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Telefonseelsorge: Einfach mal eine andere Meinung hören

Telefonseelsorge: Einfach mal eine andere Meinung hören

Nicole Hackel ist auf der Suche nach ehrenamtlichen Kräften, die die Telefonseesorge verstärken. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Görlitz. 0.38 Uhr. „Heute geht es mir gut. Meine Katze ist wieder da...“, sagt eine 75-jährige Frau und erzählt von ihrem Stubentiger, der sie in Trauer um die Beziehung zu ihrer Tochter tröstet. Diese hätte vor drei Jahren den Kontakt zu ihr abgebrochen. Ein solcher Anruf, der unter 0800/1110111 oder 0800/1110222 kostenfrei, anonym und rund um die Uhr die Ökumenische Telefonseelsorge Oberlausitz erreichen kann, sei Alltag, berichtet Nicole Hackel, die die Telefonseelsorge bei der Diakonie Bautzen für die Region koordiniert.

Im Gespräch erfahren die Anrufenden menschliche Nähe, Zuwendung und Anstoß zu neuem Lebensmut. „Die Telefonseelsorge kann die Probleme sicher nicht lösen. Aber sie kann vielleicht dabei helfen, dass Sie es selbst schaffen“, ist sich Nicole Hackel sicher.
Das habe in all den Jahren, in denen sie die 85 bis 90 ehrenamltichen Kräfte an den Standorten Görlitz und Bautzen koordiniert habe, meist gut funktioniert. Lediglich einige sexuell missbräuchliche Anrufe stören hin und wieder die Arbeit.

Die Helfer sind Menschen, die in besonderer Weise über seine Sorgen und Probleme unvoreingenommen sprechen können. Indem jemand einfach zuhört, antwortet, nachfragt, erleben sich viele Anrufende wieder als lebendig und entdecken, dass Kräfte in ihnen stecken. Oft sei dies ein erster Schritt zu einer Problemlösung. Die Helfer agieren nicht vom heimischen Telefon, sondern einer geheimen Wohnung mit einer kleinen Küche, Bett, Bad und Dusche aus, so dass sie in ihrem Ehrenamt nicht durch private Verpflichtungen abgelenkt sind. Nicole Hackel berichtet, dass den Helfern auch kein Computer zur Verfügung stehe, über den etwaige Reaktionen ergoogelt werden könnten. Ohnehin erfolgen keine Rechtsberatungen oder medizinischen Hinweise. Das Zuhören und die Reaktion der Helfer am Telefon sei damit sehr persönlich und authentisch. Auch bereitliegende Taschentücher „zum Mitweinen“ nutzen einige Helfer immer einmal wieder. Ein privater Kontakt zwischen Helfern und Anrufern sei allerdings tabu, da in diesem Fall eine nötige Distanz nicht möglich sein.

Zwar sei statt eines rein sachlichen Umgangs mit einem Problem bei einem Helfer wichtig, dass dieser Empathie entwickeln könne, aber in Extremsituationen – etwa wenn ein Anrufer davon spricht, einziger Überlebender eines Unfalls zu sein – müsse ein Helfer selbst zu einer Reaktion im Stande sein. „Wenn sich jemand als ehrenamtlicher Helfer bewirbt und davon spricht, dass bei Problemen schon immer jeder zu ihm gekommen sei, muss ich als Koordinatorin auch etwas vorsichtig sein“. Die ehrenamtliche Arbeit findet in Vier-Stunden-Schichten statt, wobei auch zwei aufeinanderfolgende Schichten übernommen werden können.

Wer den Wunsch hat, in der Telefonseelsorge an einem der beiden Standorte Bautzen oder Görlitz ehrenamtlich tätig zu werden, kann sich bei einem Infoabend bei der Caritas am Wilhelmsplatz 2 in Görlitz am 23. Oktober ab 19.00 Uhr informieren oder auch einen Fragebogen ausfüllen, der auf der Homepage der Diakonie Bautzen „Ausbildung Telefonseelsorge 2019“ zu finden ist. Am 10. November gibt es dann einen Anschlusstag mit vielen Gesprächen zur Findung der Bewerber, die an einer Schulung teilnehmen. Weitere Infos unter Tel.: 03591/481660 oder per E-Mail unter telefonseelsorge@diakonie-bautzen.de.

Till Scholtz-Knobloch / 23.10.2018

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