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Wenn in Teicha die Exoten aufblühen

Wenn in Teicha die Exoten aufblühen

Peter Gasch aus Köln ist auf seinem Hof in Teicha glücklich geworden. Foto: Till Scholtz-Knobloch

Während die Abwanderung aus der Region anhält, hat Peter Gasch aus Köln den umgekehrten Weg eingeschlagen und gerade wegen der ruhigen Natur in der Niederschlesischen Oberlausitz sein Domizil aufgeschlagen. Dass er Exot ist, stört ihn wenig. Die Natur gibt ihm schließlich viel und umgekehrt schenkt er der Natur ebenso freie Entfaltung – aktuell mit einer Blühwiese.

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Die riesige Blühwiese vor Teicha Foto: Till Scholtz-Knobloch

Teicha. „An der Verbindungsstraße zwischen Teicha und Quolsdorf wurde ein Insektenkaufhaus mit einer Fläche von über 10.000 m² der Bestimmung übergeben“, hatte Peter Gasch aus Teicha der Redaktion mitgeteilt, die einen kurzen Moment zwischen Löschen der E-Mail und dem Griff zum Telefonhörer schwankte.

„Im ersten Bauabschnitt befinden sich unter anderem die Geschäfte Kornblume Nord und Kornblume Süd,die Drogeriekette Klatschmohn, ebenso die Discounter Margerite und Feuernelke. Außerdem ist für Unterhaltung bei schönem Wetter gesorgt. Es summt der Hummelchor und es zirpt das Grillenorchester“, schrieb Peter Gasch „mit Grüßen aus der Wolfsgegend“ weiter und lieferte damit eine gute lyrische Begründung für die zweite Variante, die letztlich bei dem versprochen Wetter auch in einem Besuch gipfelte.

Am südlichen Dorfrand von Teicha steht bereits der Vorgarten des urigen Anwesens in Blütenpracht. Der Hausherr führt durch seinen Garten und lässt eher beiläufig wissen, dass er gerne auch eine Streuobstwiese mit alten Obstsorten anlegen würde. Sein Grundstück wird durch einen Bach begrenzt, der nach wenige Schritten in den Havateich mündet. Dieser gehört bereits zur Gemeinde Hähnichen und nicht wie Teicha zu Rietschen. Mit Blick auf den Bach sagt er: „Die Natur regelt sich schon selbst. Ich habe mit dem Fischmeister, der auch sehr verbunden ist, einen guten Draht. Der staunt auch. Wenn er hier abfischt sind ja eine ganze Menge kleiner Fische dabei: kleine Barsche, kleine Hechte. Kommt der Eisvogel, wird er eben angefüttert. Das ist doch wahnsinnig, wenn man so etwas sehen kann. Normalerweise landen viele kleine Fische einfach auf der Wiese. Ich nehme sie – zack, und der Eisvogel freut sich“, schwärmt er  im kölschen Dialekt von seinen Erlebnissen in der Natur.

Dabei ist Peter Gasch eigentlich gar kein Kölner. „Im Grunde bin ich ein Wossi – ein westdeutscher Ossi“, sagt er. Dennoch würden ihn viele Leute im Ort als ’Wessi’ betrachten.

Der gebürtige Leipziger sprudelt dennoch vor Begeisterung über seine neue Heimat; doch auf die Frage, ob er andere für sein Refugium begeistern könnte entgegnet er: „Dat schaffe ich nicht einmal hier im Ort, dass sie sich hier zum Kaffeetrinken treffen. Auch die Einheimischen untereinander haben wenig Kontakt. Das ist das, was ich nicht verstehe. Ich bin im Rheinland groß geworden, da war ja immer Karneval, wenn irgendwie ein Bordstein neu gesetzt wurde, da musste gefeiert werden. Hier sind die Menschen irgendwie verschlossen.“ Es gelte das ungeschriebene Gesetz: ’Ja nicht ansprechen. Lieber ziehe ich mich zurück.’ Zunächst habe er als derjenige gegolten, „der von außen kommt und dann den großen Hof übernimmt.“ Dass er das alles erst in Eigenleistung auf Vordermann gebracht habe, hätten viele übersehen. Dabei hatte Gasch’s Anwesen auch früher Exotenstatus. Das Haus war zuvor oft Ferienaufenthaltsort des 2016 verstorbenen Fernsehmoderators der Natur-Kindersendung „Löwenzahn“ und Kinderbuchautors Peter Lustig. Der 1937 in Breslau geborene Lustig hatte damit quasi im Alter seinen Weg zurück nach Niederschlesien gefunden.

Doch obwohl der Besuch bei Gasch heute im Grunde selbst prototypisch für eine Folge der ZDF-Serie „Löwenzahn“ hätte sein können, ist das Erbe von Lustig für ihn gar nicht so lustig. „Da gab es wohl einige Frauengeschichten hier mit ihm und bei der Übernahme habe ich das Haus haufenweise von leeren Alkoholflaschen befreien müssen.“ Vielleicht wirke da ja noch etwas im Ort nach. „Jedenfalls“, so Peter Gasch: „Ich hab hier einiges an Getier: Fledermäuse, drei Asylanten: Katzen, einen Biber – einige Bäume hat er mir schon aufgegessen. Aber bitte, wenn’s ihm geschmeckt hat... Hier ist der Pirol. Das ist natürlich ideal“, redet Gasch sich erneut in Begeisterung.

Und irgendwann kommen wir tatsächlich auf den Auslöser Blühwiese zu sprechen. „Das Land Sachsen hat mir für 2.000 m² Saatgut gegeben – immerhin 380 Euro. Ich muss dem Freistaat nun immer Mitteilung machen, wie das aussieht, Bilder schicken und die kommen auch hierher, um sich die Sache anzusehen.“

Auch Dr. Decker vom BUND in Görlitz unterstütze ihn. Senckenberg-Studenten hätten bereits vorbeigeschaut. Immerhin ließen sich vielleicht noch 2.000 m² der riesigen Blühwiese fördern, wenn dies nicht auf seinen Namen, sondern den seiner Frau liefe. Eigentlich störe ihn nur, wenn der Rasenmäher laufe. „Wenn ich da nicht hin und wieder mitmache, gelte ich als schlechter Nachbar“, schmunzelt Peter Gasch und fragt im Anschluss verschmitzt: „Warum soll ich den Tieren Nahrungsmittel klauen? Diebstahl, sage ich, ist doch blöd.“

Update 4. Juli 2023

Die Redaktion erreichte ein Anruf aus Teicha. Der Anrufer dementierte, dass „Löwenzahn“-Kindersendungsmoderator Peter Lustig einst in Teicha gelebt habe. Durch eine Namensgleichheit und den Zufall, dass ein anderer Lustig, der ebenfalls für das Fernsehen tätig war, auf dem heutigen Hof von Peter Gasch lebte, sei dieses Missverständnis möglicherweise kolportiert worden. Die Redaktion entschuldigt sich posthum beim 2016 verstorbenen Moderator Peter Lustig, ihn vermutlich fälschlich zur Geschichte von Teicha gemacht zu haben.

Till Scholtz-Knobloch / 02.07.2023

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