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Der Internationale Frauentag war früher Kult

Der Internationale Frauentag war früher Kult

Diese Anzüge hat sich Günter Michna einst für seine Auftritte als Moderator beim Internationalen Frauentag vom Zittauer Schneidermeister Janetschek in der Reichenberger Straße  anfertigen lassen. Die Hosen hatten damals noch richtig Schlag. Foto: Linke

Der Internationale Frauentag am 8. März war auch in unserer Region zu DDR-Zeiten hoch angebunden – und Günter Michna organisierte und moderierte in seiner Funktion als Leiter des Kulturbüros Robur von etwa Anfang der 70er bis Ende der 80er Jahre viele derartige Veranstaltungen in Zittau. 

Zittau. Der Anteil der arbeitenden Frauen habe zu DDR-Zeiten bei circa 90 Prozent gelegen, erinnert er sich. Beschlüsse und Diskussionen über eine Frauenquote seien in jener Zeit nicht notwendig gewesen. „Da ich damals viele andere Veranstaltungen und Programme im Raum Zittau als ,Spielmeister’, Ansager oder Conférencier moderiert habe, engagierten mich Betriebe, Institutionen und Privatpersonen auch für Frauentagsfeiern“, sagt er. In Zittau zählten diesbezüglich das Volkshaus mit 496 Plätzen zum Tanz und 800 Plätzen mit Stuhlreihen, das Theater und die Gaststätte „Dreiländereck“ zu den Hochburgen solcher Feierlichkeiten. Günter Michna hat sich auf jede Veranstaltung gut vorbereitet: „Ich habe schon gewusst, welche Aufgaben die Frauen an ihren Arbeitsplätzen erledigt haben.“ Für ihn selbst gab es nie Vorgaben für die Programmgestaltung und Moderation: „Ich habe immer versucht, Überraschungen und Aha-Momente einzubauen, Personen direkt anzusprechen oder auf die Programm-Mitwirkenden einzugehen.“ Seine großen Vorbilder seien dabei Hans-Georg Ponesky („Alles singt“) sowie Entertainer und Quizmaster Hans Rosenthal („Dalli Dalli) gewesen. Günter Michna trug bei den Veranstaltungen Anzüge, Anzugkombination und Binder. Diese „Kleiderordnung“ gab es unter anderem in der Stadt Zittau im damaligen Modehaus „Reber“, bei „Beckmann“ und bei Herrenmode „Funke“ zu kaufen. „Besondere Anzüge habe ich beim Zittauer Schneidermeister Janetschek anfertigen lassen“, fügt er hinzu. Die Hosen hatten damals noch richtig Schlag.

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Dicht an dicht saßen hier die Frauen bei einer früheren Frauentagsfeier in der Zittauer Aula an den festlich gedeckten Tischen. Foto: Archiv

Für die Dekoration bei Veranstaltungen konnten Grünpflanzen und Blumentöpfe aus der Stadtgärtnerei ausgeliehen werden. Die Tische waren festlich geschmückt – zum Beispiel mit Blumen oder mit Bastelarbeiten der Kindergärten oder Schulklassen. Alle Frauen und auch Männer waren dem Anlass entsprechend gekleidet. Auf die Technik in den Häusern stellte sich Günter Michna jeweils ganz individuell ein. Während der Arbeitszeiten sei höchstens in der Frühstückspause den Frauen Anerkennung entgegengebracht worden, erzählt er. Größere Veranstaltungen fanden nach Feierabend oder erst am Abend statt. „An solchen Tagen war es dann schon schwer, Blumen zu organisieren. Die Gärtnereien von Zittau schafften aber auch hier oft Möglichkeiten“, sagt er. 

Für die Textilindustrie war es einfach, Geschenke für die Frauen im Austausch mit anderen Textilbetrieben zu finden. Robur durfte aber als VEB-Betrieb nicht einfach Konsumgüter im freien Handel kaufen. Kleine gewebte Platzdeckchen, Taschentücher oder Tischläufer hielten dafür sehr oft her. 

Was damals für Speisen und Getränke serviert wurden, sei vorab in den Gaststätten besprochen worden, berichtet er. Kalte Büffets und Menüs seien kein Problem gewesen. Bei anderen Veranstaltungen habe es auch Radeberger Bier und jeweils eine Flasche Wein für zwei Personen gegeben. Bei Empfängen oder Auszeichnungsveranstaltungen sei alles frei wählbar gewesen. Meistens seien die Frauen von ihren Betrieben als „Aktivisten“ mit Urkunden, Ansteckabzeichen und einer Geldsumme geehrt worden. 

Günter Michna erlebte zum Beispiel bei einer Frauentagsfeier im Zittauer Volkshaus mit 800 Frauen im Saal zum Auftakt den Einmarsch des Zittauer Fanfarenorchesters „Otto Grotewohl“ mit 110 jungen Musikanten unter Leitung von Helmut Evers und seinem engagierten Elternaktiv. Bei einer anderen Veranstaltung im Zittauer Theater sei ein komplettes Programm gebucht worden. Darin sei eine Pause vorgesehen gewesen. 
„Währenddessen haben wir die Tische an den Garderoben mit Weingläsern eingedeckt und mit einem Wermutwein der Marke ,Calypso’ gefüllt. Die Flaschen hatten Außendienst-Mitarbeiter von Robur von der Stadtkelterei Leipzig organisiert.“ Die Frauen habe das Getränk dann in der Pause sehr überrascht. Zum Abschluss der Veranstaltungen freute sich Günter Michna über den Dank an die Mitwirkenden und bekam dazu in der Regel vom Veranstalter Blumen überreicht. 

Der Moderator wünschte den Frauen und Besuchern beim Finale alles Gute. Daraufhin folgten seine wohl beinahe legendären Sätze: „Wenn es Ihnen gefallen hat, dann sagen Sie es bitte weiter, wenn nicht, dann sagen Sie es niemanden – auch mir nicht. In diesem Sinne alles Gute und vielen Dank, dass ich Sie durch das Programm begleiten durfte als Ihr Günter Michna!“ Und er fügt abschließend hinzu: „Bleibt zu hoffen, dass sich viele Frauen an die schönen Momente erinnern.“ 

Steffen Linke / 05.03.2023

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