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„Brückenbau lässt sich trotz Corona meistern“

„Brückenbau lässt sich trotz Corona meistern“

Der das sagt, ist ein Bautzener Urgestein mit einer Vision. Seit 20 Jahren plädiert Karl-Heinz Lehmann dafür, dem Tourismus in der Spreestadt mit einem neuen Tor zum historischen Zentrum auf die Beine zu helfen. Im Oberlausitzer Kurier spricht der Ex-Stadtrat über mögliche Finanzierungsansätze für ein Projekt dieser Größenordnung, aber auch über die damit verbundenen Chancen.

Herr Lehmann, weshalb beschäftigen Sie sich seit nunmehr zwei Jahrzehnten mit dem Brückenprojekt?

Karl-Heinz Lehmann: Im Jahr 2001 wurde der Vertrag zwischen dem Freistaat Sachsen, dem Landkreis Bautzen und der Stadt Bautzen zum Bau des Jugend- und Puppentheaters abgeschlossen. Als damaliger Hauptamtsleiter des Landratsamtes wurde ich in die Vorbereitung und Realisierung des Projektes „Spreequerung vom Protschenberg zum Eingang des neuen Burgtheaters“ eingebunden. Die Baugenehmigung vom 30. Mai 2002 forderte vom Landkreis unter anderem die Errichtung von 34 Pkw-Stellplätzen in unmittelbarer Nähe des Theaterneubaus. Sieben Jahre später wurden mit der Verwirklichung des Parkplatzes an der Schliebenstraße die Stellflächen realisiert. Was bis heute fehlt, ist die Spreequerung. Das bedeutet: Die Auflagen der Baugenehmigung wurden bis dato noch nicht vollständig erfüllt. Das alles vor dem Hintergrund, dass schätzungsweise etwa 100.000 Besucher pro Jahr den Burghof zu den verschiedensten Anlässen aufsuchen, und sie alle müssen nach wie vor mit komplizierten Zugangswegen vorliebnehmen.

Nicht wenige Menschen befürchten, dass sich die Stadt Bautzen im Zuge einer Realisierung des angedachten Brückenprojektes finanziell übernehmen könnte. Sie sehen das anders?

Karl-Heinz Lehmann: Bei der Frage „Wie geht es weiter mit der Finanzierung der Brücke ?“ gibt es folgende Lösung. Im Haushalt der Stadt Bautzen wurden 300.000 Euro für die Projektvorbereitung und 700.000 Euro für die Erweiterung des Parkplatzes Schliebenstraße einkalkuliert. Da der Parkplatz allein nicht förderfähig ist, wohl aber das Gesamtprojekt bestehend aus Touristenparkplatz, Bürgerwiese und Brücke, wird das Vorhaben durch den Freistaat Sachsen zu 80 bis 90 Prozent gefördert. Die 700.000 Euro als Eigenanteil für die Errichtung des Gesamtprojektes wären in dem Fall ausreichend. Eigentümer der Ortenburg ist zudem nicht die Stadt Bautzen, sondern das Land Sachsen. Nach Aussagen des Freistaates soll die Förderung aus dem Fördertopf GRW-Infra über einen Zuschuss aus dem Strukturstärkungsgesetzes gesichert werden. Hier sind also Fördergelder des Freistaates in jedem Fall die Grundlage der Projektrealisierung und nicht der Haushalt der Stadt Bautzen. Das Argument, wir haben wegen der Corona- Krise kein Geld, um solche Projekte zu finanzieren, ist schlichtweg falsch – auch weil Konjunkturförderprogramme zur Bewältigung der Krise mit Sicherheit in den nächsten Jahren gestartet und dabei solche Vorhaben, die einen Projektvorlauf besitzen, zuerst realisiert werden.

Welche Vorzüge bieten die neuen Brückenvarianten ge-genüber der ursprünglich ins Gespräch gebrachten Spannbandbrücke?

Karl-Heinz Lehmann: Im Fall der Spannbandbrücke haben die Tragwerksplaner bei den Probebohrungen festgestellt, dass der Baugrund auf dem Hof der Ortenburg den extrem hohen horizontalen Verankerungslasten nicht mit Sicherheit standhält beziehungsweise diese schwer kalkulierbare zusätzliche Baukosten verursachen könnten. Unter Hinzuziehung eines erfahrenen Bautzener Bauunternehmens im Brückenbau und eines Architektenbüros, das über die vorhandene Baugrundspezifika auf dem Ortenburgareal bereits sehr genaue Kenntnis besitzt, wurden drei Alternativvarianten von Brücken erarbeitet. Deren Vorteil liegt darin, dass die Kostenkalkulation in allen drei Fällen wesentlich sicherer möglich ist, weil die technischen Risiken erheblich kleiner ausfallen.

Wie könnte der weitere Fahrplan vor dem Hintergrund aussehen?

Karl-Heinz Lehmann: Um nicht wieder mehrere Jahre bis zur nächsten Entscheidung verstreichen zu lassen, sind die Fertigstellung der Kostenermittlung für die Brücke voranzutreiben und den Bautzener Bürgern die Brückenvarianten mit allen Details vorzustellen – zur Mitwirkung bei der weiteren Entscheidungsfindung. Gleichzeitig erscheinen mir die Bewertungen des Landeskonservators als Chef der Denkmalpflege von großer Bedeutung. Bei einer positiven Gesamtbewertung sind nachfolgend die Anträge zur Förderung an den Freistaat Sachsen zu stellen. Ich bin überzeugt davon, dass die Frage der Finanzierung durch das Land positiv entschieden wird. Damit wäre der Weg frei für eine seit Jahren erforderliche Investition in eine positive Stadtentwicklung.

Was wünschen Sie sich für die Altstadt, die Brücke und all die Menschen, die hier leben?

Karl-Heinz Lehmann: Als gebürtiger Bautzener mit fast 80 Lebensjahren bin ich der Überzeugung, eine Stadt muss sich ständig weiterentwickeln. Ein solcher Prozess muss jedoch von den Bürgern angestoßen und mitgetragen werden. Das Beispiel Ortenburgensemble samt Jugend- und Puppentheater inklusive Rietschelgiebelfiguren, Langhaus, Burgwasserturm, Restaurant Burghof, Sorbisches Museum, Hofrichterhaus und Matthiasturm ist es wert, erhalten zu werden beziehungsweise im neuen Glanz erscheinen zu lassen und damit der Stadt einen Besuchermag-neten zu sichern. Wenn wir es mit der Brücke gemeinsam schaffen, ein „neues Tor zur historischen Altstadt“ zu öffnen, verfügen wir über eine touristische Attraktion, die es so in Bautzen bislang nicht gab. Ich freue mich über die aktuelle und künftige Diskussion. Dass sie geführt werden muss, ist in einer selbstbewussten Stadt wie der unsrigen eine Selbstverständlichkeit. Das Für und Wider muss allen klar werden. Ich hoffe auf ein gutes Ergebnis, das gerade jungen Leuten beweist, wie die Bautzener mit Bewusstsein für Geschichte in die Zukunft gehen.

Bereits seit Monaten liegt der Rathausmannschaft ein von Experten ausgearbeitetes Tourismuskonzept vor. Welche Rolle spielt das Papier in dem Gesamtkontext?

Karl-Heinz Lehmann: Die Verwaltung hatte dem Unternehmen ift Freizeit- und Tourismusberatung den Auftrag erteilt, eine Studie anzufertigen. Deren Abschlussdokument vom 14. März 2019 zeigt die seit Jahren enormen Schwächen der Tourismusentwicklung unserer Stadt auf. Diese Erkenntnis trug dazu bei, dass der Oberbürgermeister mit seinen zuständigen Fachbereichsleitern die Entwicklung der Schwerpunkte Touristenparkplatz, Bürgerwiese und Brückenquerung zur Chefsache erklärte. In dem erwähnten Konzept wird unter anderem ausgesagt, dass Bautzen im Gegensatz zu benachbarten Städten sein touristisches Potenzial nicht ausschöpft und die Tourismusentwicklung stagniert. Um den Stellenwert der Tourismusbranche für Bautzen deutlich zu machen, spricht das ift-Konzept von einem gegenwärtigen Bruttoumsatz in Bautzen in Höhe von 54,5 Millionen Euro, der sich infolge von Investitionen in eine profilbildende Infrastruktur erheblich ausbauen ließe. Somit könnten die Entwicklung des Ortenburgareals und eine dorthin führende Brücke Bausteine für eine positive Veränderung sein.

Roland Kaiser / 31.05.2020

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