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Neue Perspektive für Deutschlands älteste Schulsternwarte

Neue Perspektive für Deutschlands älteste Schulsternwarte

Helmar Brauer und seine Vereinskollegen haben bezogen auf die Bautzener Schulsternwarte interessante Geschichten zu erzählen. Diese reichen bis 1872, dem Jahr der Einweihung, zurück. Foto: Archiv

Bautzen. Das Ringen um den Erhalt einer der ältesten und größten Schulsternwarten Deutschlands hat offenbar ein Ende: Für die Einrichtung am Rande des Bautzener Naturparks gibt es jetzt doch eine Zukunft. Um das Anwesen kümmert sich fortan die Beteiligungs- und Betriebsgesellschaft Bautzen mbH (BBB). Das sieht ein Beschlussvorschlag der Stadtkämmerei vor, der am Mittwoch breite Zustimmung im Stadtrat fand. Demnach bringt die Kommune das Sternwartengebäude einschließlich Kuppelbau und Rolldachhaus, die Betriebsvorrichtungen sowie die Betriebs- und Geschäftsausstattung in das Eigenkapital der Stadttochter ein. Darüber hinaus ist vorgesehen, mit der BBB vorerst für die kommenden 40 Jahre einen Erbbaurechtsvertrag abzuschließen mit der Option, diesen im Anschluss zu verlängern. Eine Hürde gibt es allerdings noch zu nehmen: Der Haushalt für 2019, in dem das Ganze verankert ist, muss ebenfalls die Zustimmung der Bürgervertreter finden. In der Stadtratssitzung gab es zunächst eine erste Lesung. Der eigentliche Beschluss ist für das Zusammentreffen Ende Februar vorgesehen. 

Bislang wurde die Schulsternwarte Bautzen durch einen Förderverein betrieben. Dieser erhielt für die Beschäftigung eines technischen Mitarbeiters Personalkostenzuschüsse aus dem städtischen Etat in Höhe von jährlich 15.000 Euro. Daneben übernahm die Kommune die Unterhaltungskosten und sicherte die brandschutzseitigen Auflagen. 
Im Herbst 2017 entbrannte schließlich eine Diskussion darüber, ob möglicherweise Teile der Schulsternwarte an einen anderen Standort in Bautzen verlagert werden. Hintergrund waren die zu erwartenden hohen Investitionskosten im Zuge einer Modernisierung der Einrichtung an der Czornebohstraße. Der Förderverein ging zum damaligen Zeitpunkt inklusive der Planungen von rund 600.000 Euro aus. Ein vom Eigentümer in Auftrag gegebenes Gutachten untermauerte diese Annahme. So werden in dem Papier allein für die Sanierung des Planetariums, des Hörsaales und des Foyers etwa 173.000 Euro veranschlagt. Fast genauso viel Geld würde in die Verjüngungskur im Büro-Werkstatt-Sanitär-Gebäude fließen. Die Umzugsidee stieß allerdings auf wenig Begeisterung. „Unseren Erkenntnissen zufolge gibt es in Bautzen keinen vergleichbaren Standort für eine Sternwarte mit Planetarium dieser Größenordnung“, ließ die Schriftführerin beim Förderverein, Georgia Brauer, damals auf Anfrage wissen. „Sollte die Kommune mit dem Gedanken spielen, die Sternwarte stark zu minimieren und eventuell nur noch Infofilme den Besuchern zu zeigen, wäre das ein folgenreicher Rückschritt für das gesamte Projekt.“ 

Daraufhin hatten mehrere Firmen aus Bautzen und dem Umland den Betreibern des Observatoriums Hilfe in Aussicht gestellt. So konnte im vergangenen Sommer dank einer Spende eines Bauunternehmens und der BBB die Kuppelsanierung in Angriff genommen werden. „Dieses Engagement für den Verein ist hoch einzuschätzen“, freute sich Schatzmeister Helmar Brauer. 
Den Betrieb nunmehr in die Hände der Stadttochter zu legen, bezeichnete der Fraktionschef der Linkspartei, Steffen Grundmann, indes als ersten Schritt hin zu einer Lösung für den Fortbestand der Sternwarte. Und weiter: „Damit diese jedoch dauerhaft auf sicheren Beinen stehen kann, muss vor allem die Personalfrage geklärt werden. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass kein Diplom-Astronom dafür notwendig ist, wie es teilweise in früheren Gesprächen anklang.“ Für die notwendige Stelle bedürfe es einer motivierten Arbeitskraft mit dem entsprechenden Hintergrundwissen, um weiterhin fachlich fundierte Veranstaltungen und Beobachtungen für die Besucher durchführen zu können. Alles weitere würden die kommenden Gespräche zeigen. „Es ist gut, dass wir nun erst einmal alles daran setzen, der Sternwarte am Naturpark eine Zukunftsperspektive zu bieten. Einige Alternativen wie ein Umzug zum Saurierpark oder zurück in das Schiller-Gymnasium wurden diskutiert, die beispielsweise in puncto Lichtverhältnisse und Lichtverschmutzung allerdings auch mit einigen Fragezeichen und Unbekannten versehen waren.“

Roland Fleischer von der SPD-Fraktion bezeichnete den Vorstoß der Stadt als richtig. Nach vielen Gesprächen mit allen Beteiligten sei dieser als Fundament zum Erhalt der Sternwarte übereinstimmend befürwortet worden. „Die BBB kann durch den Erwerb das Objekt betreuen, technische Probleme lösen und sich um das Marketing kümmern – mehr jedoch nicht.“ 
Auch Grünen-Stadtrat Claus Gruhl stimmte der Beschlussvorlage zu. Zur Begründung führte er an, dass sich die Stadttochter künftig besser um die Unterhaltung und Sicherung der Gebäude kümmern kann, sobald diese in deren Vermögensbestand übergehen. „Die Zukunft der Sternwarte hängt wesentlich von der Finanzierung zumindest einer Teilzeitstelle für die Betreuung der Besucher ab und der Resonanz bei den Schulen“, betonte er und bekräftigte damit eine Aussage der Linken. Oberbürgermeister Alexander Ahrens teilte während der Sitzung mit, dass dem Wunsch der Stadträte demnächst Rechnung getragen werde – zumindest teilweise. Demnach stellt die BBB eine Person, die sich vorrangig um das Marketing kümmern soll,  für 18 Monate ein. Danach übernehme die Kommune die Entlohnung.

Für Heiner Schleppers von der CDU ist nunmehr sprichwörtlich die Kuh vom Eis. „Der Verein, die BBB, Sponsoren, Stadträte und die Stadt haben es geschafft, das Überleben der Sternwarte zu sichern. Nun heißt es vorwärts schauen.“ Dabei sei das Haus an sich nur eine Immobilie. Diese müsse nun gepflegt und vor allem mit Leben erfüllt werden. „Solche Aktionen, wie es sie beispielsweise im Herbst anlässlich des ‚Blutmondes’ gab, sind große Klasse. Darauf muss weiter aufgebaut werden. Aber auch neue Ideen sind gefragt, wie sich mehr Bürger in die Stadt bekommen lassen. Eine riesen Chance gibt es auch für die Schulen. Wandertage in die Sternwarte sind keinesfalls uninteressant. Eine Wiederbelebung der Wetterstation ist eventuell auch ein Thema. Es gilt auf jeden Fall Vorschläge der Bürger zu sammeln und umzusetzen.“

Das Bürgerbündnis Bautzen begrüßte die Einigung ebenfalls. Deren Fraktionsvorsitzender Steffen Tech schrieb dem Oberlausitzer Kurier auf Anfrage: „Wir befürworten den Übertrag an die BBB. Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sind damit klar geregelt. Aus unserer Sicht ergeben sich keine Nachteile. Wir erhoffen uns, dass durch den Übertrag der Fortbestand der ältesten Schulsternwarte Deutschlands langfristig gesichert ist.“
Kritisch betrachtet werden die neuesten Entwicklungen hingegen von den Liberalen. FDP-Stadtrat Mike Hauschild: „Ich bin nicht glücklich mit der angebotenen Lösung. Die Sternwarte soll an die BBB abgeschoben werden und damit aus dem direkten Zugriff der Stadträte. Es scheint so, als ob sich die Stadtverwaltung und die Unterstützer dieser Lösung einen schlanken Fuß machen und künftig sagen wollen: ‚Da sind wir nicht zuständig, da können wir nichts machen’. Als Stadt behalten wir die Schulen im Eigentum, warum nicht auch die älteste Schulsternwarte Deutschlands? Die Kommune hat jahrzehntelang kaum Geld in die Sternwarte gesteckt und ist nun überrascht über den Sanierungsstau. Wenn wir aber die Sanierung selbst durchführen und den Verein tatkräftig bei der Suche nach aktiven Mitgliedern unterstützen würden, wäre mir wohler. Dies betrachte ich als die bessere Lösung.“ Mike Hauschild gibt darüber hinaus zu bedenken, dass die Sanierungskosten nicht geringer ausfielen, nur weil die BBB künftig die Fäden zieht. Vielmehr stellt er sich die Frage, warum die Stadttochter immer mehr zum „Gemischtwarenladen“ aufgebauscht wird, „wo sie doch schon jetzt einige ihrer eigentlichen Aufgaben nicht optimal erfüllt“. „Die Leistungen müssen wir sowieso aus dem Stadtsäckel bezahlen, haben aber keine Kontrolle darüber“, begründet der Bautzener seine Bedenken. „Wie undetailliert die BBB ihre Leistungen bei der Stadt abrechnet, haben wir vor Kurzem erlebt, als wir beschließen mussten, wieder höhere Beträge jährlich an sie zu überweisen. Transparenz- und Effektivitätsbetrachtung ist mir in der Lösungsfindung viel zu kurz gekommen. Dass wir die Sternwarte unbedingt erhalten wollen, ist dagegen auch aus unserer Fraktion die klare Forderung.“
Unterdessen ist in den Reihen des Fördervereins eine gewisse Erleichterung spürbar. „Es scheint so, dass mit dem Trägerwechsel das Fortbestehen der Schulsternwarte als Ganzes am Standort gerettet ist“, meint Helmar Brauer. „Mit der Unterstützung der BBB erhoffen wir uns zum einen, den Betrieb des Observatoriums und den Standort als außerschulischen Bildungsort weiter ausbauen zu können.“ 

Zum anderen bauen die Vereinsmitglieder darauf, dass auf Grundlage der Abmachung sowohl das Areal als auch die Gebäude erhalten und in der Zukunft stärker genutzt werden können. Schon jetzt verzeichnen sie einen Anstieg bei den Besucherzahlen. Zu den 157 Veranstaltungen im zurückliegenden Jahr ließen sich rund 3.700 Gäste begrüßen. Zum Vergleich: 2017 steuerten 3.341 Männer, Frauen und Kinder das Observatorium am Naturpark an. Ein Jahr zuvor waren es noch 3.312 Besucher. 
Fest steht: Die Diskussion um die Schulsternwarte hat mit dazu beigetragen, dass das Interesse an ihr wieder gestiegen ist. Wer aktuell einen Abstecher zum Gelände an der Czornebohstraße plant, sollte sich den 30. März, 17.00 Uhr vormerken. Dann ist Astronomietag. Dieser befasst sich unter anderem mit dem Thema „Lichtverschmutzung“. Zurzeit feilt der Förderverein noch an den Programmdetails. Mehr Infos gibt es im Netz unter sternwarte-bautzen.de. 

Roland Kaiser / 05.02.2019

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