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Plädoyer für den Plattenbau-Stadtteil

Plädoyer für den Plattenbau-Stadtteil

Die einstige Gagarin-Schule in Bautzen-Gesundbrunnen: Sobald sie nicht mehr als Interimsunterrichtsstätte benötigt wird, soll sie zu einem sozialen Mittelpunkt umfunktioniert werden. Foto: RK

In wenigen Jahren könnte das Bautzener Plattenbauviertel Gesundbrunnen noch an Attraktivität zulegen – und zwar vor allem bei jungen Menschen. Aus dem Rathaus gibt es Signale, wonach ein Konzept für einen ehemaligen Schulkomplex erarbeitet werden soll. Die Stadträte stehen dem Vorstoß offen gegenüber.

Bautzen. Was kommt nach dem Schulbetrieb an der Gagarin-Straße im Stadtteil Gesundbrunnen? Im Rathaus werden bereits erste Ideen für eine Nachnutzung des Geländes geschmiedet. Die reichen von der Etablierung eines Jugendclubs in dem Haus und der Schaffung einer Lagerfläche für das Museum über den Bau einer Skaterhalle bis hin zu einem größeren Spielplatz.

Nicht alle Dinge sind dabei sofort umsetzbar, schränkt die Verwaltung ein. Denn noch dient die Gagarin-Schule anderen Bildungseinrichtungen in Bautzen als Interimsobjekt. Und das wird sich aller Voraussicht nach so schnell nicht ändern. „Da wir das Schulgebäude im Extremfall für acht weitere Jahre als Ausweichquartier benötigen, liegen bislang keine konkreten Pläne vor“, stellte Sprecherin Laura Ziegler klar. Im Detail bedeutet das: Momentan nutzen die Mädchen und Jungen der Fichte-Grundschule das Gebäude, um dort ihrem Unterricht nachgehen zu können. Erst nach den Winterferien, so ist es geplant, kehren sie wieder in ihr dann renoviertes Schulhaus zurück. Für die Zeit eines Grundschulneubaus werde das Haus an der Gagarin-Straße ebenfalls benötigt. Darüber hinaus steht die Sanierung der Allende-Oberschule auf dem Programm. In diesem Fall werden die Fünft- bis Zehntklässler ebenfalls in den Gesundbrunnen ausquartiert.

Doch auf die allzu lange Bank möchte das Rathaus dann doch nicht jedes angedachte Vorhaben schieben. So ergeben sich Laura Ziegler zufolge erste Nutzungschancen, sobald die auf dem Areal befindliche Sporthalle dem Erdboden gleichgemacht worden ist. In dem Gebäude lagern zurzeit Möbel der Fichte-Grundschule. Diese kehren aber schon bald gemeinsam mit den Erst- bis Viertklässlern ins Stammhaus in der Seidau zurück. „Deshalb planen wir, den Abriss möglichst zeitnah umzusetzen. Im Anschluss werden wir uns mit Zeitplänen, insbesondere zur Skaterhalle, befassen. Auch die Kostenplanungen können dann erst erfolgen. Vermutlich lässt sich eine einfache Skaterhalle aber schon für 200.000 Euro errichten.“

Rückendeckung erhält die Verwaltung dabei in erster Linie von den Sozialdemokraten im Stadtrat. „Der Vorschlag einer nichtüberdachten Skaterhalle kommt von uns“, erklärte Fraktionschef Roland Fleischer auf Anfrage. „Eine andere Idee ist, über einen zu erstellenden selbstverwalteten Jugendclub zu diskutieren, der unseres Erachtens nach dem Wegfall des ‚MAX’ offensichtlich dringender denn je ist. Auch könnten wir uns einen offenen Treffpunkt für Einwohner des Gesundbrunnens vorstellen. Insgesamt müssen wir mehr mit der Bevölkerung ins Gespräch kommen. Dazu dienen Diskussionen über die Entwicklungen in Wohngebieten.“ Fest steht für den SPD-Mann: „Bei ausgereiften Vorstellungen mit nahezu konkret untersetzten Finanzen, die wir als machbar erachten, werden wir die Unterstützung nicht verweigern.“ Auch die CDU-Stadträte begrüßen die Idee einer langfristigen Belebung des Schulareals. Fraktionsvorsitzender Karsten Vogt: „Die Juri-Gagarin-Schule und die Sporthalle sind aufgrund ihrer zentralen Lage im Gesundbrunnen für unterschiedliche Verwendungen als günstig anzusehen. Dabei sollte man vorrangig den Bereich Freizeit als Nutzungsziel betrachten. Zwischenzeitlich war auch im Gespräch, die Gagarin-Schule als künftigen Grundschulstandort in Betracht zu ziehen. Die jüngsten Anmeldezahlen für die ersten Klassen des kommenden Schuljahres zeigen jedoch, dass neben der Curie-Grundschule hier kein Bedarf für eine weitere zweizügige Schule in unmittelbarer Nähe besteht.“ Jedoch gab er in punkto Skaterhalle auch zu bedenken: „Vor dem Hintergrund, dass diese im Juni nicht in die aktuellen Planungen einbezogen wurde, ist es notwendig, dass die Stadtverwaltung ein Sanierungs- und Finanzierungskonzept für das Objekt dem Stadtrat vorlegt. Wenn diese Konzeption stimmig ist, werden wir uns dem Projekt der Skaterhalle sicherlich nicht verwehren.“

Steffen Grundmann von der Linkspartei geht indes von einem hohen Sanierungsaufwand des Schulgebäudes aus. „Aber mit einer guten, breiten Mehrheit bei einer abschnittsweisen Instandsetzung sollten erste Angebote spätestens 2019 realisierbar sein.“ Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende sieht in der Skaterhalle lediglich einen ersten Schritt, den Stadtteil gerade für jüngere Leute noch attraktiver zu machen: „Weitere Möglichkeiten könnten Räumlichkeiten für Vereine und ein Café sein, in dem sich bei Filterkaffee und Eierschecke soziale Kontakte knüpfen lassen. Im Ernst: Der Stadtteil hat es verdient, mehr positive Aufmerksamkeit zu erhalten. Denn egal ob Menschen im oder außerhalb des Gesundbrunnens leben: Sie reden, vorsichtig ausgedrückt, abwertend über diesen Stadtteil. Dabei ist auch in diesem bereits einiges Positives geschehen. Jedoch vermag die ökonomische Situation vieler dort lebender Menschen schwierig zu sein. Dementsprechend sollten ihnen in respektvoller Weise Unterstützungsangebote unterbreitet werden.“ Ähnlich sieht es Karsten Vogt: „Untersuchungen haben ergeben, dass im Gesundbrunnen die Zahl der Geringverdiener und ALG-II-Empfänger höher ist als in anderen Stadtteilen Bautzens. Aus diesem Grund hat der Europäische Sozialfonds umfängliche Mittel zur Stadtentwicklung für den Gesundbrunnen bereitgestellt, was wir sehr begrüßen. Parallel dazu sind wir jedoch als Stadt darauf angewiesen, dass über die Arbeitsagenturen die Menschen dauerhaft in Arbeit gebracht werden. Nur so können wir erfolgreich soziale Probleme lösen. Es bleibt jedoch zu betonen, dass der Gesundbrunnen nicht abgestempelt werden darf. Hier wohnen viele Bürger seit Jahren und Jahrzehnten, die in Lohn und Brot stehen und ihrem Gesundbrunnen treu bleiben.“

Etwas differenzierter sieht das Mike Hauschild von der FDP. „Ich sehe in unserer kleinen Stadt keine nennenswerten Unterschiede bei den Problemen in den einzelnen Stadtteilen. Es sind nur Nuancen, die meist der unterschiedlichen Charakteristik der Stadtteile geschuldet sind, die aber die Probleme manchmal unterschiedlich stark erscheinen lassen. Der Gesundbrunnen ist der dynamischste und mit vielen jungen Bewohnern ausgestattete Stadtteil. Da stört eigentlich nur das Festhalten am Image von gestern.“

Kritische Stimmen in Bautzen sind nach wie vor der Ansicht, dass es an Angeboten für die Jugend mangelt. Noch vor zwei Jahren im Wahlkampf um den Posten als Oberbürgermeister hatte Alexander Ahrens angekündigt, dies ändern zu wollen. „Wir müssen mehr dafür tun, dass sich Jugendliche in Bautzen wohlfühlen“, sagte er in seinem damaligen Wahlkampfvideo. Vor wenigen Tagen stellte er im Gespräch mit dem Oberlausitzer Kurier die Eröffnung eines Jugendclubs an der Pchalek-Straße in Aussicht. Die Mietverträge standen zu diesem Zeitpunkt erst noch vor der Unterzeichnung. „Das Ganze ist zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, meinte das Stadtoberhaupt. „Allerdings dürfen sich die jungen Leute dort aufhalten, ohne sich einer Horde von Sozialarbeitern erklären zu müssen.“

Im Gesundbrunnen hingegen braucht es noch etwas Geduld. Zumindest scheint schon einmal klar zu sein, in welche Richtung es gehen könnte.

Roland Kaiser / 30.09.2017

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