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Zwei neue Damen wohnen nun im Bautzener Museum

Zwei neue Damen wohnen nun im Bautzener Museum

Die Skulptur „Stehende“ von Siegfried Schreiber begrüßt nun die Besucher des Bautzener Museums. Ophelia Rehor (rechts) erläuterte die Besonderheiten des Werkes, während Rosemarie Schreiber (links) Abschied von diesem Werk ihres Mannes nahm. Foto: BV

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Die Skulptur „Teilfassung des Mädchentorsos mit gesenktem Kopf (Reni)“ steht nun ebenfalls im Bautzener Museum. Foto: Benjamin Vogt

Der Bildhauer Siegfried Schreiber gilt als einer der bekanntesten Oberlausitzer Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auch durch die Folgen seiner Arbeit war ihm allerdings nur ein recht kurzes Leben beschieden. Dass zwei Werke seiner Schaffenszeit jetzt in Bautzen stehen, hängt vor allem mit einer Person zusammen. 

Bautzen. Wer war Siegfried Schreiber? Auch wenn er in der Kunstszene wohl kein Unbekannter ist, soll er doch kurz vorgestellt werden, damit auch alle wissen, um wen es eigentlich geht. Geboren am 1. Januar 1928 in Bertsdorf bei Zittau, lernte er zunächst, mitten im Krieg, den Beruf des Dekorationsmalers. Im Anschluss hatte er ab 1948 die Gelegenheit, in Weimar und Dresden zu studieren. Nach vier Jahren brach er allerdings alle Studien ab und arbeitete mehrere Jahre in Bayern als Forstarbeiter. Als er dann 1955 seine Frau Rosemarie heiratete, zog es ihn wohl wieder in heimatliche Gefilde, und so war er ab 1956 wieder in Bertsdorf tätig. 

Wenn man seine Frau Rosemarie, die von vielen „Rosel“ genannt wird, fragt, wie das denn so war, als das junge Paar am Rand der Republik anfing, er auch noch als Künstler in einem Metier, dass nicht nur wegen der Materialknappheit einige Herausforderungen mit sich brachte, kommt als Antwort zunächst ein Wort: „Mühsam“. Aber von all den Schwierigkeiten ließen sich die Beiden nicht unterkriegen. Sie arbeitete als Lehrerin und konnte dadurch mit ihrem Verdienst ihrem Mann den Rücken freihalten. Dieser arbeitete als Zeichenlehrer, war aber hauptsächlich mit seiner Kunst beschäftigt. Und das bedeutete die ersten Jahre in Bertsdorf vor allem auch: Aufbau. Weil Schreiber noch nicht die Möglichkeit hatte, selber zu gießen, war nach den Aussagen seiner Frau die ersteZeit vor allem der Malerei gewidmet. Nebenbei wurde Stück für Stück gebaut, die Technik herbeigeschafft und immer wieder improvisiert. Eine wichtige Unterstützung war bei dem Aufbau der eigenen Gießerei wohl der Dorfschmied, wie Schreibers Sohn, Toni Schreiber, erzählt. 

Dieser schuf in Eigenleistung viele Werkzeuge und dergleichen und war so für den Künstler ein Glücksfall. 
Neben dem Aufbau und der Weiterentwicklung von Atelier und Werkstatt hatte Siegfried Schreiber aber auch immer noch eine zweite große Leidenschaft: den Sport, besonders den Wintersport. So war er immer aktiver Skiläufer und Skilehrer. Dabei war der Sport für Ihn wohl immer eine Lebenshaltung, wehrte er sich dochzeitlebens gegen ein eigenes Auto, schätzte aber sein Rennrad, was man sich noch heute in Bertsdorf besehen kann. 

Nach der ersten Aufbauzeit entstanden dann in Bertsdorf seine ersten Plastiken. Zuerst recht klein, später wurden sie dann mit voranschreitendem Ausbau der Werkstatt immer größer. Seit 1957 konnte er dann auch schon an Ausstellungen teilnehmen und bereits 1958 erhielt er seinen ersten Preis, den „Preis des Kleinplastikwettbewerbs des Verbandes Bildender Künstler in der DDR“. In den folgenden 30 Jahren folgten noch einige weitere Auszeichnungen, neben ziemlich hoch angesetzten wie dem Kunstpreis der DRR auch solche, die dem heutigen Ohr schon wieder etwas fremd erscheinen, so etwa der „Kunstpreis des Edelstahlwerkes Freital“. Wohl auch wegen den ständigen Belastungen mit Gussdämpfen, Blei und Ähnlichem war dem Künstler allerdings eine recht beschränkte Frist gesetzt. Am 22. September 1988 starb Siegfried Schreiber. 

Dass sein Werk nicht dasselbe Schicksal ereilt hat, ist vor allem einer Person zu verdanken: Rosemarie „Rosel“ Schreiber. Seit dem Tod ihres Mannes bewahrt und hütet sie unermüdlich dessen künstlerisches Erbe. Dabei betont die zierliche Dame mehrfach, dass diese Tätigkeit für sie keine Belastung darstellt, sondern sie eher antreibt, immer weiter zu machen. Aber natürlich steht der Gedanke im Raum, wie es mit den Hinterlassenschaften ihres Mannes einmal weitergeht. Zwar sind auch die Kinder aktiv bei der Pflege des Werkes, aber die Familie gibt selber zu, dass sie nicht weiß, wie es um die Zukunft, auch der Werkstatt, bestellt ist. Und so dürfen sich auch immer wieder gesellschaftliche Institutionen über Schenkungen freuen. Wie jetzt das Bautzener Museum. 
Konkret geht es dabei um die zwei Skulpturen „Stehende“ (Rosel II) aus dem Jahr 1986 und die „Teilfassung eines Mädchentorsos mit gesenktem Kopf (Reni)“ aus dem Jahre 1980. Erstgenannte begrüßt nun im Treppenaufgang die Besucher des Bautzener Museums, welches bereits einige kleinere Figuren und Figurengruppen Schreibers zu seinem Bestand zählt. Rosemarie Schreiber zeigte sich bei der offiziellen Schenkung überzeugt, dass damit ein guter Platz für die zwei Skulpturen gefunden ist. Ophelia Rehor erläuterte bei dem Rundgang sehr eindrucksvoll die Besonderheiten der Werke und betonte besonders die herausragenden anatomischen Beobachtungen, die sich in diesen Stücken wiederfinden. 

Bautzen ist nun um diese zwei Nachweise des künstlerischen Schaffens eines Oberlausitzer Künstlers reicher. Sie zeugen nicht nur von der Einbettung der von außen gern als recht provinziell belächelten Region in die großen Gedankenströme der Kunst im zwanzigsten Jahrhundert, sondern erzählen auch eine berührende Geschichte von einem Künstler und seinem Werk, von Improvisation und Schaffenskraft, von einer Ehe, die durch die Mühsal getragen hat und von einer Liebe, die über den Tod hinaus geht. 

Benjamin Vogt / 28.01.2023

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