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„Zwischenstopp“ in der Gewahrsamszelle

„Zwischenstopp“ in der Gewahrsamszelle

Die Gewahrsamszellen in der Bundespolizeiinspektion Ebersbach sind mit Fußbodenheizung und Mehrfachlüftung ausgestattet . Darin befinden sich Liegeflächen aus Beton und einer Matratze bzw. lange Holzbänke. Foto: Bundespolizeiinspektion Ebersbach

Fast täglich befinden sich in Gewahrsam genommene Menschen in der Dienststelle der Bundespolizeiinspektion Ebersbach. Für diese „Zwischenstopps“ gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Dass alle vier Zellen zugleich genutzt werden müssen, ist jedoch selten und mehr oder weniger bei Aufgriffen von größeren Schleusungen der Fall.

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Die Zellentür von außen. In der Bundespolizeiinspektion Ebersbach gibt es insgesamt zwei Einzel- und zwei Gruppenzellen. Foto: Bundespolizeiinspektion Ebersbach

Ebersbach-Neugersdorf. Ein gesuchter Dieb, der im Trilex und in der Polizeizelle randaliert hatte, verbrachte am 23. September die Nacht in einer Zelle der Bundespolizei. Diesen Fall führt Alfred Klaner, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Ebersbach, als ein Beispiel für den Aufenthalt in Gewahrsam an. Zuvor habe er immer wieder die Beamten beleidigt und sei auch mit einem Atemalkoholtest nicht einverstanden gewesen. Daraufhin sei eine ärztliche Blutentnahme zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration angeordnet worden.

Die Nacht in der Zelle der Bundespolizei blieb nicht folgenlos. Der Festgenommene zerstörte die Auflage seiner Matratze und klopfte ständig gegen Fenster und Türen. Am Tag darauf wurde er zur Verbüßung einer insgesamt 35-tägigen Ersatzfreiheitsstrafe an die Justizvollzugsanstalt Görlitz übergeben.

Bei in Gewahrsam genommenen Menschen handelt es sich aber nicht um ein bestimmtes Klientel. „Wir können diese Personen auch nicht an Äußerlichkeiten oder anderen Merkmalen festmachen. Es kann sich sowohl um einen gepflegten Geschäftsmann als auch um einen mittellosen Menschen handeln, der eine halbe Weltreise hinter sich hat“, erklärt Alfred Klaner.

Die Bundespolizei nimmt auch hilflose Menschen in Schutzgewahrsam. Per Haftbefehl gesuchte Straftäter werden verhaftet, Schleuser in vielen Fällen vorläufig festgenommen. Unerlaubt eingereiste Drittstaatsangehörige werden in Gewahrsam genommen, um deren Identität und Aufenthaltsstatus zu prüfen.

Hierbei handelt es sich um unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen, um einen Menschen polizeilich festzuhalten. Allen gemein ist ein Aufenthalt in einer Polizeizelle mit einer Dauer von bis zu maximal 48 Stunden.

Die Menschen in Polizeigewahrsam reagieren teilweise sehr differenziert. Viele Flüchtlinge zum Beispiel sind froh, nach einer langen strapaziösen Reise aufgegriffen zu werden. Schwarzarbeiter aus der Ukraine halten sich ebenfalls unerlaubt im Bundesgebiet auf, wollen hingegen aber keinen Zwischenstopp bei der Bundespolizei einlegen. Sie nutzen die BAB 4 als Transitstrecke in ihre Heimat. Gesuchte Straftäter verbringen ihre Zeit ebenfalls ungern in einer Polizeizelle, verbinden sie dies doch häufig mit einem längeren Aufenthalt in einer hiesigen Justizvollzugsanstalt. Hier wechseln sich laut weiteren Informationen von Alfred Klaner Freude und tiefe Enttäuschung ständig ab. In den meisten Fällen würden die Menschen jedoch ohne größeren Widerstand reagieren.

Und wie und in welcher Form „packt“ die Bundespolizei die Personen an, die ihre Nächte in Gewahrsam verbringen müssen – auf die „liebevolle Art“ oder auch mal „kräftig zupackend“? „In den meisten Fällen reichen eindeutige Weisungen aus. Wir erklären den Betroffenen immer die Hintergründe des polizeilichen Handelns, nennen ihnen den Festhaltegrund und führen Rechtsbehelfsbelehrungen durch. Bei Fluchtgefahr legen wir den Personen vom Ergreifen bis zur Dienststelle Handschellen an“, antwortet er. In sehr seltenen Fällen müssten die polizeilichen Weisungen mit Zwang durchgesetzt werden. Die Person könnte dann unter diesen Umständen auch mit verriegeltem Arm bis in die Zelle geführt werden. „Schwierig kann es werden, einem Straftäter Fingerabdrücke abzunehmen, wenn er sich dagegen sperrt“, sagt er. Bei „Bedarf“ greift dann ein zweiter Kollege unterstützend ein.

Die zwei Einzelzellen mit jeweils acht Quadratmeter sowie die zwei Gruppenzellen mit 17 und 23 Quadratmeter Fläche sind mit Fußbodenheizung und Mehrfachlüftung ausgestattet. Darin befinden sich Liegeflächen aus Beton und einer Matratze bzw. lange Holzbänke. Die Gewahrsamszellen haben helle Betonwände und vergitterte Außenfenster. Die Toilettennutzung ist jederzeit unter Aufsicht von außen möglich. „Für eine Übernachtung geben wir Einmaldecken aus“, sagt er. Die betroffenen Personen erhalten drei Mahlzeiten am Tag. Hierbei handelt es sich meist um belegte Brote sowie Wasser, Tee oder Saft. Die Beamten sehen turnusmäßig immer wieder nach den Personen in den Zellen und nehmen Kontakt mit ihnen auf. Diese können außerdem über eine Klingel auf sich aufmerksam machen...

Die Bundespolizisten haben auch schon kuriose Anekdoten in Verbindung mit dem Aufenthalt in der Gewahrsamszelle erlebt. In einem länger zurückliegenden Fall sei eine hochschwangere Frau nach ihrer Einschleusung in Gewahrsam genommen worden und musste zur Entbindung in das Ebersbacher Krankenhaus gebracht werden, um eine Notgeburt in der Bundespolizeiinspektion Ebersbach zu verhindern. Und was kostet die Personen der Aufenthalt in der Gewahrsamszelle? In bestimmten Fällen werden laut Alfred Klaner verursachte Polizeikosten später in einem Verwaltungsverfahren den Betroffenen in Rechnung gestellt. Eine direkte Abrechnung von „Übernachtungs- und Verpflegungskosten“ würde nicht erfolgen.

Steffen Linke / 22.11.2020

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