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Bekommt Görlitz auch ein Stadtmodell?

Bekommt Görlitz auch ein Stadtmodell?

Egbert Broerken hat die blindengerechten Stadtmodelle vor etwa 20 Jahren erfunden. In Bautzen wird ein Bronzemodell im Maßstab 1:500 aller Voraussicht nach Ende Mai aufgestellt. In Görlitz gibt es aktuell noch keine konkreten Überlegungen. | Foto: privat

Görlitz. Besucher der Neißestadt könnten eine plastische Übersicht gut gebrauchen, um zielsicher an die gewünschten Orte zu gelangen. Blinde und Sehschwache haben es derzeit noch schwerer sich zu orientieren. Ohne fremde Hilfe geht fast nichts. Stadtmodelle, dazu noch blindengerecht gestaltet, könnten Erleichterung bringen. Doch gibt es auch schon Planungen dafür?

Auf dem Bahnhof angekommen geht es die Berliner Straße hinunter, über den Postplatz hinweg, vorbei am derzeit noch geschlossenen Görlitzer Kaufhaus – und schon ist man, wenn man auch noch die Elisabethstraße mit ihrem Wochenmarkt hinter sich gelassen hat, in der Altstadt, dem beliebtesten Ziel vieler Görlitz-Besucher. Für Sehende ist all das kein Problem – wenn man es weiß. Schwieriger wird die Orientierung für jene, die permanent in Finsternis oder Dämmerung leben. Blinde und Sehschwache können zwar auch den Weg erfragen, doch sich eine fremde Stadt erklären zu lassen, ist nicht ganz so leicht.

Hilfe könnte da ein blindengerecht gestaltetes Stadtmodell bieten. Konkrete Überlegungen dazu gibt es in der Neißestadt bisher aber nicht. „Das ist sicherlich wichtig, aber auch mit einem nicht unerheblichen finanziellen Aufwand verbunden. Immerhin muss das Modell ja aus Vermessungsdaten gewonnen, dann zuerst in Holz oder Kunststoff vorgefertigt und schließlich in Metall gegossen werden“, erläutert Stadtentwickler Hartmut Wilke. Generell sei man bei Stadtmodellen – die ja auch gut zur Erklärung der Stadtgeschichte herhalten könnten – „ein bisschen hinterher“, räumt er ein. Das zur Verfügung stehende Geld habe man bisher für die Sanierung der vorhandenen Bausubstanz eingesetzt.
Allerdings schätzt Wilke den Auftrag zur Herstellung eines blindengerechten Stadtmodells nicht generell als städtische Aufgabe ein. „Das ist keine Sache, die mit Barrierefreiheit zu tun hat und deshalb unbedingt gemacht werden muss. Hier könnte sich auch ein Verein vor den Karren spannen.“

Standorte hat der Leiter des Amtes für Stadtentwicklung gleich mehrere im Blick. „Es sollten prägende Stellen sein, an denen der Blinde merkt: Jetzt bin ich hier. Wenn ich mit der Hand über das Modell streiche und dann in diese Richtung gehe, bin ich bald dort. Und wenn ich mich drehe, finde ich dies und jenes vor. Man soll gleichzeitig die Stadtstruktur erfühlen und erfahren können.“ Der Standort müsse dem Blinden, aber auch dem sehenden Ortsunkundigen, eine gute Orientierung bieten. Ein solcher Punkt lasse sich bestimmt am Obermarkt finden, vielleicht in der Nähe der Dreifaltigkeitskirche. Oder aber am Postplatz vor dem Gericht bzw. auf dem Bahnhofsvorplatz. „Vielleicht wäre es ja auch sinnvoll, bei einer Stadt-Größe, wie wir sie in Görlitz haben, mehrere Modelle zu installieren, die dann immer nur den nächstgelegenen Teilbereich abbilden.“

In Ostsachsen gibt es aktuell nirgends blindengerechte Stadtmodelle. Allerdings wird Bautzen bald der Vorreiter sein. Dort kam bereits 2013 die Idee dazu auf, seitdem bemühen sich der Blinden- und Sehbehinderten-Verband, die Stadt und zahlreiche Spender um die Verwirklichung des Projektes.

Engagiert hat man den Bildhauer Egbert Broerken, der diese Modelle vor rund 20 Jahren erfunden und für zahlreiche Städte in Deutschland, Frankreich und den Niederlanden angefertigt hat. Voraussichtlich zum Volksfest „Bautzner Frühling“ Ende Mai soll die Altstadt von Bautzen im Maßstab 1:500 in detailgetreuem Bronzeguss vom Hauptmarkt aus erlebbar sein.

 

Frank-Uwe Michel / 30.05.2016

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