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Im LO 3000 mit den Fußballgrößen

Im LO 3000 mit  den Fußballgrößen

Zittau. In dieser Mission war der heute 80-Jährige in diesem langen Zeitraum einer von neun Busfahrern – nicht nur der ersten und zweiten Männermannschaft, sondern auch der Frauen und der Nachwuchskicker. In der Regel war Horst Scharf während der Saison aller zwei Wochen am Lenkrad im Einsatz, sprich auf Tour. „Wir waren mit Freude mit den Fußballern unterwegs und haben uns damit auch unseren Lebensunterhalt aufgebessert“, erinnert er sich. Die VEB Robur-Werke seien der Trägerbetrieb – heute als Hauptsponsor bezeichnet – der Fußballer gewesen. Die Fahrer für die Auswärtsspiele seien damals von der Abteilung Personenverkehr eingeteilt worden, die Horst Scharf von 1983 bis 1990 selbst leitete.

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Der Zittauer Fußball erlebte Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre seine Glanzzeiten. Foto: Archiv

Die Zittauer Fußballer trafen sich zu ihren Punktspielen in fremden Gefilden immer am Hauptwerk 1 in der Bahnhofstraße. In der Regel seien alle pünktlich gewesen, erzählt er. Es habe aber auch hin und wieder mal Ausnahmen gegeben – nämlich Kicker, die die Abfahrtszeit verpasst hätten. „Wer später als 15 Minuten kam, musste einen Obolus in die Mannschaftskasse einzahlen“, blickt er noch einmal zurück. Und er fügt hinzu: „Auf der Strecke sind dann noch einige Spieler zugestiegen.“

Horst Scharf steuerte in den Glanzzeiten des Zittauer Fußballs mit einem Robur-Bus der Marke LO 3000 mit ganz normalem Standard – Luxusausführungen gab es damals nicht –     unter anderem Auswärtsspiele     bei Energie Cottbus, bei Stahl Eisenhüttenstadt, bei Aktivist Schwarze Pumpe oder bei Stahl Riesa an: „Wir waren in der Regel – das Spiel eingeschlossen –  den ganzen Tag unterwegs.“ Mit an „Bord“ seien zum Beispiel Fußballgrößen wie Klaus Grebasch, Jürgen Seibt, Siegfried Sikora, Frank Leitzke, Uwe Liebert, Werner Peukert und die Gebrüder Wiedemann gewesen. Wie hoch deren Marktwert damals lag, vermag Horst Scharf heute nicht einzuschätzen. Das sei damals eine völlig andere Zeit gewesen.

„Die meisten Spieler waren als Maurer, Maler oder Handwerker in der Sportbrigade im VEB Robur Zittau beschäftigt und haben ein normales Gehalt vom Trägerbetrieb erhalten sowie eine moderate Siegprämie bei gewonnenen Spielen“, erzählt er. Mannschaftsleiter der ersten Männermannschaft war damals Elmar Günther und der der zweiten Mannschaft Hans Leubner. Für den Nachwuchsbereich war unter anderem Johann Stein zuständig.

Horst Scharf ist in all den Jahren aus Verantwortung gegenüber seinen Gästen im Bus immer ordentlich, vorausschauend und hochkonzentriert gefahren. Mit den Fußballern sei während der Fahrten kein Schwätzchen möglich gewesen. In einem Fall erinnert sich der langjährige Busfahrer an eine Reifenpanne auf der Heimfahrt: „Wenn uns das hinzu passiert wäre, wären wir zu spät zum Spiel gekommen.“ In einem anderen Fall sei einmal die Frontscheibe durch Steinschlag zu Bruch gegangen. „Trotzdem sind wir heil und pünktlich am Zielort angekommen“, erzählt er. Während der Punktspiele fieberte Horst Scharf – wie wohl auch alle seine anderen Kollegen – über 90 Minuten mit der Mannschaft mit und feuerte „seine Jungs“ an.

Die Laune bei den Spielern war natürlich nach Auswärtssiegen auf der Heimfahrt mit dem LO 3000 wesentlich besser als bei Niederlagen. Da stimmte der ein oder andere Kicker im Bus auch mal in die deutschen Schlager ein. Und beim turnusmäßigen Zwischenstopp in der Erntekranzbaude in Oppach zum Abendbrot tranken die Fußballer in gemütlicher Runde auch mal ein Bierchen mehr. Und wem dann auf den letzten Kilometern von Oppach nach Zittau im Bus die Blase drückte, der musste beim nächsten Auswärtsspiel damit rechnen, eine Runde zu schmeißen. „Wir waren eine sehr gute Gemeinschaft“, erzählt er.

Unvergessen sind für ihn auch die Sonderfahrten über mehrere Tage im Juli 1982 mit einem Ikarus mit der ersten Mannschaft von Robur Zittau ins Trainingslager nach Nessebar (Bulgarien) sowie mit der zweiten Mannschaft zum Saisonabschluss 1985 nach Karlsbad (Tschechien). Im Juni 1989 absolvierte Horst Scharf seine letzte Busfahrt zu einem Auswärtsspiel der Zittauer Kicker: „Ich habe anschließend aufgrund struktureller Veränderungen des Fuhrparks den Betrieb verlassen, bin in die Touristikbranche eingestiegen und habe später als selbstständiger Bus- und Reiseunternehmer weitergemacht – bis zum heutigen Tag. Die Jahre mit den Fußballern möchte ich in meinem Leben nicht missen.“

Steffen Linke / 30.05.2020

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