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,Excellenz’ mit mehreren Pässen

,Excellenz’ mit mehreren Pässen

Alfons Nossel vor dem Glockenturm an seinem Wohnort im Sanktuarium Groß Stein (Kamien Slaski) in Oberschlesien. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Der 2009 eremitierte Bischof von Oppeln (Opole) im polnischen Oberschlesien hat am Freitag den Internationen Brückepreis 2017 im Görlitzer Hauptmannn-Theater als Brückenbauer zwischen den Nationen verliehen bekommen. Till Scholtz-Knobloch befragte Bischof Nossol nach seinen Erfahrungen als Mittler zwischen den Nationen in Schlesien und im Zeichen der Reformationsfeierlichkeiten als Mittler in der Ökumene.

Excellenz, Sie haben am 8. August Ihren 85. Geburtstag gefeiert. Fünf Tage später wurde an Ihrem Wohnort in Groß Stein (Kamien Slaski) bei Oppeln (Opole) der Namenstag des heiligen Hyazinths, des Patrons des dortigen Sanktuariums, gefeiert, in dem Sie sogar leben. Anlässlich dessen gab es ein Pontifikalamt zu Ihrem 60. Jahrestag der Priesterweihe, Ihrem 40. Jahrestag der Ernennung zum Bischof sowie Ihrem Geburtstag...

Alfons Nossol: Bitte ohne Excellenz, das verstellt die Dienerfunktion eines Bischofs. Das Pontifikalamt konnte ich damals selbst leiten. Geburtstage mag ich ansonsten aber einfach und schlicht. Im Allgemeinen ist mir die Zeit noch nie so schnell davongerannt wie jetzt. Man muss alt werden, um diese Erfahrung zu machen. Man hat fast zu gar nichts Zeit. Grade das stimmt mich etwas traurig.

Sie sind nicht losgelöst vom nationalen Dilemma Ihrer bis heute gemischtnationalen Herkunftsregion Oberschlesien zu betrachten, haben Helmut Kohl bei seinem Polenbesuch 1989 nach Schlesien eingeladen. Wie denken Sie 28 Jahre später über die Entwicklung seither?

Alfons Nossol: Im Großen und Ganzen kennt man sich als Nachbarn, lehnt sich gegenseitig auch nicht mehr apriorisch ab.
In dieser Hinsicht haben wir übrigens der deutschen Minderheit in Polen vieles zu verdanken, die eine Art Katalysator ist. Denn manche waren früher gewillt, im Denken und Definieren der Ost-West-Beziehungen Churchill nachzuahmen.Im Sinne: Ein guter Deutscher ist ein toter Deutscher. In dieser Hinsicht, so apriorisch negativ eingestellt zu sein, hat tatsächlich Altbundeskanzler Helmut Kohl durch seinen Vertrag über die Verträge zu nachbarschaftlichen, freundschaftlichen Beziehungen zusammen mit dem damaligen polnischen Premier Tadeusz Mazowiecki vieles getan.

Sie haben immer betont, dass drei Herzen in ihrer Brust schlagen: ein deutsches, eine polnisches und ein mährisches. Sind Sie damit nicht auch Wegbereiter der Begründung einer umstrittenen oberschlesischen Nationalität geworden? Denn das könnte eine dritte Option ja einschließen.

Alfons Nossol: Ein echter Oberschlesier müsste von vornherein Brücke sein wollen zwischen Ost und West. Der Westen war immer rationaler gestaltet, der Mensch des östlichen Kulturbereiches immer emotionaler. Einer meiner Freunde, der zu den vertriebenen Kresowiaki (Anm.: Vertriebener aus dem einstigen polnischen Ostgebieten) gezählt hat, Krzysztof Staniecki, war sehr radikal, wenn es darum ging. Er sagte, uns Schlesier betrachte er als Westler und: „Ihr im Westen habt Uhren und wir im Osten Zeit“. Wir haben uns gegenseitig ergänzt und das ist das herrliche bei der Ost-West-Beziehung. Uns Schlesiern hilft es auch, uns mit Europa zu identifizieren. Das sich vereinende Europa als Kultur- und Wertegemeinschaft ist das beste Antidotum gegen jedwede ethnische und nationale Einengung, die zum Nationalismus führt. In Sachen Nationalismus und Chauvinismus haben wir zu wenig von Johannes Paul II. gelernt; er hat uns doch belehrt, Patriotismus ist etwas großartiges, aber er muss eine Gestalt der Liebe und nicht des Hasses sein.

Im Reformationsjahr kommt man um die Ökumene nicht herum. Sie betonen, diese könne katholische Weite und Breit mit evangelischer Tiefe und orthodoxer Dynamik verbinden. Wie charakterisieren Sie die Elemente dieses Dreiklangs?

Alfons Nossol: Das Wort „Katholisch“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet allumfassend, es geht um die integrale Sicht der Breite und Weite, die nicht auf das eingeengt ist, was in der Heiligen Schrift vorhanden ist, sondern das was aus ihr folgt.
Die Heiligen, von denen die katholische Kirche spricht, sind auch ein Kommentar zum Evangelium. Besonders denke ich an Franziskus von Assisi. Die evangelische Tiefe ist eben das Wort Gottes. Beim II. Vatikanischen Konzil hat man neben dem Altar der Sakramente auch den Altar des Wortes aufgerichtet. Wir dürfen nie unsere Glaubensüberlegungen abstrakt und entfernt von der Offenbarung verwirklichen. Deswegen ist evangelische Tiefe notwendig. Historische Ereignisse lassen sich weder blutig noch unblutig wiederholen, aber sie lassen sich vergegenwärtigen, und zwar im Heiligen Geist. Und diese Elemente hat die orthodoxe Kirche so stark bis heute betont. Ich war 27 Jahre lang Mitglied der Dialogkommission auf Weltebene mit den Lutherischen Kirchen und habe viele Jahre die vierte Dialogphase mit den lutherischen Kirchen geleitet. Im Namen der Römisch-Katholischen Kirche habe ich sogar das Dokument über die Katholizität der Kirche unterzeichnet. Man ist zur Überzeugung gelangt, wir brauchen und sollten nicht die Einheit, sondern wir müssen das Getrenntsein begründen! Das ist unsere Sünde, die Sünde aller Christen. Alle Christen haben irgendwie Verrat am Evangelium geübt, und deswegen bin ich überzeugt, dass die Einheit der christlichen Kirchen tatsächlich eintreten wird; wie sie aussehen wird – als versöhnte Verschiedenheit, das wissen wir noch nicht.

Wie viele Oberschlesier in Polen dürften Sie die deutsche und polnische Staatsangehörigkeit haben. Beteiligen Sie sich an den Bundestagwahlen?

Alfons Nossol: Ich wurde schon einmal von Redakteuren gefragt, ob ich einen zweiten Pass hätte. „Ja“, sagte ich. „Und wie sieht er aus?“ Da habe ich sie in mein Büro gebeten und ihnen den Dienstpass des Vatikans gezeigt. Sie waren verwundert, denn sie glaubten, ich zeige ihnen den deutschen Pass. Aber diese Gunst durfte ich mir nicht leisten, denn ich durfte nicht Partei ergreifen. Ich hatte einfach allen zu dienen. Deswegen spreche ich nicht gern vom bischöflichen Dienstamt, sondern – vom Dienamt.

Till Scholtz-Knobloch / 08.11.2017

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