Harry Weiß: 55 Jahre an den Reglern

Seit 55 Jahren bestimmen Boxentürme, Mischpulte und Beleuchtungstechniktechnik das Leben von Harry Weiß aus Naundorf. Foto: Carmen Schumann
Naundorf. Solch einen fast durchgehend geradlinigen beruflichen Werdegang hat heute kaum noch jemand vorzuweisen. Der Weg des gebürtigen Bischofswerdaers Harry Weiß zeichnete sich schon in seiner Schulzeit ab. Unter Einbeziehung des alten Röhrenradios seines Vaters und mit einer selbst gebastelten Ausrüstung beschallte der Jugendliche die Discos in seiner Schule an der Kirchstraße. „Ich bin also nun schon seit 55 Jahren als Techniker tätig“, sagt er heute rückblickend. Und dabei ist er noch kein bisschen müde. Erst kürzlich zeichnete er für die Veranstaltungstechnik beim Märchenfest auf der Festung Königstein verantwortlich. Überhaupt ist die Trutzburg hoch über der Elbe einer seiner liebsten Veranstaltungsorte. Nun schon seit 26 Jahren ist der Festungsweihnachtsmarkt an den vier Adventswochenenden seine „Spielwiese“. Die Spezifik seines Berufes bringt es mit sich, dass er häufig an den Wochenenden unterwegs ist. Aber Harry Weiß, der seit 1987 in Naundorf in der Gemeinde Gnaschwitz-Doberschau wohnt, könnte sich keinen schöneren Beruf vorstellen. „Mein Beruf ist mein Hobby“, sagt er.
Obwohl er eine artverwandte Berufsausbildung gemacht hat, eignete er sich vieles, was die Veranstaltungstechnik betrifft, autodidaktisch an. Schließlich hat sich die Technik über all die Jahre kontinuierlich weiterentwickelt. Die Grundlage für alles legte Harry Weiß mit einer Ausbildung von 1972 bis 74 als Elektronikfacharbeiter bei Robotron Radeberg. Danach arbeitete er in der HO-Rundfunkwerkstatt in Bischofswerda. 1980 erhielt er seinen Berufsausweis als freiberuflicher Techniker. Den Anstoß dazu gab Werner Krahl von der legendären Disco „Die Gefährten“. Der brauchte nämlich jemanden als Techniker. Nach der Wende meldete Harry Weiß ein Gewerbe an. So wie für viele gelernte DDR-Bürger war es nicht leicht, unter den neuen Bedingungen Fuß zu fassen. „Wir haben ja nicht gewusst, wie der Westen funktioniert“, sagt er. Doch irgendwie hielt er sich über Wasser mit Videoaufnahmen, unter anderem für Dresdener Firmen. „Einfach machen“ war immer seine Devise. Und so ist es bis heute geblieben.
Harry Weiß bemüht sich, immer auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Und so mangelt es ihm nach wie vor nicht an Aufträgen. Den Sommer über gibt es viele Freiluftveranstaltungen, im Winter werden die Säle bespielt. Sein Aktionsradius umfasst hauptsächlich Ostsachsen und Südbrandenburg. So bespielt er beispielsweise Beachpartys in Senftenberg oder die Oktoberfeste in Putzkau. Auch das Neukircher Töpferfest ist für ihn alljährlich ein fester Termin. In der Bautzener Stadthalle Krone hat er sich zu DDR-Zeiten getummelt, als diese noch „Stadt Bautzen“ hieß. Heutzutage hatte er dort noch keinen Termin. Aber er freut sich sehr, dass die Krone gerettet werden konnte und staunt, was da so abgeht.
In all den Jahren hat Harry Weiß natürlich die Bekanntschaft zahlreicher Größen der DDR-Unterhaltungskunst machen können, später auch namhafter Sänger aus den alten Bundesländern: Frank Schöbel, Uta Bresan, Olaf Berger, Bernhard Brink, um nur einige zu nennen. „Mein Leben war nie langweilig“, freut sich der Naundorfer. Mit Menschen reden, machen, tun, das sei immer sein Ding gewesen. „Die Bühne hält jung“, sagt er.
Man sei mit daran beteiligt, den Leuten eine Freude zu machen. Offiziell ist Harry Weiß mit 67 in Rente gegangen und hat sein Gewerbe an seinen Sohn Roberto übergeben, der mit dem Metier großgeworden ist. Dankbar ist Harry Weiß seiner Ehefrau Manuela, die ihm immer den Rücken freigehalten hat, was die Bürokratie angeht. Und natürlich kann der Jung-Rentner auch noch nicht ganz aufhören. Bestimmte Termine nimmt er nach wie vor wahr. Und in der Werkstatt sei auch immer was zu tun.