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Schauspielerin in Lockdown-Zeiten

Schauspielerin in  Lockdown-Zeiten

Schauspielerin Patricia Hachtel  probte hier zuletzt mit ihrem Kollegen Paul Nörpel für das Stück „Misery“. Foto: Pawel Sosnowski

Patricia Hachtel, seit der Spielzeit 2018/19 als Schauspielerin und Schauspieldramaturgin fest am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau engagiert, befindet sich wie ihre anderen Kolleginnen und Kollegen aufgrund der Corona-Pandemie schon seit mehreren Wochen in einer verordneten Zwangspause.

Zittau. Zuletzt stand die Künstlerin für das Publikum sichtbar im Musical „Heiße Ecke“ als Imbissmitarbeiterin Margot, schwäbische Prostituierte Martina und als eine Musicaldarstellerin auf der Theaterbühne. Darin zu spielen, sei auf und hinter den Kulissen immer eine Riesenfreude aufgrund der schnellen Wechsel der Figuren, der rasanten Umzüge und Perückenwechsel, der schönen Songs und des begeisterten Publikums. „Wir sind ein Riesenteam – fast alle Schauspieler des Ensembles, ein ungarischer Gast, Ankleiderinnen, Maskenbildnerinnen und Bühnentechniker. Es ist ein Gewimmel und Gewusel, aber jeder weiß genau, was er zu tun hat. In so einer großen Maschinerie gemeinsam Figuren, Geschichten und Schauplätze zum Leben erwecken zu dürfen, ist inspirierend und ein Genuss“, schwärmt sie.

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Patricia Hachtel ist Schauspielerin und Schauspieldramaturgin am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau.  

Foto: Pawel Sosnowski

Ohne Publikum liefen die Vorbereitungen bis hin zur Generalprobe für das Stück „Misery“ nach dem Roman von Stephen King. „Jetzt würden wir das, was wir erarbeitet haben, natürlich gern dem Publikum präsentieren. Theater lebt ja vom Spieler und dem Zuschauer“, sagt sie. Der eine ohne den anderen macht aus ihrer Sicht nach keinen Sinn: „So war es merkwürdig, zu produzieren, ohne zu wissen, ob und wann wir das Ergebnis zeigen können. Und die Angst und die Hoffnung, wie es weitergeht, sitzen wie das fiese miese, negative Teufelchen und der superoptimistische Engel auf den Schultern und begleiten einen ungebeten bei der Arbeit.“
Der zweite Lockdown war ihrer Meinung nach abzusehen und notwendig: „Sehen wir uns nur die Fallzahlen hier bei uns im Landkreis Görlitz an. Ich selbst befinde mich in der glücklichen Situation, Kurzarbeitergeld beziehen zu dürfen, während so viele andere Menschen existenziell bedroht sind und ganze Lebensmodelle zerplatzen.“

Die Umstellung vom normalen Arbeitstag auf die verordnete Kurzarbeit ist ihr schwer gefallen.

„Ich arbeite am Theater als Schauspielerin, Dramaturgin und Regisseurin. Das schließt unterschiedlichste Aufgaben, flexible Arbeitszeiten und Multitasking ein. Die Tage sind durchgeplant und trotzdem bunt, überraschend, kreativ, verrückt, anstrengend und gefühlt meist zu kurz“, sagt sie. Dann sei eben jener zweite Lockdown gekommen. Die erste Zeit in der Kurzarbeit stand Patricia Hachtel immer unter Strom, hatte ein schlechtes Gewissen, bezahlt zu Hause zu sein: „Ich träumte nachts von vergessenen und unerledigten Aufgaben oder davon – der schlimmste aller Schauspielerträume – auf der Bühne zu stehen und nicht zu wissen in welchem Stück. Ich hatte das Gefühl, durch eine Vollbremsung gestoppt worden zu sein.“

Patricia Hachtel ist nicht auf Kurzarbeit 100: „Als Schauspielerin habe ich Stunden zur Verfügung, um Stimme und Körper zu trainieren, als Dramaturgin ebenso Stunden, um weiter an Planungsrunden teilzunehmen, Dinge für die Zeit nach dem Lockdown vorzubereiten und mit Gastregisseuren und Gastausstattern im Gespräch zu bleiben, was Produktionen und Planungsunsicherheiten betrifft.“
Ihr Mann bringt ihr in der verordneten Auszeit das Frühstück ans Bett: „Dann lese ich entweder alles, was vorher aus Zeitmangel liegenblieb oder mögliche Theaterstücke für die kommenden Spielzeiten. Wir haben die letzten Wochen auch jeden Tag einige Stunden an unserer Wohnung gearbeitet, den Flur und die Küche gestrichen, Küchenmöbel abgeschliffen und lackiert, Wohn-, Schlaf- und Arbeitszimmer getauscht, also alles ausgeräumt und wieder neu eingeräumt. Jetzt sind wir durch und könnten alles wieder rückwärts machen.“

Patricia Hachtel hat in dieser verordneten Auszeit auch viele Freunde nach teilweise ein bis zwei Jahren endlich angerufen und ausführlich mit ihnen gesprochen – immer einen aller zwei Tage. Dazwischen lagen Meetings, Planungsrunden etc. live wie auch via Zoom. „Da wir nicht wissen, wann wir wieder spielen dürfen, ist unklar, was die nächste Neuproduktion sein wird. Deshalb lerne ich noch keinen neuen Text, sondern halte alle fertigen Stücke bereit“, sagt sie.

Am Beispiel des Stücks „Heiße Ecke“ bedeutet das für die Schauspielerin an Text und Songs erinnern, „wem gebe ich wann Pommes, Bier oder Cola? Wann habe ich mich wo umgezogen? Wo liegen welche Requisiten? Welche Figur bin ich? Wann und wie unterscheiden sich die Figuren in Charakter, Sprechweise, Körperlichkeit etc? Und das mache ich für jedes bereitliegende Stück.“

Patricia Hachtel fehlen ihre Kolleginnen und Kollegen, das Theater und ihr Publikum sehr: „Vor Weihnachten hatten wir im Schauspielensemble ein Zoommeeting und das war melancholisch, lustig, schön, hilflos – eben anders. Theater ist für mich nicht nur Arbeit, sondern Lebenseinstellung. Ich vermisse die kreative Arbeit. Als Schauspielerin nicht auf die Bühne zu können, mit Kollegen nicht Geschichten lebendig werden zu lassen und nicht im Austausch mit dem Publikum zu sein, ist schlimm. Auch die Treffen mit meiner Garderobenpartnerin, unser Austausch über die Arbeit und Alltägliches, eben unsere kleine Garderoben-Ehe, fehlen mir.“

Patricia Hachtel fiebert voller Enthusiasmus dem neuen Start nach der coronabedingten Pause auf der Theaterbühne entgegen: „Wir haben so viele fertige Produktionen, die wir zeigen wollen und können.“ „Die Schöne und das Biest“, „Misery“ und „NippleJesus“ würden zur Premiere bereitstehen. „Heiße Ecke“, „Loriot“ und „Das kunstseidene Mädchen“ seien Produktionen, die darauf warten, wieder aufgeführt zu werden. „Wir möchten den Klosterhof in Zittau und die Waldbühne in Jonsdorf bespielen. Von uns aus kann es losgehen, sobald es die Situation wieder zulässt“, sagt sie voller Vorfreude.

Anmerkung: Vor dem Hintergrund der Pandemieentwicklung und der konkreten Risikolage haben die Gesellschafter des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau beschlossen, den Spielbetrieb vorerst bis zum 28. Februar 2021 einzustellen. Über die weitere Entwicklung muss laut Generalintendant Klaus Arauner schrittweise und mit Blick auf die jeweils aktuellen Rahmenbedingungen entschieden werden. Für die Monate bis zum Spielzeitende bestehen verschiedene Szenarien des Wiedereinstiegs und damit verbunden alternative Produktions- und Spielpläne aller Sparten. „Alle Mitarbeiter des Theaters freuen sich sehr darauf, den Menschen der Region ein gewohnt vielfältiges künstlerisches Angebot zu unterbreiten, sobald dies wieder möglich ist. Derzeit stehen wir aber vor der dringenden Aufgabe, einen von Rücksicht und Verantwortungsbewusstsein geprägten Beitrag zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu leisten“, so der Generalintendant.
 

Steffen Linke / 30.01.2021

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