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Droht Kamenz eine Meinungsdiktatur?

Droht Kamenz eine Meinungsdiktatur?

Alex Theile, Vorsitzender der Stadtratsfraktion Die Linke. Foto: Fraktion

In der Kamenzer Stadtpolitik gärt es. Oberbürgermeister Roland Dantz und die Stadtratsfraktion Die Linke haben sich in einen Konflikt hineingesteigert, der weit über die üblichen kommunalpolitischen Grabenkämpfe hinausgeht.

Kamenz. Im Jahre 2008 trat ein recht prominenter parteiloser Kandidat für die Partei „Die Linke“ zur Kreistagswahl an: Roland Dantz, seines Zeichens Oberbürgermeister der Stadt Kamenz. Das ist 13 Jahre her, kommunalpolitisch nahezu eine Ewigkeit. Der Kandidat meisterte den Sprung in das Landkreisparlament, in dem er bis heute Sitz und Stimme hat. Mit seinen einstigen Unterstützern allerdings hat er so ganz und gar nichts mehr am Hut. Mehr noch: Weiter als Roland Dantz von den Vertretern der Linkspartei in der Kamenzer Stadtpolitik kann man kaum entfernt sein. 

Vereinsaktion als Brennglas der Konflikte

Und das gilt nicht nur auf der politischen, sondern auch auf der menschlichen Ebene. Wie in einem Brennglas zeigt sich das in dem Konflikt um die kurz vor Ostern durchgeführten Aktionen mehrerer Kamenzer Vereine, die sich dafür einsetzen, dass Kinder und Jugendliche trotz Corona gemeinsam Sport treiben dürfen (der Oberlausitzer Kurier berichtete). Während sich Roland Dantz öffentlich zu der Aktion bekannte und die Initiatoren durch Veröffentlichungen in städtischen Medien unterstützte, distanzierte sich die Fraktion der Linkspartei im Stadtrat vehement davon und sprach von einer „Instrumentalisierung“. Dies wiederum löste beim OB eine heftige Reaktion aus, die in der Anschuldigung gipfelte, diese Vorwürfe seien „infam und perfide“.

Nun sind das Wörter, die man im Eifer des Gefechts schnell einmal äußert. Und doch lohnt es sich, genauer auf die Bedeutung zu schauen: So wird „perfide“ im Synonymwörterbuch unter anderem mit den Begriffen „heimtückisch, verräterisch, hintertrieben“ gleichgesetzt. „Infam“ bedeutet demnach „abscheulich, teuflisch, verabscheuenswert“. Sicher muss man in der politischen Diskussion nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Dennoch kann es nicht schaden, sich damit zu beschäftigen, zeigt es doch, auf welcher Ebene der Diskurs in Kamenz derzeit geführt wird.

Schon Marion Junge beklagte sich

Doch wie konnte es dazu kommen? Der Ansatz, dass sich die Aversionen allein mit der offenkundigen Antipathie zwischen Roland Dantz und dem Vorsitzenden der Linkspartei-Fraktion im Kamenzer Stadtrat, Alex Theile, erklären lassen, greift zu kurz. Theile wurde im Mai 2019 in den Stadtrat gewählt und übernahm den Fraktionsvorsitz in Nachfolge der allseits geachteten und respektierten Marion Junge. 

Der 40-jährige Staatsanwalt sagt über sich selbst, dass er durchaus auch gern einmal „rustikal“ auftritt und sich von Gegenwind nicht einschüchtern lässt. Und doch reicht der Konflikt weiter in die Vergangenheit zurück. Denn schon Marion Junge beklagte Anfang 2018, von Roland Dantz gemobbt und ausgegrenzt zu werden. Wörtlich äußerte sie damals in ihrem Blog: „‚Doch die im Dunkeln sieht man nicht’, sang schon Mackie Messer. Dagegen sieht jedermann Roland Dantz und erlebt nur ihn als Schöpfer des gefeierten Erfolgs. An dieser Illusion leidet er offenbar mitunter selber. Das befördert autoritäre, wenn auch gut gemeinte Entscheidungen, die aber Initiativen zum Wohle der Stadt einschränken und bessere Ideen behindern.“ Hintergrund war der – zwischenzeitliche vollzogene – Verkauf des Barmherzigkeitsstifts an die in Bautzen ansässige Hentschke Bau GmbH, in die Marion Junge den Stadtrat im allgemeinen und sich selbst im speziellen nur ungenügend einbezogen sah. Roland Dantz sagte damals nach seinem Verhältnis zur Linken befragt: „Ich fühle mich linken Ideen und Werten nach wie vor verbunden. Die Linkspartei jedoch sollte sich am Riemen reißen, die Gesellschaft zusammenzubringen und nicht zu spalten.“

„Politischer Diskurs wird sich verändern“

Den Vorwurf des Mobbings und des Ausgrenzens erhebt auch die aktuelle Links-Fraktion, der neben Alex Theile mit Thomas Lieberwirth, Volker Johne und Jens Fichte drei gestandene Kommunalpolitiker angehören. Alex Theile geht allerdings noch einen erheblichen Schritt weiter und wirft Roland Dantz vor, in Kamenz eine „Meinungsdiktatur“ errichten zu wollen: „Seine Äußerungen bedeuten: ‚Wenn Du nicht für mich bist, bist Du mit allen Konsequenzen gegen mich!’“ 

Roland Dantz wiederum betont, er wolle an dem Weg festhalten, sich „ohne die Attitüde der Zensur und der Bevormundung miteinander auszutauschen“. Beide Kontrahenten verweisen auf eine Begegnung im Kamenzer Kaufland, bei der Alex Theile zu Roland Dantz gesagt habe, dass über die Begriffe „infam“ und „perfide“ noch zu sprechen sein werde. Der Oberbürgermeister habe dies mit den Worten abgelehnt: „Sie haben Ihre Meinung und ich habe meine.“ Einig sind sich beide offenbar darüber, dass jeder „eine Meinung haben darf, aber auch mit den Konsequenzen leben muss“. Und dass sich die jeweils andere Seite nicht an den ersten Teil dieser Maxime halte. Welche Konsequenzen das letztendlich haben wird, ist derzeit noch völlig unklar. Laut Alex Theile wird sich jedenfalls „der politische Diskurs in dieser Stadt verändern, wenn es bei den Aussagen des OB bleibt“.

Uwe Menschner / 11.05.2021

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