Das Altstadtfestival soll Menschen zusammenbringen
Corinna Seiler holt zum Altstadtfestival eine Herde blauer Schafe ans Spreeufer. Das Kunstprojekt will Denkanstöße liefern. Foto: RK
Bautzen. Seit etwa zwei Jahren stehen im Garten von Corinna Seiler zwei blaue Schafe. Die aus Polyesterharz gefertigten Skulpturen sind Teil eines Kunstprojektes, das bereits in mehreren europäischen Städten Halt gemacht hat, so zum Beispiel in Brüssel, Luxemburg, Wien oder auch in Köln. Dort am Rhein schloss die Lausitzerin Bekanntschaft mit den Blauschäfern Bertamaria Reetz und Rainer Bonk sowie deren Friedensherde. Seitdem spielt Corinna Seiler mit dem Gedanken, den Tross ans Spreeufer zu holen. Zum Altstadtfestival, das vom 30. August bis 1. September in Bautzen seine zweite Auflage erfährt, wird es nunmehr so weit sein. Das Motto lautet: „Alle sind gleich – jeder ist wichtig“. „Die Blauschafe geben jenseits aller ethnologischen, religiösen und kulturellen Unterschiede mit ihrem ganz speziellen Charme Denkanstöße und weisen deutlich auf das Verbindende hin“, sagt die Spreestädterin.
Veranstalter Dietmar Stange, der gleichzeitig Chef des Tourismusvereins ist, sieht nicht nur darin einen Beitrag für eine zusammenrückende Stadtgesellschaft. „Im Zuge des dreitägigen Altstadtfestivals wollen wir möglichst viele Menschen über ideologische Grenzen hinweg zusammenbringen. Das klingt zwar idealistisch. Aber wir müssen an einer Stelle anfangen, sonst werden wir den Zustand, wie wir ihn seit geraumer Zeit in Bautzen vorfinden, nicht überwinden. Und wenn wir das Verbindende hervorheben, kann unser Festival nicht völlig unpolitisch sein.“
Dieses bildet zwischen Mönchskirchruine und Kornmarkt den Rahmen für etwa 100 Einzelveranstaltungen, die wiederum teilweise einen Bezug zueinander haben. So setzt sich am 1. September, dem Weltfriedenstag, nach dem gemeinsamen Basteln von Friedenstauben eine „Kinderkarawane der Kulturen“ in Bewegung. Mädchen und Jungen mit russischen, arabischen, kurdischen, sorbischen und deutschen Wurzeln werden dann mit Tanz und Musik gemeinsam durch das historische Zentrum ziehen und an markanten Orten Halt machen. Der Tross startet gegen 10.15 Uhr am Reichenturm. Kurz vor Mittag wird er am Hauptmarkt sein Ziel erreicht haben. Auf dem Weg dorthin unterhalten die Kleinen nicht nur das Publikum in der jeweiligen Landessprache. Auch Tauben steigen zum Himmel auf. Indes sind die Eltern der Kinder dazu angehalten, den fröhlichen und farbenfrohen Umzug zu begleiten.
Einen weiteren Höhepunkt während des dreitägigen Altstadtfestivals, das 2018 an die Tradition des im Jahr zuvor letztmalig ausgerichteten Wasserkunstfestes anknüpfte, bildet ein Hussitenlager entlang der Mühlstraße. Die Bernauer Briganten und deren tschechische Partner bringen das Leben der reformatorischen beziehungsweise revolutionären Bewegungen im Böhmen des 15. Jahrhunderts näher. Diese hatten historischen Überlieferungen zufolge 1429 das alte Bautzen belagert. Und zwar erfolglos, wie Dietmar Stange weiß. „Das ist einer Stadtgesellschaft zu verdanken, die damals aufgrund der drohenden Gefahr zusammenhielt. Nur aus diesem Grund ließ sich der bevorstehende Angriff der Hussiten abwehren.“ Der Vereinsvorsitzende wünscht sich solch einen Zusammenhalt auch für die heutige Zeit. „Auf jeden Fall bieten wir Geschichte zum Anfassen. Eventuell zieht der eine oder andere auch sein ganz persönliches Fazit daraus. Wir geben Denkanstöße.“
Dass das Festival von Deutschen und Sorben gemeinsam auf die Beine gestellt wird, freut den Tourismusverein. Am Ende werden sich an den einzelnen Programmpunkten circa 600 Akteure von etwa 50 Vereinen und Gruppierungen beteiligen. „Und immer noch gibt es Personen, die sich einbringen möchten“, sagte der Organisator am Montag während eines Pressegesprächs. „Die Interessensbekundungen reißen nicht ab, aber wir können nichts mehr fürs Programm aufnehmen.“
Dieses sollte seit Wochenbeginn im Internet abrufbar sein. Dennoch gab es auch für Dietmar Stange eine Überraschung. Das Sorbische Nationalensemble (SNE) hat die Köpfe rauchen lassen und in Eigenregie noch einige Veranstaltungspunkte aus der Taufe gehoben, von der Dietmar Stange eigenen Angaben zufolge bislang nichts wusste. Dazu zählen deutsch-sorbische Lesungen, ein sorbischer DJ und das Debüt von Christin Herrmann. Die Leipzigerin mit Lausitzer Wurzeln wird auf dem Areal der Röhrscheidtbastei ein Konzert geben. Ihre Stärke: puderzuckerfeiner, deutsch-sorbischer Popjazz. Außerdem begeistert das SNE mit einer Dudelsackwerkstatt, Trachtenstickereien, Ostereiermalerei und Puppenbasteln.
Unterm Strich ist Dietmar Stange hoffnungsvoll, dass sich auf diese Weise das Altstadtfestival zu einer touristischen Marke entwickeln lässt, in die auch die Bautzener Gastronomen und Hoteliers eingebunden sind. „Sie werden in ihren Restaurants und teilweise auch davor im Freien für das leibliche Wohl der Besucher sorgen. In puncto Übernachtungszahlen sind wir zuversichtlich, dass wir einen Zuwachs erleben. Denn hier gibt es, wie wir alle wissen, noch Luft nach oben.“ Auf sogenannte Fressmeilen wurde ganz bewusst verzichtet, damit das Publikum die Gasthäuser der Stadt und deren lukullische Angebote kennenlernen kann.
Kurzum: Unter dem Titel „Wasser, Kunst, Licht“ setzen wieder zahlreiche Macher die gesamte Altstadt in Szene. Vor der mittelalterlichen Kulisse entsteht ein faszinierendes Farbenspiel mit Kunst, Musik und großer Geschichte. Damit unterscheide sich dieses Festival räumlich und inhaltlich von anderen Events in Bautzen, hieß es.
Ein Tipp: Wer mit dem eigenen Fahrzeug anreist, sollte neben dem Parkplatz in der Schliebenstraße auch das Parkdeck im Kornmarktcenter ansteuern. Das ist am Freitag und Samstag jeweils bis Mitternacht zugänglich. Am Sonntag öffnet es von 11.00 bis 23.00 Uhr. Von dort aus sind es nur wenige Schritte bis zum Festgeschehen in der Bautzener Altstadt. Einzelheiten zur Veranstaltung lassen sich den während des Festivals an den jeweiligen Schauplätzen ausgelegten Programmheften entnehmen und schon jetzt der Internetseite www.altstadtfestival-bautzen.de.
