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Keine Gefahr für den „richtigen“ Fußball

Keine Gefahr für den „richtigen“ Fußball

Die E-Sportler scheinen recht entspannt vor ihren Bildschirmen zu sitzen, doch das täuscht. (2.v.r. im Vordergrund ist Marcel Zinke).

In Deutschbaselitz hat am vergangenen Wochenende die 1. Sächsische Meisterschaft im E-Sport stattgefunden. Die Initiatoren verfolgen mehrere Ziele; eines jedoch ganz und gar nicht.

Deutschbaselitz. Ein Saal mit 16 Fernsehern, Playstation-4-Konsolen und 32 Controllern: Am vergangenen Sonntag fand im Sportlerheim Deutschbaselitz die 1. Sächsische Meisterschaft im E-Sport statt. Wer allerdings geglaubt hatte, einem Haufen bleicher Nerds in schummeriger Atmosphäre zu begegnen, sah sich getäuscht. Nein, es waren in erster Linie sonnengebräunte Burschen im Alter zwischen 16 und 30 Jahren (Mädchen nahmen nicht teil), die sich in dem lichtdurchfluteten Raum an den FIFA19-Konsolen maßen. Schließlich war die Meisterschaft für Mitglieder von regulären Fußballabteilungen in sächsischen Sportvereinen ausgeschrieben.
Anders als auf dem grünen Rasen ging es allerdings im Sportlerheim eher ruhig zu. Kurze Ansagen, leise Klickgeräusche – und plötzlich zwei junge Sportler, die kurz von ihren Stühlen aufspringen, sich abklatschen und dann wieder Platz nehmen und konzentriert weiterspielen. Ja – beim Torjubel erinnerte die Szenerie noch am Ehesten an ein „klassisches“ Fußballspiel.

Mittendrin saß auch Marcel Zinke, der Trainer der Deutschbaselitzer A-Jugend und Initiator der 1. Sächsischen E-Sport-Meisterschaft. „Während eines Trainingslagers – damals noch im B-Jugend-Alter – habe ich meine Jungs erstmals an den Konsolen spielen lassen – als Maßnahme der Teambildung“, berichtet er. Dem Trainer und seiner Mannschaft bereitete das so viel Spaß, dass man auf den Gedanken kam, „mehr“ daraus zu machen. „Ich stellte dem Vereinsvorstand die Idee vor, den E-Sport als Projekt innerhalb der Fußballabteilung zu etablieren und stieß damit auf offene Ohren“, blickt Marcel Zinke zurück. Damit betrat der SV Deutschbaselitz – zumindest im sächsischen Maßstab – Neuland. Und so kam es, dass der Sportverein aus dem Kamenzer Ortsteil die erste sächsische Meisterschaft in dieser noch jungen, um ihre Anerkennung ringenden Sportart austrug. „Andere Bundesländer sind da schon viel weiter, wir in Sachsen hinken da noch ziemlich hinterher“, so der Jugendtrainer.

Auch beim Bautzener Kreissportbund stoßen die Deutschbaselitzer Aktivitäten auf Interesse.

Tim Döke, der Vorsitzende der Sportjugend, und Peter Stange waren als Vertreter der Organisation gekommen, um sich selbst ein Bild zu machen. Während sich Tim Döke begeistert zeigte, fiel die Reaktion seines etwas älteren Kollegen zurückhaltender aus: „Als ergänzendes Angebot kann ich mir den E-Sport durchaus vorstellen. Es wäre allerdings fatal, wenn er den klassischen Fußballsport auf dem Rasen ersetzen und verdrängen würde.“ Doch dies, so versichert Marcel Zinke, bilde keineswegs das Ziel seiner Aktivitäten. Im Gegenteil: „Der ’richtige’ Fußball hat immer Vorrang, das wissen und akzeptieren die Jungs auch.“ Für den Jugendtrainer stellt der Ausflug in die virtuelle Sport-Welt eine „Weiterbildung im Kopf der Spieler“ dar, durch die sich kognitive Fähigkeiten ausprägen, die auch auf dem Rasen nützlich sein können. Und: Ebenso wie auf dem Feld sei beim Spiel vor dem Bildschirm in Zweiermannschaften Teamgeist gefragt. Marcel Zinke sagt aber auch ganz klar: „Vom FIFA 19-Spiel wird man kein besserer Fußballer.“ Mit der Institutionalisierung des Mega-Trends hoffe man auch Kinder und Jugendliche, die bislang allein „im Keller“ vor der Glotze sitzen, in eine Gemeinschaft gleich Gesinnter zu holen und vielleicht für den klassischen Sport zu gewinnen. Die Diskussionen um den E-Sport werden bis in die höchsten Ebenen des deutschen Sports hinein ausgetragen. So tut sich der Deutsche Olympische Sportbund ausgesprochen schwer mit der Meinungsbildung. In einem entsprechenden Dossier heißt es: „Der DOSB erkennt die Bedeutung elektronischer Sportartensimulationen für die Weiterentwicklung des Sports und der Sportverbände an.“ Jedoch auch: „Der DOSB geht davon aus, dass eGaming in seiner Gesamtheit nicht den zentralen Aufnahmekriterien entspricht, die das Sport- und Verbändesystem unter dem Dach des DOSB konstituieren und prägen.“ Wobei der Bund klar zwischen Simulationen realer Sportarten und „reinen“ Bildschirmspielen unterscheidet.

Unterdessen hat der Geräuschpegel vor dem Fenster deutlich zugenommen. Der schneidende Klang einer Trillerpfeife ertönt; soeben hat der Schiedsrichter den Saisonauftakt der 1. Herrenmannschaft des SV Aufbau Deutschbaselitz angepfiffen. Jung und Alt, Groß und Klein tummeln sich am Spielfeldrand, essen Bratwurst und trinken Bier, rufen und schreien... Es ist das allwöchentliche Bild auf tausenden Fußballplätzen der gesamten Republik und rückt die Maßstäbe wieder gerade. Nein, um die Zukunft des Fußballs muss wohl niemandem bange sein...

Uwe Menschner / 16.08.2019

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