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Blasphemie bumsbar oder alles nur Pussy Riot?

Blasphemie bumsbar oder alles nur Pussy Riot?

Mallorca-Stimmungkanone Ikke Hüftgold als Jesus Christus mit dem aus dem tiefkatholischen Münsterland in Westfalen stammenden Mike Hilge als Bischof. Fotoquelle: Mike Hilge

Der Stannewischer Mike Hilge ist immer gut für einen Skandal. Ein absehbarer Sommerhit, in dessen Video er mitspielt, hat mehr als sonst sicher das Zeug dazu. Die gesellschaftliche Debatte um Grenzen des guten Geschmacks wird im Mai mit anderen Vorzeichen auch an Görlitz nicht vorbeigehen.

Stannewisch/Limburg/Görlitz. Mike Hilge (aka Big Tuck Dieter Grabowski) aus Stannewisch hat als Internet-Ramba-Zamba-Original mit Fanschar im ganzen Land schon manchen Grenzüberschreitung einer zügellosen Gesellschaft hinter sich. Zuletzt schaffte er es im Dezember in mehrere Gazetten, als ein Polizeieinsatz aufgrund einer vermeintlichen Messerstecherei in die Internetübertragung seines Kanals hineinplatze.

Seine Schauspielauftritte in der Rolle des oft alkoholisierten Honks basieren auf dem funktionierenden Prinzip des kalkulierten Tabubruchs. Das blieb im Dezember aber nicht ohne Nachspiel, denn es stand der Verdacht im Raum, der Ruf nach der Polizei könnte ein Marketinggimmick gewesen sein, der völlig unnötig die Staatsmacht teuer auf den Plan rief. Gegenüber dem Niederschlesischen Kurier bekundet Mike Hilge aber, mit Polizei und Feuerwehr sei alles im Lot und man habe sich in und um Stannewisch ausgesprochen.

Doch Mike Hilge wäre nicht Dieter Grabwoski – oder umgekehrt? – wenn er nicht mit dem nächsten Skandal spielen würde. Gut vernetzt in der B- und C-Promi-Szene gibt es nun jedenfalls einen ganz erheblichen Sprung von Klickzahlen im Internet nach vorn. Statt drei- oder vierstelligen Zahlen gab es Mitte der Woche bereits 75.000 Aufrufe eines Videoteasers von „Bumsbar“ des Mallorca-Partyhitgaranten Ikke Hüftgold, wo Mike Hilge mitspielt. Hilge verkündet gegenüber der Redaktion jedenfalls: „Am 28. April wird der Skandalsong des Jahres 2023 released – ’Bumsbar’ – von den Machern von ’Layla’ bei Summerfield Records.“
Auf Mallorca werde das Stück schon als Sommerhinhit gehandelt, aber Streamoptionen oder Downloads stellen neudeutsch eben den „Release“ dar. Im besagten Internetausschnitt als Appetithäppchen ist als Refrain zumindest schon „und dann sind wir wieder bumsbar“ zu vernehmen, was zahlreiche Kommentatoren auch bereits dem Höhepunkt nahe bewerten.

„Ich durfte im Musikvideo als Bischof mitspielen, der das Zölibat aufhebt“, erklärt Mike Hilge seine Rolle als in der Kirche hampelnder Würdenträger.
Womit wir bei der Würde sind. Zum ’Blaspehmieparagraphen’ (Gotteslästerung) § 166 im Strafgesetzbuch räumt die Wikipedia ein, dass es jährlich nur noch 15 Verurteilungen in Deutschland gebe – scheinbar werden heute Verletzungen christlichen Glaubens kaum mehr geahndet, weil ja ohnehin alles Kunst ist, was Traditionen in Frage stellt. Hingegen wird Blasphemie in Saudi-Arabien, dem Iran, Afghanistan, Pakistan, Somalia, Nigeria und Mauretanien mit dem Tod geahndet, während auch zunehmend Moslems in Deutschland mit der Zügellosigkeit nicht mehr klarkommen.

Drehort für „Bumsbar“ war eine zum „Pastorale Kultursalon & Sommergarten“ umgebaute Kapelle in Limburg an der Lahn, dem Geburtsort von Ikke Hüftgold. Wurden im Vorfeld Textinhalte bei der Buchung ehrlich kommuniziert, fragte die Redaktion den Pastorale-Betreiber Mario Flaschentraeger. „Dass eine Provokation geplant war, wurde kommuniziert. Da diese aus unserer Sicht weder strafrechtlich noch als moralisch vorwerfbar zu werten war bzw. ist, haben wir hierzu keine Bedenken gehabt“, bekundet der Chef des als gastronomische Nummer 1 in Limburg bei Tripadvisor bewerteten Gastro-Kultur-Stätte. Die Internetseite präsentiert die „Pastorale“ als Ort der Entschleunigung, mit dem Anspruch die (kulturelle) Welt nach Limburg zu holen. Die Gegensätze – Entschleunigung contra Mallorca-Zappelei – sowie anspruchsvolle Kultur contra enthemmte Bierseeligkeit – sind jedoch offenkundig. 

„Inhaltlich ist die Musik von Ikke Hüftgold für die Pastorale kein Thema. Wir verstehen uns auch nicht als Zensor und Bewahrer einer Kultur. WIR, wie die Macher von ’Bumbsbar’, repräsentieren recht unterschiedliche Klientel. Und Toleranz ist die Schnittmenge. WIR haben die Kapelle nur vermietet und sind für etwaige Inhalte nicht verantwortlich“, so Flaschentraeger. Seiner Sicht nach sei Blasphemie nicht Gegenstand der Produktion. Das Lied persifliere provokant die Diskussion um das Zölibat. „Und diese Diskussion findet ja aktuell auch in Teilen der Kirche statt.“
Limburg scheint für eine solche Debatte wie geschaffen, nachdem vor zehn Jahren Skandale um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst die Amtskirche hier besonders in Bedrängnis brachten. Wirkt diese Debatte nach, wollte der Niederschlesische Kurier wissen. „Diese Diskussion haben sich die Amtskirchen selbst eingebrockt. Mittlerweile gibt es ja keinen Bischof mehr, der nicht der Vertuschung von Straftaten beschuldigt ist. Siehe aktuell Woelki. Und ’Glauben’ im religiösen Sinn ist längst zu Gunsten anderer Werte geopfert worden. Ein Blick in eine Kirche am Sonntagmorgen und es wird klar, dass die Kirche nur noch zur Folklore verkommen ist.“

Doch wer ist dann am Ende für den Erhalt von Würde überhaupt noch verantwortlich? Diese Frage wird die Niederschlesische Oberlausitz spätestens am 27. Mai noch einmal ganz unmittelbar beschäftigen. Zur Preisverleihung des Neiße-Filmfestivals haben die Veranstalter als „Highlight des Festivaljubiläums“ die russische Skandalband Pussy Riot ins Görlitzer Kühlhaus eingeladen. So sicher wie das Amen in der Kirche dürfte sein, dass dann jedes einstige Tabu des christlichen-abendländischen Kulturerbes im Schutze des Deckmantels der Putinkritik ausgehebelt ist und Pussy Riot für viele Höhepunkte unter Feuilletonisten sorgt.

Till Scholtz-Knobloch / 29.04.2023

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