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Tierheim fürchtet um seine Existenz

Tierheim fürchtet  um seine Existenz

Um die Zufahrt zum Tierheim ist ein Streit entbrannt: Peter Vater, der Chef des „Krambambuli“, pocht auf die Erreichbarkeit der Einrichtung. Das Stadtgut, dem die Zufahrtsfläche gehört, will hier einen Auslauf für die Hühner der benachbarten Farm schaffen

Görlitz. Unfreundliche Mitarbeiter, verschmutzte Zufahrtswege – auf das Görlitzer Tierheim „Krambambuli“ prasseln derzeit die verschiedensten Vorwürfe ein. Doch den Hintergrund kennen nur die Wenigsten, deshalb macht sich der Chef der Einrichtung jetzt Luft. Schließlich geht es für Peter Vater und sein Team sogar um die weitere Existenz.

War das noch herrlich, als man sich ausschließlich um die Betreuung gefundener oder abgegebener Tiere kümmern und regelmäßig Hunde, Katzen oder Kleintiere an neue Frauchen oder Herrchen vermitteln konnte. Doch seit einiger Zeit kommen immer wieder ungebetene Gäste zu Besuch: Hühner, die über den Zaun von der benachbarten Farm des Stadtgutes herüber flattern. Nach deren Erscheinen drehen die Hunde in den Zwingern regelmäßig durch. „Man kann es ihnen nicht verübeln, sie empfinden die Hühner nun mal als Beute.“ Die sie normalerweise aber nicht zu fassen kriegen, erklärt Peter Vater. Nur einmal passierte in der Vergangenheit ein Malheur: Ein auf „Gassi“-Gang befindlicher Jack Russell quetschte sich aus seinem Halsband heraus, nutzte ein Loch im Zaun und machte vier Hennen den Garaus. „Das tat uns außerordentlich leid. Unsere Haftpflichtversicherung hat sogar den Ausfall von 19 Hühnern bezahlt, weil der Hund während seines Ausflugs in die Farm wohl soviel hätte töten können.“ Doch mit dem finanziellen Ausgleich war es nicht getan. Stattdessen habe man im Stadtgut die Gunst der Stunde genutzt, um beim städtischen Ordnungsamt die Hundehaltung im „Krambambuli“ zu hinterfragen, kritisiert Vater. „Ich denke, das Bezahlen der Rechnung hätte genügt. Gegenseitige Provokationen bringen niemandem etwas.“

Doch die muss man im Tierheim laut Peter Vater immer wieder erdulden. Seitdem die Stadt vor Jahren verschiedene Flächen rund um das „Krambambuli“ an das Stadtgut verkauft habe, gebe es immer wieder neue Zwischenfälle. So sei im Auftrag des Stadtgutes ein Zaun um das Tierheim errichtet worden, um den Hühnern so mehr Freilauf zu ermöglichen. „Wir fühlen uns hier wie auf einer Insel, zu der man versucht, auch noch die Brücke zu kappen.“ Denn beim Verkauf der Flächen sei auch der Zufahrtsweg mit an das Stadtgut gegangen. „Hier befindet sich jetzt ein Eisentor. Wenn das zugemacht und verschlossen wird, gibt es keine Verbindung mehr zum ‚Krambambuli‘“, beschwert sich Vater. Überdies habe man bereits verboten bekommen, die jahrelang genutzten Parkplätze gleich vor dem Tierheim weiter zu belegen. „Wir stellen unsere Autos jetzt ‚illegal‘ hier ab. Und auch Besucher tun das, wenn sie denn zu uns kommen.“
 
Apropos Besucher. Die kritisierten im Frühjahr den schmutzigen Zustand des Zufahrtsweges. Einige seien deshalb sogar wieder umgedreht, hat der Chef des Tierheimes erfahren. „Wir hatten damit aber überhaupt nichts zu tun. Zum Einen gehört uns der Weg nicht, zum Anderen hat das Stadtgut in der fraglichen Zeit Gülle auf die Felder gekippt, die dann auf den Weg gelaufen ist.“ Der rückläufige Besucherstrom habe sogar Auswirkungen auf die Vermittlungsrate gehabt.

Ein vor einiger Zeit einberufener Vor-Ort-Termin von Baubürgermeister Dr. Michael Wieler mit Vertretern des Ordnungs- und Liegenschaftsamtes hat kein positives Ergebnis gebracht. Doch die Zeit drängt. „Seit eineinhalb, zwei Jahren halten wir die Füße still. Nun ist es an der Zeit, die Öffentlichkeit zu informieren.“ Das Tierheim sei kein Hobbyverein, meint Peter Vater. Vielmehr erfülle man im Auftrag der Stadt die kommunale Pflichtaufgabe, Fundtiere artgerecht zu verwahren. „Die ständigen Querelen mit unseren Nachbarn zehren an den Nerven unserer Mitarbeiter. Viele machen das ehrenamtlich hier und fragen sich natürlich, ob sie sich das weiter antun wollen. Das da im Gespräch mit Besuchern mal ein genervter Eindruck entsteht ist menschlich verständlich, sollte natürlich trotzdem nicht passieren“, räumt der Tierheim-Chef ein.

Inzwischen wurde auch die Möglichkeit eines Neubaus diskutiert, man nahm mehrere Grundstücke unter die Lupe. Angeblich habe es in der Stadtverwaltung bereits Kostenrechnungen gegeben und man sei auf eine Summe von circa zwei Millionen Euro gekommen. „Ob das finanzierbar ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber bis es kein neues Tierheim gibt, wünsche ich mir, dass alle Beteiligten zu einem vernünftigen Miteinander finden“, sagt Vater in Richtung Stadtgut und Kommune.

Allerdings würde bei einem Umzug viel verloren gehen. Neben dem seit 21 Jahren betriebenen riesengroßen Aufwand der Mitarbeiter auch etliche Fördermittel, die unter anderem für den Bau von Hundezwingern, die Oberflächenentwässerung, eine Quarantäne- und Krankenstation und das Kleintierhaus verwendet wurden. „Wenn man das aufgibt, muss natürlich geklärt werden, ob diese Gelder eventuell zurückgezahlt werden  müssen“, erläutert Schatzmeisterin Monika Urban.

Bei der Stadt, der die Situation schon seit dem Entstehen des Tierheimes Anfang der 1990er Jahre bekannt ist, geht man offenbar gelassen an die Sache heran. Auf Anfrage des „Niederschlesischer Kurier“, wie denn aus kommunaler Sicht eine vernünftige Lösung aussehen könne, um die Querelen zwischen Tierheim und Stadtgut auszuräumen, lautet die Antwort: „Gemeinsame Gesprächstermine, gegebenenfalls mit Moderation oder Schlichtung lösen oft Missverständnisse auf.“ Dabei ist es die Stadt, die für ein funktionierendes Tierheim zu sorgen hat, um die kommunale Pflichtaufgabe der Verwahrung von Fundtieren erfüllen zu lassen. Viel zu lange hat man dem Treiben zugeschaut, ohne sich um eine echte Lösung zu bemühen. Das bestätigen auch die Worte von Stadtgut-Chef Frank Richter: „Seit wir den Betrieb übernommen haben war klar, dass das Tierheim an dieser Stelle schlecht plaziert ist. Herr Vater wusste das.“ Und auch die Stadt habe man immer wieder mit diesem Thema konfrontiert. „Vor einigen Jahren gab es Gespräche über ein Ausweichgelände am Bahnhof Weinhübel, die Verhandlungen haben aber zu nichts geführt.“ Das Tierheim liege wie ein Riegel vor dem Auslauf der Ställe der Hühnerfarm.

Vor zwei, drei Jahren habe man die Sache noch einmal intensiviert, bestätigt der Geschäftsführer des Stadtgutes die Umzugsforderung in Richtung Tierheim. Denn: „Schon 2010 haben wir die Genehmigung zum Bau eines neuen Junghennenstalles bekommen – unter der Maßgabe, dass wir nach der Fertigstellung über genügend Auslauf verfügen. Doch das Tierheim ist immer noch da und versperrt uns den Weg.“ Mehrfach sei man deswegen bei der Stadt gewesen und der Betrieb des Junghennenstalles seit 2015 nur mit einer Ausnahmegenehmigung möglich.

Doch weil die nicht endlos gilt, drückt Frank Richter jetzt aufs Tempo: „Wir wollen und müssen unsere Hühner rund um das Tierheim laufen lassen.“ Ein Kompromiss soll den größten Ärger vermeiden. „Wir wollen uns mit dem ‚Krambambuli‘ über Zeiten verständigen, in denen das Einfahrtstor zur Tierheim-Durchfahrt geschlossen und der Hühner-Auslauf geöffnet ist. Dann wäre der Zugang immerhin weiter – wenn auch eingeschränkt – möglich.“ Ihm sei klar, so Richter, dass die Situation äußerst schwierig ist. Aber: „Es kann nicht sein, dass das Stadtgut immer der Leidtragende ist, wenn andere ihre Hausaufgaben nicht machen.“ Sollte es zu keiner Einigung kommen, schließt Richter auch einen Rechtsstreit nicht aus.

Die Verlegung des Tierheimes will der Geschäftsführer des Bio-Betriebes auch künftig nicht aus den Augen verlieren und bietet sogar Hilfe an: „Es ist klar, dass die Finanzierung eines solchen Projektes über die Stadt laufen muss. Aber wir haben Technik, mit der wir bestimmte Dinge vom alten auf den neuen Standort umsetzen und auch anderweitig behilflich sein können.“

Frank-Uwe Michel / 21.06.2016

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Kommentare zum Artikel "Tierheim fürchtet um seine Existenz"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. Ulrike Reimann schrieb am

    Sieht so aus, dass da jemand nicht vorausschauend mitgedacht hat. Die ganze Situation scheint sehr verhärtet zu sein. Meiner Meinung nach müsste die Stadt sich mehr für das Tierheim einsetzen, da es sich hier um kommunale Pflichtaufgaben handelt. Ich bete dadür, das es bald zu einem Kompromiss kommt, der beide Seiten zufrieden stellen kann.

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