einer unterirdischen Granitschicht, die bis zum Tagebau Pließkowitz reicht. Der Bürgerinitiative zufolge überträgt diese Schicht die im Steinbruch ausgelösten Schwingungen mehr oder weniger an die Erdoberfläche und somit in die Fundamente der Wohngebäude.

Die Landestalsperrenverwaltung hingegen schließt eine mögliche Gefährdung der Bevölkerung aus. „Die Standsicherheitsnachweise für die Absperrdämme der Talsperre Bautzen berücksichtigen wesentlich höhere seismische Intensitäten als diese bei Sprengungen im Steinbruch auftreten können“, versucht Behördensprecherin Katrin Schöne zu beruhigen. „Das an der Talsperre Bautzen installierte Seismometer hat bisher zuverlässig relevante seismische Ereignisse aufgezeichnet. Aus diesen Messwerten lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Stauanlage erkennen. Durch unser Personal vor Ort wurden die Sprengungen nicht wahrgenommen. Sofern keine solchen makroseismischen Auswirkungen spürbar sind, besteht auch keine Relevanz für unsere Absperrbauwerke. An der Stauanlage wurden keinerlei Schäden festgestellt, die aus Erschütterungen, weder infolge von Erdbeben noch von Sprengungen, resultieren könnten.“ In Bezug auf die Detonation vom Montag konnte die Landestalsperrenverwaltung allerdings keine Messergebnisse liefern. „Das Seismometer an der Talsperre Bautzen hat die Freiberger Uni unabhängig von den Sprengungen für eigene seismologische Untersuchungen installiert und einzelne Messergebnisse der LTV zur Verfügung gestellt. Inzwischen hat sie das Gerät wieder abgebaut, sodass wir zur zuletzt erfolgten Sprengung leider keine Messwerte zur Verfügung stellen können.“ Auch für das Oberbergamt besteht kein Grund zur Beunruhigung. „Seit dem Jahr 2000 dürfen im Steinbruch Pließkowitz bis zu 500 Kilogramm Sprengstoff pro Zeitstufe oder bis zu 110 Kilogramm Sprengstoff pro Bohrloch gezündet werden“, erklärte Abteilungsleiter Martin Herrmann auf Anfrage dem Oberlausitzer Kurier. „Diese Mengen basieren auf einem Prognosegutachten, das Bestandteil des planfestgestellten Rahmenbetriebsplanes ist. Die Kontrollen des Oberbergamtes ergaben keine Überschreitungen der zugelassenen Mengen und der zulässigen Erschütterungen.“ Fakt ist aber auch: „Für die Gewinnung von Natursteinen als bergfreie Bodenschätze hat der Bewilligungsinhaber eine Förderabgabe an das jeweilige Bundesland zu entrichten, deren Höhe in Sachsen durch Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr festgelegt wird.“ Für das zurückliegende Jahr betrug diese rund 0,23 Euro je Tonne. Das heißt: Sachsen verdient seit jeher mit an dem Schicksal der Menschen.

Der Landtagsabgeordnete Jörg Vieweg, der gleichzeitig Obmann im Petitionsausschuss des Landtages ist, hat alle Seiten dazu aufgefordert, im Hinblick auf das laufende Petitionsverfahren keine weiteren Fakten zu schaffen. Er begrüßte zudem eine gemeinsame Erklärung zwischen Bürgerinitiative und den Gemeinderäten der Gemeinde Malschwitz. „Sie betont das Verbindende und stellt die Gesundheit und das Wohlergehen der Bürgerschaft in den Vordergrund. Für mich ist die Vereinbarung darum eine gute Basis für einen weiteren vertrauensvollen Dialog.“

Der Landtag befände sich im Moment in einem intensiven Austausch mit dem Wirtschaftsministerium sowie dem Oberbergamt.

Er beobachte die Entwicklung in Pließkowitz sehr genau. Sobald das Ministerium einen von der Bürgerinitiative eingereichten Fragenkatalog beantwortet hat, werde eine Anhörung im Parlament erfolgen. „Ich drücke bei dem Thema aufs Tempo, zaubern kann ich allerdings auch nicht“, versprach der Abgeordnete den betroffenen Tagebauanrainern.        

Roland Kaiser / 18.02.2018

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