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Politik drängt auf unabhängige Messreihe

Politik drängt auf unabhängige Messreihe

Steht im Verdacht, Gebäudeschäden zu verursachen: der Steinbruch Pließkowitz. Dort erfolgen seit Jahren Sprengungen. Foto: Archiv

Malschwitz. An dem Beschluss wird nicht gerüttelt: Im Zusammenhang mit den Sprengungen im Steinbruch Pließkowitz ist eine weitere und unabhängige Messreihe durchzuführen. Das hat jetzt der für die Petition Pließkowitz zuständige Berichterstatter, Jörg Vieweg, auf Anfrage noch einmal klar gestellt. Er ist gleichzeitig Obmann des Petitionsausschusses für die SPD-Landtagsfraktion. „Beim Termin im Landtag im April wurde eine umfangreiche Liste an Maßnahmen vereinbart“, erklärte der Sozialdemokrat. „Darunter auch der ganz wichtige Punkt, dass es eine unabhängige Messreihe mit Unterstützung des SMUL und LfULG geben wird, um die Unabhängigkeit der Messungen zu gewährleisten. Diese Maßnahme ist auch eindeutig im Petitionsbericht verankert, den der Sächsische Landtag im Juli beschlossen hat.“ Und weiter: „Der Beschluss des Sächsischen Landtages gilt und muss umgesetzt werden.“

Den Stein des Anstoßes bildet ein Schriftwechsel zwischen dem Malschwitzer Bürgermeister Matthias Seidel, der seit geraumer Zeit der neu ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe Steinbruch vorsteht, und Christof Voigt, Abteilungsleiter Tagebau beim Sächsischen Oberbergamt (OBA). Auf die Frage des Gemeindeoberhauptes, ob das Angebot des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) noch stehe, eine Erschütterungsmessung zum Vergleich der bereits existierenden Messwerte aufzubauen, antwortete der OBA-Mitarbeiter unter anderem: „Eine dritte Messserie mit hohen Kosten für den Steuerzahler anzusetzen, die dann durch rhetorisch begabte Bürger genauso angezweifelt und als wertlos dargestellt wird, erscheint mir kaum zu verantworten.“ Weiterhin ließ er wissen: „Pro Stein hat gutachterlich – sowohl mit Sprenggutachten wie auch der Rissbegutachtung – nachgewiesen, dass die monierten Risse nicht von den Sprengungen verursacht wurden... Aus meiner Sicht sollte daher durch vorherige Absprachen mit Ihnen und der hinter Ihnen stehenden Arbeitsgruppe geklärt werden, inwieweit eine weitere unabhängige Messung durch das LfULG hier überhaupt zur Befriedung beitragen kann.“

Die Empörung in den Reihen der Bürgerinitiative (BI) ist groß: „Das Oberbergamt versucht diese unabhängigen Messungen unter allen Umständen schon vor deren Einsatz zu stoppen. Dabei weiß die Behörde aufgrund eigener Erfahrungen um die Auswirkungen der Sprengungen. Während eines Besuches bei Betroffenen in Kleinbautzen erlebten Mitar-beiter des OBA selbst, wie stark die Detonationen im Umfeld des Tagebaus sind.“ Das im Jahr 2017 erarbeitete Gutachten eines geotechnischen Sachverständigenbüros schließt jedoch jede Schadensbildung aus. Daran gibt es nunmehr Zweifel. Deshalb hatte sich der Petitionsausschuss auch auf eine unabhängige Messreihe verständigt. „Sollte das Oberbergamt den Aufgaben nicht nachkommen beziehungsweise versuchen, Teile des Beschlusses nachträglich zu untergraben, habe ich kein Problem damit, die Herren noch einmal im Ausschuss antreten zu lassen“, betonte Jörg Vieweg. „Es kann nicht angehen, dass ein geltender Beschluss nun verwässert werden soll. Die im Bericht niedergelegten Maßnahmen wurden in einem langen und aufwendigen Verfahren vereinbart. Diese müssen jetzt angegangen werden.“ Das Oberbergamt sollte schnellstmöglich seinen Teil der Maßnahmen erfüllen und sich kooperativ verhalten, anstatt zu versuchen, die Maßnahmeliste nachträglich zu entschärfen, hieß es weiter. „Ich werde den Fall mit größter Aufmerksamkeit verfolgen und der Petitionsausschuss wird sich im Zweifelsfall erneut damit beschäftigen.“

Zuvor jedoch muss das Landesumweltamt noch seine Hausaufgaben erledigen. Bis Ende August will es dem Oberbergamt das Resultat der Prüfung von besagtem Sprenggutachten vorlegen. Bis zu Wochenbeginn war die Untersuchung noch nicht angelaufen, wie eine LfULG-Sprecherin mitteilte. Auch sie ließ offen, ob es perspektivisch eine unabhängige Messreihe gibt. „Das wird auf Grundlage der Ergebnisse der durch das LfULG durchgeführten Prüfung der laufenden Erschütterungsmessungen in Abstimmung mit dem SMUL und OBA zu entscheiden sein.“ Inzwischen befasst sich auch die Berliner Politik mit den Vorgängen im Bautzener Umland. Einem Beschluss des Sächsischen Landtages zufolge soll der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages der Frage nachgehen, inwieweit eine Novellierung des aus den dreißiger Jahren stammenden Bundesbergrechts notwendig und umsetzbar ist. Käme es zu einer Gesetzesänderung, müssten nicht mehr die betroffenen Bürger die Beweislast tragen, sondern das jeweilige Bergbauunternehmen. Im Fall Steinbruch Pließkowitz wäre der Tagebaubetreiber dazu gezwungen, entsprechende Beweise zu erbringen, dass die Schäden an inzwischen zahlreichen Gebäuden nicht durch die von ihm ausgelösten Sprengungen entstehen.

Ungeachtet dessen bahnt sich offenbar eine erste Annäherung zwischen der neuen Pro Stein-Führung und der Protestbewegung an. Wie die BI erklärte, besteht für die Bürger rings um den Steinbruch wieder die Möglichkeit, Schüttgut im Steinbruch Pließkowitz zu holen. „Der Boykott wurde durch den neuen Geschäftsführer beendet. Das ist ein wichtiges Zeichen für die hier lebenden Menschen. Denn alle, die Material am Steinbruch holen wollten, wurden zuletzt wegen der ‚Untaten’ der BI abgewiesen.“

Die in Freiberg ansässige Aufsichtsbehörde hingegen will den Vorwurf der Einflußnahme so nicht stehen lassen. „Die Behauptung, das Sächsische Oberbergamt würde gegen die Durchführung unabhängiger Erschütterungsmessungen durch das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie intervenieren, ist nicht zutreffend“, ließ OBA-Chef Bernhard Cramer auf Anfrage wissen. „Von den Sprengungen im Steinbruch werden auch weiterhin spürbare Auswirkungen ausgehen, auch wenn diese fach- und ordnungsgemäß durchgeführt werden und die Erschütterungen unter den Anhaltswerten der DIN 4150-3 ‚Erschütterungen im Bauwesen - Einwirkungen auf bauliche Anlagen’ bleiben. Die Regulierung der Gebäudeschäden ist nach der geltenden Rechtslage privatrechtlich zwischen den geschädigten Hauseigentümern und dem mutmaßlichen Schadensverursacher zu klären.“ Und er fügte hinzu: „Das Staubschutzkonzept des Steinbruchs Pließkowitz ist fast vollständig umgesetzt, dies bewirkt nach Kenntnis im OBA eine deutliche Reduzierung der Staubemissionen aus dem Tagebau. Auch der Verzicht auf die nächtliche Produktion stellt eine von Anwohnern bestätigte Verbesserung der Lebensqualität dar.“

Roland Kaiser / 19.08.2019

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