Viel Altbaubestand, aber die Masse will eigenes Häuschen

Michael Bethke reist in der Freizeit gerne. Foto: privat
Region. In beiden oberlausitzer Landkreisen – Bautzen und Görlitz – hat eine aktuelle regionale Wohnungsmarktanalyse des Pestel-Instituts verschiedene Problemlagen aufgezeigt. Die Wissenschaftler haben dafür Wohnungsbestand, Bevölkerungsentwicklung sowie Arbeitsmarkt- und Beschäftigungsprognosen untersucht. Das Ergebnis: Sowohl im Landkreis Görlitz als auch im Landkreis Bautzen steht der Wohnungsmarkt vor erheblichen strukturellen Aufgaben – allerdings aus unterschiedlichen Ausgangslagen.
Im Landkreis Görlitz ist vor allem der Altbaubestand ein zentrales Problem: Rund 95.200 Wohnungen sind vor 1970 errichtet worden. Das bedeutet, dass etwa 65 Prozent des gesamten Wohnungsbestandes bereits 55 Jahre oder älter sind – ein Großteil davon ist sanierungsbedürftig. Die Zahl der Erwerbsfähigen wird in den kommenden 15 Jahren voraussichtlich um rund 23 Prozent sinken. Menschen im Rentenalter steigen nach ’derzeitigem’ Rentenalter auf etwa 37 Prozent der Bevölkerung!
Warum wird immer nach der öffentlichen Hand gefragt?
Im Kreis Bautzen hingegen fehlten unter anderen Vorzeichen rund 1.200 Wohnungen. Gleichzeitig stünden 8.550 Wohnungen bereits seit über einem Jahr leer – auch hier sind viele davon nicht mehr vermietbar oder sanierungswürdig.
Das alles wirft im Grunde vorrangig die Frage auf, wie man wieder mehr privates Kapital in den Bau bekommt. Die Redaktion erreichten zuletzt jedoch im Grunde nur Pressemitteilungen aus Interessenverbänden oder der Politik, die eine notwendige Bautätigkeit – oft mit Betonung eines Wohnungsbaus für ’Fachkräfte’ – auf ein Handeln des Staates auszurichten versuchen und dabei immerhin auch die im eigenen politischen Dunstkreis eingeräumten Überregulierungen ansprechen.
Die Arschbacken zusammenkneifen
Der Niederschlesische Kurier hat sich also einmal um regionale Bau- und Immobilienfinanzierungsexpertise bemüht und diese quasi gleich um die Ecke der Redaktion bei Michael Bethke gefunden.
Behtke hat wie viele Ostdeutsche nach der Wende gänzlich umgesattelt und fühlt sich nach eigenem Bekunden in diesem Arbeitsfeld sehr wohl. Das mag daran liegen, dass der Wüstenrot-Verkaufsleiter die Sprache seiner Region spricht und Dinge auch beim Namen nennt. So stellt er im Verlaufe des Gespräches zu manchen Merkwürdigkeiten der heutigen Zeit etwa fest: „Es ist niemand mehr bereit, mal wirklich die Arschbacken zusammenzukneifen und etwas auszuhalten; es soll alles nur noch auf einem silbernen, besser auf einem goldenen Tablett serviert werden.“
Das passt zur Eigenkapitalbildung, denn die sei das A und O, damit der Mensch überhaupt zum Bauherren werden könne. „Wir haben in den 90er-Jahren standardmäßig einen Zins bei etwa um die 9 % gehabt und uns gefreut, wenn man zwei Ziffern vor dem Komma hatte. Über die Jahre ging es immer weiter runter und jedes Jahr haben alle gesagt: ’Oje, das ist historisch niedrig, tiefer wird’s nimmer – jetzt zuschlagen’. Und es wurde tiefer und tiefer, bis wir dann nach Ende 2020 bis 2022 den absoluten Tiefpunkt hatten. Das war die Zeit, wo im Anlagebereich über Strafzinsen gesprochen wurde, wo also niemand mehr das Geld der Leute verwahren wollte. Zinsen für Darlehen, für Kredite lagen unter einem Prozent.“ Jeder habe gewusste, dass das nicht gesund sein könne. Die Zinsen seien dann schnell und heftig gestiegen – und Immobilienpreise folglich gestiegen. Als die Niedrigzinsphase vorbei war, seien Reaktionen bis zur Schockstarre gegangen. „Mittlerweile haben wir uns einigermaßen wieder bei Drei-, Vier-Komma eingependelt. Wir sind fast wieder auf dem Niveau, das wir über viele Jahre hatten. Die Leute sind wieder der festen und richtigen Überzeugung zu sagen: ’Ja, ich investiere in eigenes Wohnen. Das ist das, wo ich mir meisten Sicherheit verschaffen kann.’“
Ob man sich die Sachen leisten könne werde natürlich von der Frage bestimmt, was man einbringt. Mitunter gebe es die fälschliche Annahme, man könne exakt mit dem Aufwand zum eigenen Haus kommen wie als Mieter. „Wenn das funktionieren würde, dann hätten wir keine Mieter mehr“, so Michael Bethke.
Doch was heißt das für Görlitz und sein Umland. Zum einen gibt es im Osten Deutschland weniger Eigentumsbestand als im Westen und mithin auch weniger, was vererbt wird. Und Görlitz selbst glänzt mit unglaublicher Bausubstanz, wobei hier Eigentum noch eher die Ausnahme ist. Michael Bethke umreißt, dass viele Polen, aber auch manche jungen Leute Kapital mitbringen. „Aber in der Masse ist das natürlich nicht so wie in Städten im Westen.“ Er rückt die Aufmerksamkeit immer wieder auf das klassische Eigenheim. „Das Neubaugeschehen ist nach dem Anheben der Leitzinsen fast vollständig zusammengebrochen. Bei Eigentumserwerb geht’s in unserer Region eher selten um eine Eigentumswohnung, eher um Einfamilienhäuser. Der übergroße Anteil der Leute sucht ein eigenes Haus, um das man herumgehen und rufen kann: ’Alles meins’. Ein Doppel- oder Reihenhaus ist noch in Ordnung. Es sei wohl eine andere Mentalität.
Mentalitäten, Polen und sehr diverse junge Leute
„’In anderen Landstrichen’ habe man mit der Muttermilch aufgesogen, dass man mit Wohneigentum auch Eigentumswohnungen meint“, betont Bethke im Unterschied zur fehlenden Tradition in der DDR. Eigentumswohnungen würden auch finanziert, zur Selbstnutzung jedoch selten. „Das ist in dem polnischen Teil der Bevölkerung ganz anders. Bei Deutschen sind Ausnahmen eher diejenigen, die als Pensionär zuziehen, tendenziell aus größeren Städten und oft aus dem Westen. Die haben sich oft gar von ihrem Eigentumshäuschen getrennt und gehen nun teils gar in Mietwohnungen. In jedem Fall fehlt hier die Generation Erbe oder solche, die familiär im Vorgriff auf ein Erbe bezuschusst werden.“ Das passiert in den letzten Jahren allerdings auch zunehmend. „Es gibt aber auch sehr disziplinierte junge Leute – das müssen gar nicht immer Astrophysiker sein, es sind mitunter junge Ärzte, Ingenieure, aber auch Menschen mit bodenständigen Berufen wie Landwirt. Es ist oft auch hier Mentalität: Manch einer hat noch das Sparen gelernt.“
Michael Bethke hält zum Abschluss noch einmal fest: „Wenn ich Eigenkapital bilde, und wenn ich das auf einem Bausparkonto tue, habe ich mit jedem Euro, den ich einzahle, noch Anspruch auf ein zinsgünstiges Darlehen erwirtschaftet.“