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Zur Vogelhochzeit lernen, das Böse zu überwinden

Zur Vogelhochzeit lernen, das Böse zu überwinden

Zum diesjährigen Vogelhochzeitsprogramm wird im Sorbischen Nationalensemble die sorbische Oper „Jakub a Kata“ in einer neu bearbeiteten Fassung präsentiert. Foto: Benjamin Vogt

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Dei rund 170 Jährige Oper von Zeijler und Kocor wurde für die diesjährige Vogelhochzeit neu eingekleidet. Foto: B. Vogt

Die letzten Jahre war es nicht nur zur Vogelhochzeit erschwert, die Traditionen zu pflegen. Das hat neben vielen negativen Seiten vielleicht aber auch dazu geführt, dass sich in gewisser Weise kreatives Potenzial angestaut hat. Zum diesjährigen Vogelhochzeitsprogramm bricht sich dieses nun Bahn.

Bautzen. Viele Dinge und Besonderheiten zeichnen die Oberlausitz aus. Und für viele ist sie dadurch auch überregional bekannt. Andere spielen sich wirklich eher regional ab, ohne dass der Rest der Welt davon groß Notiz nimmt. Die Vogelhochzeit darf man wohl dazu zählen. Das bekannte Lied darüber ist zwar auch im Rest von Deutschland bekannt, nicht zuletzt durch die Interpretation durch Otto Walkes, aber die „reine“ Tradition spielt sich doch sehr begrenzt in den sorbischen Gebieten der Oberlausitz ab.

So verwundert es nicht, dass ein Zentrum für die Feierlichkeiten zur Vogelhochzeit das Sorbische Nationalensemble ist. Hier werden nach einer zweijährigen Pause nun wieder wie gewohnt zwei Hochzeiten gefeiert: die für Kinder und die für Erwachsene. Beide bleiben dabei nicht im reinen Abspiel der Tradition stehen, sondern wollen auch die Metaebene beleuchten. 

Die Kindervogelhochzeit wartet hierbei mit einem Kosmos auf, der nicht nur für die „Kleinen“ relevant ist, handelt es sich doch im eine kleine Romeo-und-Julia-Geschichte, wie Kristina Nerad, die das Stück als Regieassistentin begleitet hat, erläutert. Denn wie in dem berühmten Werk von William Shakespeare gibt es auch hier zwei verfeindete Familien, deren Versöhnung dort beginnt, wo der Nachwuchs sich der Logik von „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ widersetzt und durch Liebe den Hass überwindet. Anders allerdings als bei dem Drama des englischen Meisters geht die Geschichte von „Flieg mit mir“ gut aus. Auch ist sie kindgerecht gestaltet und hat „den einen oder anderen Ohrwurm parat“, wie Kristina Nerad betont. 

Das Stück sei „voll kleiner Weisheiten“, die wohl auch eine Erkenntnis vermitteln wollen, nämlich dass es besser sei, sich „nicht den Schädel einzuschlagen, ohne vorher miteinander zu reden“. Das Stück wird insgesamt elf mal aufgeführt und das in vier Sprachvarianten, was die Künstler vor eine gewisse Herausforderung stellt. Der große Teil wird dabei im Rahmen von Schulveranstaltungen gespielt, am Donnerstag, 26. Januar, wird aber auch um 17.00 Uhr eine Familienvorstellung im Ensemble gegeben.

Auch die Abendvogelhochzeit für Erwachsene ist in diesem Jahr etwas Besonderes. Diese sollte programmtechnisch eigentlich schon im letzten Jahr stattfinden, welches kulturell ja ganz im Zeichen des Zeijler-Kocor-Jubiläums stand und so bildet die Komische Oper „Jakub a Kata“, die von Handrij Zeijler verfasst ist und die einzige sorbische Oper darstellt, die Grundlage für die diesjährige Abendvogelhochzeit. Liana Bertok hat diese instrumentiert und erweitert, um den Anforderungen des Hauses Rechnung zu tragen. So wurde es mit Balettmusiken von Kocor erweitert und von Jewa-Marja Cornakec mit modernen Dialogen ergänzt. Inhaltlich geht es natürlich auch hier um eine Hochzeitsgeschichte, allerdings einer mit großen Brüchen, die, begleitet von der kraftvollen Musik Kocors, eine erstaunlich aktuelle Erzählung über Nähe, Entfremdung und Wiederkehr darstellt. Das letzte Mal wurde die Oper übrigens vor mehr als 30 Jahren aufgeführt. Nun feiert dieses seltene Stück sorbischer Bühnen- und Musikgeschichte in neuer Form seine Wiederkehr.

Vielleicht darf man die Gelegenheit nutzen, darüber nachdenken, was eigentlich hinter dem Brauchtum der Vogelhochzeit steht. Denn auch wenn die konkrete Ausformung der Tradition sehr regional geprägt ist, steckt doch dahinter oft ein allgemeinmenschliches Moment, das durch seine konkrete kulturelle Ausprägung erfahrbar wird. Im Kindergarten haben viele gelernt, dass sich zur Vogelhochzeit die Vögel bei den Menschen bedanken, da diese sie in den harten Wintermonaten mit Nahrung versorgt haben. Interessant dabei ist, dass das gute Tun, nämlich das Füttern der Vögel, nicht aus einer Pflicht heraus geschieht, sondern aus dem eigenen Wert, den dieses Handeln hat. Die Menschen erhalten ja keinen Lohn für eine geleistete Arbeit, sondern der Dank kommt in einer unverfügbaren Form auf sie zurück. Es gibt dabei kein Recht auf die Süßigkeiten. Es ist eine Form von Geben und Empfangen, die im heutigen Konsumkreislauf wenig Platz hat, aber dennoch ein menschliches Kontinuum und auch Bedürfnis zu sein scheint. Vielleicht darf man in der aktuellen Situation diese Gedanken aus der Feier der Vogelhochzeit mitnehmen. Dass es sich lohnt, ohne Verpflichtung zu geben und zu helfen, ohne den Dank dafür zu berechnen, kommt dieser doch sicher, aber nicht so, wie erwartet. Und dass wie bei dem diesjährigen Programm der Vogelhochzeiten auch zwischen den Menschen Zukunft entstehen kann, wenn das Moment des reinen Rechts überragt wird von Umkehr und Liebe.

Benjamin Vogt / 21.01.2023

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