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Von Deutschen und Tschechen in Bautzen

Von Deutschen und Tschechen in Bautzen

Martina Moser beherrscht Deutsch und Tschechisch perfekt; nur ganz selten muss sie zum Wörterbuch greifen.

Martina Moser lebt seit 14 Jahren in Deutschland, davon 13 Jahre in Bautzen. Als gebürtige Tschechin hat sie sich eine Existenz als Übersetzerin aufgebaut und weiß manch Interessantes über beide Völker zu berichten.

Bautzen. Wie weltoffen ist Bautzen? Die Antwort auf diese Frage bemisst sich nicht nur darin, wie die Stadt mit den in ihr untergebrachten Flüchtlingen umgeht, sondern auch in ihrem Verhältnis zu den unmittelbaren Nachbarn – nämlich den Polen und Tschechen.

Wenn sich jemand ein Urteil in dieser Hinsicht erlauben kann, dann ist das Martina Moser. Die gebürtige Tschechin lebt seit 2004 in Bautzen und arbeitet hier als Übersetzerin zwischen ihrer Muttersprache und Deutsch.
Und sie hat durchaus löbliches zu berichten: „Mein wichtigster Kunde war in den letzten Monaten die Stadt Bautzen, die ihre gesamte Internetseite von mir ins tschechische übersetzen lassen hat.“ Und tatsächlich präsentiert sich die tschechische Version der Seite www.bautzen.de mit einem umfangreichen Menü, das alle wesentlichen Punkte der deutschen Stammversion umfasst. Dasselbe gilt im Übrigen auch für die polnische Variante, mit der Martina Moser aber nichts zu tun hatte.

Nun bilden die städtischen Einrichtungen und die Sehenswürdigkeiten sicher wichtige, aber nicht die einzigen Anlaufpunkte für Besucher. Mindestens ebenso bedeutsam sind die Gaststätten und Cafés, mithin die gesamte gastronomische Szene. Und hier hält sich das Entgegenkommen in Richtung der tschechischen (und polnischen) Gäste sehr in Grenzen: „Ganze zwei Bautzener Gaststätten haben bislang ihre Speisekarten von mir übersetzen lassen“, berichtet Martina Moser.

Nun ist freilich auch das Szenario denkbar, dass andere Gastronomen die Dienste anderer Übersetzer in Anspruch genommen haben könnten; doch die Erfahrung lehrt, dass übersetzte Menüs – ob nun ins tschechische, polnische oder auch nur ins englische – in Bautzen die absolute Ausnahme bilden. „Eine Speisekarte übersetzen zu lassen kostet wirklich nicht die Welt, und ich habe auch schon entsprechende Angebote unterbreitet. Leider ohne Resonanz“, bedauert Martina Moser.

Schwer verständlich, wenn man bedenkt, wie Tschechen und Polen in den letzten Jahren in Sachen Kaufkraft aufgeholt haben und dass sie eine gute und angemessen teure Mahlzeit durchaus zu schätzen wissen.
Zu den wichtigsten Auftraggebern der Übersetzerin gehören Justiz und Polizei, denn seit 2015 hat Martina Moser die Bestätigung, auch in amtlichen Angelegenheiten übersetzen zu dürfen. „Da wird man manchmal auch mitten in der Nacht gerufen, aber das nehme ich gern in Kauf“, erklärt sie. Zuvor musste die Mutter dreier Kinder das „Große Deutsche Sprachdiplom“ ablegen, die höchste vom Goethe-Institut zu vergebende Kompetenzstufe. In den 14 Jahren, in denen sie bereits in Deutschland lebt, hat Martina Moser nicht nur die Sprache perfekt erlernt, sondern weiß auch genau über die Unterschiede in der Mentalität beider Völker, die sich so nah und doch manchmal auch sehr fremd sind, Bescheid: „Deutsche planen im Vorfeld alles schon sehr genau, während Tschechen lieber spontan und entsprechend der Situation handeln. Tschechen sind auch sehr spontan, wenn es darum geht, Bekannte zu besuchen; Deutsche melden sich vorher an und erwarten das auch von ihren Besuchern. Deutsche meinen genau das, was sie sagen; Tschechen drücken sich sehr diplomatisch aus. Gerade letzteres kann zu großen Missverständnissen führen. Und das Umarmen zur Begrüßung, das Deutsche auch mit Freunden pflegen, gibt es bei Tschechen nur innerhalb der Familie.“ Doch auch wenn sie sich selbst in erster Linie als Tschechin fühlt und die entsprechenden Gepflogenheiten pflegt, lebt Martina Moser gern in Bautzen und hat hier viele Freunde gefunden.

Uwe Menschner / 06.11.2017

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