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Posthalterei Kamenz ist wieder ein Schmuckstück

Posthalterei Kamenz ist wieder ein Schmuckstück

Anne-Kathrein Zöllner freut sich über die gelungene Sanierung der Alten Posthalterei durch die Stiftung Pro Gemeinsinn.

Die Stiftung Pro Gemeinsinn hat das historische Gebäude aufwändig und mit Liebe zum Detail saniert. Auch die Stadt Kamenz und ihre Bürger profitieren davon.

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Der Workshop-Raum „Kleines Gewölbe“ stammt wohl noch aus der Entstehungszeit.

Kamenz. Das Gebäude Zwingerstraße 20 zählt zweifellos zu den markantesten Häusern am Eingang zur Kamenzer Altstadt. Laut der im Renaissanceportal verewigten Jahreszahl 1545 wohl im 16. Jahrhundert errichtet, ist es heute als „Alte Posthalterei“ bekannt. In späteren Jahrhunderten diente es unter anderem als Seifensiederei, zu DDR-Zeiten auch als Geschäft für Kunstgewerbe. Zuletzt stand die Zwingerstraße 20 über viele Jahre leer, die Bausubstanz verfiel auch von außen sichtbar mehr und mehr. Seit 2020 hat die Alte Posthalterei einen bemerkenswerten Gestaltwandel zum Positiven erfahren. Anstelle des früheren Schandflecks präsentiert sich jetzt an der Ecke Zwinger-/Pulsnitzer Straße ein stattliches und ansehnliches Gebäude mit hellgrauer Fassade, dessen Blickfang zweifellos das bereits erwähnte Portal mit seinem himmelblau ausgemalten Gewände, an dessen Rundbogen sich ein goldenes Schmuckband mit drei Plaketten entlangzieht, bildet.

Dass sich die Alte Posthalterei heute in diesem erfreulichen Zustand präsentiert, ist der Stiftung Pro Gemeinsinn zu verdanken. 2001 zum Zweck der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern in Berlin gegründet, engagiert sich diese seit mehreren Jahren auch in der Kamenzer Region. Wie es dazu kam, erklärt Gründerin und Geschäftsführerin Anne-Kathrein Zöllner: „Einen Mitarbeiter von uns, der aus Kamenz stammt, zog es zurück in seine Heimat. Er wollte aber gern weiter für unsere Stiftung arbeiten, und auch wir wollten nicht auf ihn verzichten. Also sagten wir: Gehen wir doch nach Kamenz!“ Nun, ganz so einfach wie sich das hier liest, hat sich die Entscheidung sicher nicht gestaltet. Doch auch Anne-Kathrein Zöllner selbst hat ihre Wurzeln in der Oberlausitz, sie stammt aus dem Haselbachtal und lebt heute in Berlin und Bretnig. Und so wurde die Stiftung Pro Gemeinsinn Sachsen gGmbH gegründet, die heute Kitas in Bretnig und Hauswalde sowie einen Förderschulhort in Radeberg betreibt.

Bei der Suche nach einem Standort für die Verwaltung fiel der Blick auf die Zwingerstraße 20. „Das Haus gefiel mir ebenso gut wie die Lage, in unmittelbarer Nähe zu Theater, Museum und Marktplatz“, blickt Anne-Kathrein Zöllner zurück. Allerdings wurde auch schnell klar, dass hier eine Menge Arbeit wartete: „Schon einige Vorbesitzer hatten sich daran versucht, allerdings eher erfolglos. So wurde ohne vorherige Trockenlegung Estrich auf den Fußboden gebracht. Das konnte natürlich nicht gut gehen.“ Die Wände „blühten“, alles war feucht und roch muffig. Heizungs- und Elektroanlage entsprachen in keiner Weise mehr den Anforderungen, im Dachstuhl steckte der Schwamm. Die Stiftung machte sich dennoch ans Werk, legte zunächst die Wände trocken, erneuerte das Dach, modernisierte die Technik. Da die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet war, mussten die charakteristischen Gewölbe aufwändig gesichert werden.

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Blickfang ist zweifellos das Renaissance-Portal mit seinem himmelblau ausgemalten Gewände.

„Vom Keller bis zum Dachboden haben wir das ganze Gebäude komplett erneuert“, so die Geschäftsführerin. Dennoch blieb die jahrhundertealte Geschichte lebendig: Zwar finden sich heute mit Ausnahme des „kleinen Gewölbes“ keine Hinweise mehr auf die Entstehungszeit und die Nutzung als Posthalterei. Details der zurückliegenden Nutzung, wie ein Kachelofen und eine unverputzte Lehmwand, blieben aber ganz bewusst erhalten. Anne-Kathrein Zöllner zeigt sich „begeistert von der Arbeit der Architektin und der von uns beauftragten regionalen Firmen, die für jedes Problem schnell eine Lösung fanden.“ Letztlich investierte die Stiftung 1,3 Millionen Euro und damit nur unwesentlich mehr als ursprünglich geplant: „Von den Preiserhöhungen, insbesondere beim Holz, blieben wir nicht ganz verschont, aber sie ereilten uns erst, als wir schon weit fortgeschritten waren.“

Für die Eigennutzung benötigt die Stiftung pro Gemeinsinn nicht das gesamte Gebäude: „Wir belegen mit unseren Büro-, Seminar- und Sozialräumen das Obergeschoss“, erklärt Anne-Kathrein Zöllner. Das Erdgeschoss, zu dem auch der bereits erwähnte, als „Kleines Gewölbe“ bezeichnete Workshop-Raum gehört, steht für eine öffentliche Nutzung zur Verfügung: „Derzeit befinden sich dort Ausstellungen zu zwei der weltweit wichtigsten derzeit noch lebenden Künstlern, Gerhard Richter und Georg Baselitz, die beide ihre Wurzeln in der Oberlausitz haben. Baselitz stammt ja bekanntlich aus Kamenz selbst.“ Großformatige Fotografien von Herlinde Koelbl, die dem gemeinhin als eher schroff geltenden Künstler überraschend nahe kam, erhöhen den Schauwert. Die Ausstellung gilt als Auftakt für die Öffnung hin zur Stadt, aber auch als Zwischennutzung: „Es gibt Pläne der Stadt Kamenz, in unseren Räumen eine Dauerausstellung zur Dada-Collagekunst einzurichten“, berichtet Anne-Kathrein Zöllner. Einen entsprechenden Grundsatzbeschluss hat der Stadtrat bereits im Frühjahr gefasst. Damals war von einer Eröffnung „im dritten oder vierten Quartal 2022“ die Rede. Anne-Kathrein Zöllner freut sich über dieses Ansinnen, hat aber noch keine genauen Informationen, wann das Vorhaben verwirklicht wird. Dasselbe gilt auch für die ebenfalls von der Stadt Kamenz vorgesehenen Einrichtung einer historischen Druckerwerkstatt. Ein Zeichen der Hinwendung zur Stadt stellt auch die Öffnung des Innenhofes dar, der das Ambiente passend ergänzt.

Uwe Menschner / 24.09.2022

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