Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

Neuer PKP-Bahnhof symbolisiert das Bahnfiasko

Neuer PKP-Bahnhof symbolisiert das Bahnfiasko

Der Bahnhof Zgorzelec Miasto ist mit seinem Vorplatz derzeit noch ein wirklicher Schandfleck der Europastadt. Hier entsteht bald ein Neubau mit Einkaufszentrum. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Alternativer Text Infobild

Neben einer Zoohandlung ist der Fahrkartenverkauf am Bahnhof Zgorzelec Miasto seit Jahren ebenso unscheinbar wie ausladend in einem Container (rechts) untergebracht. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Einer der größten Schandflecke der Europastadt verschwindet. Der Bahnhof Zgorzelec Miasto entsteht mit Einkaufszentrum neu. Doch der Umbau dürfte in die Zeit fallen, in der Reisen von Görlitz gen Osten hier Umstiege erfordern. Schuld daran ist, dass Zgorzelec Miasto 2019 schon unter Fahrdraht ist, die deutsche Seite in drei Jahrzehnten der Einheit eine zügige Elektrifizierung jedoch sträflich verbummelt hat.

Görlitz. Der polnische Investor Metropolitan Investment S.A. (AG) hat die Ruine des Bahnhofs Zgorzelec Miasto mit dem anliegenden Areal nach einer Ausschreibung der polnischen Stadtverwaltung gekauft und plant nun an der Kreuzung der ul. Traugutta und ul. Tuwima hinter McDonalds den Bau des sogenannten Metro-Park-Zgorzelec-Einkaufszentrums.
Das Projekt sieht den Abriss des Bahnhofs und den Bau eines 3.100 m² großen Einkaufszentrums vor, in dem auch ein Reisezentrum mit Fahrkartenautomaten und Wartesaal zu finden sein wird.
Bislang müssen die Reisenden Bahnfahrkarten außerhalb der Ruine des profanen, erst nach dem Krieg entstandenen Bahnhofsgebäudes in einem gegenüberliegenden unansehnlichen Container erwerben. Auch manche Zugreisende aus Deutschland steuern den Container an, da zahlreiche Fahrkarten innerhalb Polens oder zum Beispiel grenzüberschreitend das Euro-Neisse-Ticket hier deutlich günstiger als an den Schaltern in Deutschland erworben werden können. Der nächstgelegene Schalter der Koleje Dolnoslaskie (Niederschlesische Bahnen) befindet sich erst in Bunzlau (Boleslawiec).
Zudem wird derzeit überlegt, im umzugestaltenden Areal am Bahnhof Zgorzelec Miasto einen zentralen Omnibusbahnhof für den lokalen und überregionalen Busverkehr einzurichten. Der Investor hat bislang unter anderem bereits die Metro-Parks in Weichsel (Wisla) in den Schlesischen Beskiden und in Biala Podlaska im Nordosten des Landes gebaut.

Verbindungen nach Tschechien besser als nach Polen

Allerdings bleibt im grenzüberschreitenden Verkehr das Angebot überschaubar. Seit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2018 gibt es gerade einmal 26 Zugverbindungen täglich, die über die deutsch-polnische Grenze führen. Dagegen gibt es nur eine grenzüberschreitende Buslinie. Und diese verbindet auch nur innerstädtisch beide Teile von Görlitz, fährt als Schnittpunkt dabei übrigens auch den Bahnhof Zgorzelec Miasto an – lästigerweise jedoch, ohne zum Tarifgebiet von Straßenbahnen und Bussen der Europastadt zu gehören.

Ganz anders das Angebot in Richtung Tschechien. Die tschechische Reichenberger Region (Liberecky Kraj) und die Aussiger Region (Ustecky Kraj) sind nämlich in das Vergabeverfahren „Ostsachsennetz“ eingebunden. Die grenzüberschreitenden Zugverbindungen sind damit gesetzt. Auch im Busverkehr gibt es schon einige Angebote mehr. Die Zusammenarbeit mit den polnischen Partnern gestaltet sich jedoch weitaus schwieriger, selbst wenn sich in Sachen der durchgängigen Elektrifizierung von Breslau nach Dresden derzeit die deutsche Seite blamiert, während sich Zgorzelec Miasto unabhängig des Umbaus des Bahnhofs schon zum 21. Dezember 2019 von Kohlfurt (Wegliniec) aus unter Fahrdraht befinden wird.

Durchgängiger Verkehr scheitert an 800 m Oberleitung

Doch diese Strecke wird künftig an der Nahtstelle beider Staaten dadurch unterbrochen, dass die deutschen Fahrgäste aufgrund fehlender Oberleitung über das Neißeviadukt mindestens ein Jahrzehnt lang erst einmal die Bahnhöfe Zgorzelec (Görlitz-Moys) oder eben Zgorzelec Miasto ansteuern müssen. Die zermürbend langen Verfahren in Deutschland sind hierfür der Hauptgrund. Die polnischen Partner konnten Ende Mai 2018 bei einer Konferenz im Görlitzer Bahnhof zur Elektrifizierung nur mit dem Kopf schütteln. Man sah in gequälte Gesichter, denen das volle Ausmaß des Fiaskos erst hier bewusst wurde, zumal es am Ende letztlich um 800 Meter Oberleitung geht. Doch allein aufgrund unterschiedlicher Stromsysteme ist das Unterfangen der Elektrifizierung des Görlitzer Bahnhofs ein technisch ungewöhnlich anspruchsvolles Unterfangen. Wenn alles perfekt läuft ist frühestens 2027 die Lücke geschlossen! Da Polen 2022 auch die Abzweigung nach Lauban (Luban Slaski) elektrifiziert haben will, gäbe es dann aus Deutschland überhaupt keinen durchgehenden Verkehr mehr über das Neißeviadukt!

Polnische Züge schneller als die deutschen

Das Marschallamt Niederschlesien will hingegen spätestens im Dezember 2019 die bestehende, bereits elektrifizierte Strecke Breslau-Kohlfurt verlängern. Aufgrund moderner Fahrzeuge, die 160 km/h fahren können, wird sich die Reisezeit verkürzen. Auch deshalb ist die Bedienung der Strecke mit den derzeitig verkehrenden Dieselfahrzeugen des Typs Desiro (VT 642), die nur eine Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h erreichen, nicht mehr sinnvoll. Zudem ist die Bestellung der Züge für die polnische Seite deutlich teurer als die alternative Bestellung der elektrischen Züge bei den polnischen Verkehrsunternehmen. Der ZVON geht demzufolge davon auch, dass ab Dezember 2019 Zgorzelec zum Umstiegsbahnhof wird. Solange der Bahnhof Görlitz von polnischer Seite aus nicht elektrifiziert werden kann, wird das auch so bleiben. Und diese unangenehme Phase dürfte nun auch in die Phase des Umbaus des Bahnhofs Zgorzelec Miasto fallen!
Der Zweckverband Oberlausitz-Niederschlesien (ZVON) teilte bezüglich des Umstiegsdilemmas mit: „Nun gilt es im Rahmen des Projektes ’Transborder’ gemeinsam mit den polnischen Verkehrsunternehmen und dem Marschallamt nach Lösungen zu suchen, damit die Umstiege für den Fahrgast möglichst reibungslos und in alle Richtungen funktionieren. Auch die finanziellen Auswirkungen müssen betrachtet werden.“
Fast entschuldigend wird darauf hingewiesen, dass grenzüberschreitende Verkehrsverbindungen in Mitteleuropa oft nur unzureichend ausgebaut seien. Die Verbesserung der Erreichbarkeit von peripheren Grenzregionen an das gesamteuropäische Kernnetz (TEN-T Netz) stelle eine große Herausforderung in Mitteleuropa dar. „Trans-Borders“ soll nun untersuchen, wie die Erreichbarkeit peripherer Grenzregionen, sowohl mit dem transeuropäischen Verkehrsnetz – über nächstgelegene Netzknoten –, als auch innerhalb der nationalen Netze durch „eine abgestimmte grenzüberschreitende, intermodale und umweltfreundliche Mobilität“ verbessert werden kann.

Fahrkarten abseits des Fernverkehrs teuer

Was hier funktional klingt hat jedoch mehr Widrigkeiten als das reine Netz. Görlitz leidet insbesondere unter attraktiven Angeboten, da es nicht an den Fernverkehr angeschlossen ist. Wenn durch zahlreiche Sonderaktionen der Deutschen Bahn Fahrkarten von Frankfurt nach München oder von Köln nach Hamburg mitunter für 19 Euro über den Tresen gehen, wird der Görlitzer Bahnfahrer schon dadurch von der Nutzung der Bahn abgeschreckt, dass er erst einmal ein im Kilometerpreis um ein vielfach teureres Anschlussticket, mit dem er den Fernverkehr in Dresden, (zeitlich eingeschränkt) Cottbus oder Berlin erreichen kann, abgeschreckt. Die Möglichkeit des Erwerbs von Euro-Neiße-Tickets in Polen oder Tschechien ist da ein bescheidenes Trostpflaster, das viele Kunden auch aufgrund des Aufwands, zum Kauf erst über die Grenze fahren zu müssen, nicht nutzen.
Am Fahrkartendilemma dürfte auch das Projekt „Trans-Borders“ kaum etwas ändern, denn die Fahrpreise ergeben sich aus dem Prinzip, welche Gebietskörperschaften welche Leistungen bestellen und zu finanzieren haben. Ein Mithalten im Fernverkehrspreiskampf ist ohne parallele Fernverkehrsangebote damit quasi aussichtslos.
Im Projekt „Trans-Borders“ arbeiten neun Partner aus fünf mitteleuropäischen Ländern (Polen, Tschechien, Österreich, Slowenien und Deutschland) zusammen. Hier soll die interministerielle und ressortübergreifende Zusammenarbeit gestärkt und ein reibungsloser Entscheidungs- und Politikgestaltungsprozess zwischen grenzübergreifenden Regionen gewährleistet werden.
Die zu untersuchenden Modellregionen sind zum einen das Dreiländereck Deutschland (Sachsen), Tschechien (Reichenberger Region) und Polen (Niederschlesien) und zum anderen Österreich (Kärnten) und Slowenien. Man hat den Eindruck, dass mit solchen Bemühungen zähe Fortschritte im Nahverkehr möglich sind, man Görlitz im hier einst blühenden Fernverkehr jedoch fast schon aufgegeben hat.

Till Scholtz-Knobloch / 28.07.2018

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Kommentare zum Artikel "Neuer PKP-Bahnhof symbolisiert das Bahnfiasko"

Die in Kommentaren geäußerten Meinungen stimmen nicht unbedingt mit der Haltung der Redaktion überein.

  1. M schrieb am

    Um diese unsinnige Trennung Fernverkehr/Nahverkehr zu umgehen buche man einfach ein Stück Fernverkehr in die Verbindung: Die 5 Minuten Berlin-Ostbahnhof bis Ostkreuz mit IC und danach Regional nach Görlitz ist auch kurzfristig immer für 20-25 Euro zu bekommen! (mit Bahncard nochmal 25% Rabatt).

    Der nächste Schritt wäre, mal grenzüberschreitende Tickets zu normalen Preisen zu verkaufen - die polnischen Tickets sind ja prima online zu bekommen. Dann würden auch mal Leute ohne Bahn-Affinität die Strecke nutzen, so furchtbar schlecht ist die Verbindung trotz Nahverkehr ja selbst aktuell gar nicht.

  2. Railuser schrieb am

    Warum diese unsinnigen Bürokraten?

    So wird die EU nicht gut zusammen wachsen!

    Wenn es Werbung für "Güter auf die Schiene" sein soll, muß die Trasse, auch wegen Güterbahnhof Schlauroth in den vordringlichen Verkehrsbedarf! Bei Horka Weglienic klappt es doch auch!

    Warum dieser -Rückschlag-?

    Das wäre arbeit für eine der Regionen, die offenbar an der Wendezeit nicht gut weg gekommen ist! Auch dort werden Steuern gezahlt!
    Hier sind doch schon die Oberstdorfer und karlsruher Interregios gefahren. Jetzt wollen wir Leistung für uunser Geld sehen! Die späte Planung ist nicht gut für den dortigen Arbeitsmarkt, der schon prekär ist.Die Ingeniuere und Gleisbauer, sowie Hochspannungselektriker warten darauf, daß es los geht.

    Zumal zuerst geklärt werden muß, wo die Systemtrennstelle ist, wegen der unterschiedlichen Stromarten (Siehe Italien). Dort kommt in Genua das Hochspannungsnetz mit der Niedrigspannung zusammen. Sogar die Italiener sind da einen Deut leicht besser! Da kann man noch was lernen. Bitte die Dresden Görlitz strecke in der vordrinlichen Prioritätsbereich aufnehmen. Dasselbe auch für Görlitz-Cottbus!

    Es entlsatet doch die Strassen und die Lenkzeiten können eingehaltemn werden. Das wäre doch für die Grünen, die dafür kämpfen (Tarel al Wazir)

  3. Alleine 24 schrieb am

    wen die politik das projekt transborders finanziell mehr unterstützen würde und nicht milliarden für fremde und rüstungsprokekte verballern würde, hätte die region ostsachsen und niederschlesien grosse chancen mehr besucher nach görlitz und umgebung zu locken. natürlich fehlen attraktive preisangebote, weil fernverkehr fehlt.

  4. Railfriend schrieb am

    Die fehlende Elektrifizierung bleibt überflüssig, denn oberleitungsfreie Züge fahren problemlos über Stromsystemgrenzen hinweg.

    Das geht auch sauber und schnell: Mit H2-Brennstoffzellenantrieb und angeblich überholtem Diesel- oder Dieselhybridantrieb. Mit Power to Liquid (PtL)-Kraftstoff auf Grünstrombasis würde ein Dieselzug klimafreundlicher fahren als derzeit die Deutsche Bahn mit Oberleitung. Denn zwei Drittel des Bahnstroms kommen noch jahrelang aus Atom- und Kohlekraftwerken.

Weitere aktuelle Artikel