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Umzug in scheinbar letzten Zipfel

Umzug in scheinbar letzten Zipfel

Doris Herrling aus Seifhennersdorf, hier vor der Klosterkirche in Zittau, erkundet auch die Region mit ihrer Geschichte. Foto: Steffen Linke

Bei einem eigens initiierten Abend sind die Mitglieder des Bulnheim Vereins in der gemütlichen Umgebindestube des Bulnheim’schen Hofes mit den in den vergangenen Jahren neu in die Stadt Seifhennersdorf gezogenen Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch gekommen. Eine davon ist Doris Herrling, die es aus Bayern in den scheinbar gottverlassenen Zipfel der Oberlausitz verschlagen hat.

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Doris Herrling (zweite von links) kam beim Empfang im Buln’heimschen Hof auch mit anderen neuen Bürgern der Stadt Seifhennersdorf ins Gespräch. Foto: privat

Seifhennersdorf. Die 63-Jährige ist dabei keine Ausnahme: „Ich weiß von circa 50 Familien, die in den vergangenen Jahren nach Seifhennersdorf gezogen sind.“ Der Abend selbst sei eine Idee des Bulnheim Vereins gewesen. „Ich als Neubürgerin fühle mich von der Stadt Seifhennersdorf wie ,ins kalte Wasser geworfen’. Ich habe damals beim Einwohnermeldeamt nach einer ,Willkommensbroschüre’ mit allen wichtigen Anlaufstellen gefragt“, berichtet sie. „So etwas haben wir nicht“, sei ihr geantwortet worden.

Doris Herrling hatte das Glück, dass ihr Mann von hier stammt, aber Menschen, die völlig fremd hierher kommen, haben Probleme, sich hier zurecht zu finden,weil alles so verstreut ist. Und das sei der Grund für diesen Abend gewesen. „Ich finde es ganz toll, dass sich jemand für die Neubürger und ihre Probleme interessiert. Jeder konnte Fragen stellen und wieder andere Neubürger kennenlernen. Und gemeinsam können die Neubürger ja auch wieder etwas erreichen. Ich sehe diesen Abend nur positiv“, sagt sie. Doris Herrling wohnt seit gut einem Jahr in Seifhennersdorf. Sie stammt ursprünglich aus Erfurt in Thüringen. „Ich bin nach meiner Scheidung der Arbeit wegen nach Regensburg gezogen. Dort lernte ich vor ein paar Jahren meinen Mann kennen, der als Pendler auch der Arbeit wegen nach Regensburg gegangen ist“, erzählt sie. Sie bekommt Rente, er muss noch ein paar Jahre arbeiten.
Mit solch einem Umzug hatte Doris Herrling nicht noch einmal in ihrem Leben gerechnet: „Eigentlich wäre ich in Regensburg geblieben.

Ihr Mann hat hier aber ein selber saniertes Umgebindehaus. „Ich dachte immer, diese Ecke von Deutschland, der letzte Zipfel so weit weg, das ist eine tote, öde Landschaft. Und diese Gegend hatte eh den Beinamen ,das Tal der Ahnungslosen’. Als ich jedoch die ersten Male hierher kam und die wunderschönen Häuser, die herrliche Landschaft und die netten Sachsen kennenlernte, war die Liebe auch für die Oberlausitz entfacht. Das Haus verkaufen und gänzlich nach Bayern ziehen, kam für mich dann überhaupt nicht mehr in Frage.“

Doris Herrling kannte sich anfangs nicht in der Region in und um Seifhennersdorf aus: „Zuerst musste ich den Ort erkunden, dann die Umgebung. Welche Ämter sind für mich zuständig? Wo kann ich einkaufen? Welche Ärzte haben ihre Praxis hier? Was kann ich hier erleben? Wo kann ich mich weiterbilden?“ Wenn sie keine lieben Nachbarn und ihren Mann nicht gehabt hätte, wäre das alles sehr mühsam gewesen. „Aus den kostenlosen Zeitungen erfahre ich von Veranstaltungen und anderen wichtigen Dingen aus der Region“, freut sie sich.

Doris Herrling ist ein sehr umtriebiger Mensch: „Ich will alles sehen und kennenlernen. Und es gibt hier so viel zu sehen. Da langt mein restliches Leben wohl gar nicht aus, um alles kennen zu lernen.“ Sie erstaunt immer wieder bei Stadtführungen die Geschichte der Gegend, die herrlichen Bauwerke und der Reichtum im Kontrast zur Not, den Kriegen, der Armut und Verzweiflung. „Ich bin eifrige Leserin in der Bibliothek Seifhennersdorf und verschlinge förmlich Bücher, in denen ich etwas über die Tradition und Geschichte der Oberlausitz lesen kann. Und dazu kommen ja noch die Regionen in Polen und Tschechien“, sagt sie. Dieser Ort habe so viel Wachstumspotenzial. Die richtigen Leute müssten aber die richtigen Entscheidungen treffen.
Für Doris Herrling war es jedenfalls ein Umzug zu den Wurzeln, zurück nach Ostdeutschland. „Ich habe eine ganz liebe Freundin gefunden, mit der ich viel unternehme. Auf die netten Nachbarn kann ich immer zählen. Nachbarschaftshilfe ist hier ganz wichtig. Und im Verein kann ich auch jederzeit Fragen stellen und Hilfe bekommen.“

Doris Herrling bringt sich in Seifhennersdorf mit viel Engagement ins bürgerliche Leben ein: „Zuerst bin ich in den ,Spreequell-Tauschring’ eingetreten. Das ist eine total vernünftige Angelegenheit. Du hilfst mir, ich helfe dir und das kostenlos.“

Dann hörte sie vom Traditionshof Bulnheim: „Allein der sanierte Dreiseitenhof fasziniert mich ungemein. Hier lernte ich wertvolle Menschen kennen, die Großes in ihrem Leben geleistet haben. Hier kann ich mich einbringen. Hier merke ich, dass ich willkommen bin.“ Sie kümmert sich um die Homepage des Vereins www.traditionshof-bulnheim.de. „Wie viele Vereine suchen auch wir Verstärkung. Denn neue Vereinsmitglieder haben neue Ideen und lassen den Verein somit wachsen“, sagt sie.

Doris Herrling liebt die Oberlausitz, will hier nicht wieder weg. „Ich komme mit den Menschen hier aus, habe hier viel Freundlichkeit und Hilfe erhalten. Die Granitschädel ändert niemand. Und die, die sich zu Hause verkriechen und noch in der guten alten Vergangenheit leben auch nicht. Solange ich gesund bin, werde ich mich im Verein einbringen. Eventuell warten auch noch andere Aufgaben auf mich.“

Und was vermisst sie am meisten aus ihrem „vorherigen Leben“? „Ich bin kein Mensch, der verklärt zurückschaut. Ich lebe im Hier und Jetzt und bin so glücklich“, antwortet sie.

Steffen Linke / 01.12.2016

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