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Ein Künstlerehepaar mit UmBrüchen 1945

Ein Künstlerehepaar mit UmBrüchen 1945

Erika Trzewik-Drost und Johannes Silvester Drost bei ihrer letzten großen gemeinsamen Aussgtellung in Breslau Foto: Klaudia Kandzia (2), Collage: Till Scholtz-Knobloch

Eine neue Sonderausstellung im Schlesischen Museum zu Görlitz widmet sich der Zäsur von 1945 im Hinblick auf die Arbeit von Künstlern. Unter ihnen finden sich auch Arbeiten des bekannten Künstlerehepaares Erika Trzewik-Drost und dem 2024 verstorbenen Johannes Silvester Drost. Vor seinem Tod – und noch bevor die Ausstellung in Görlitz angekündigt wurde – berichteten beide über ihr Leben.

Görlitz / Carlsruhe O.S.
Das Jahr 1945 markierte für jeden Schlesier einen tiefgreifenden Einschnitt. Die deutschen Bewohner Niederschlesiens und der oberschlesischen Städte mussten das Land nahezu vollständig verlassen und es entstand ein polnisches Schlesien mit einer mehrheitlich polnischen Bevölkerung sowie ländlichen deutschen Resten in Oberschlesien.

Die Ausstellung im Schlesischen Museum zu Görlitz veranschaulicht die Brüche und Kontinuitäten in der beruflichen Laufbahn von 30 Künstlern – während sich die einen in nostalgischer Rückschau auf ihre alte Heimat konzentrierten oder sich ganz aus dem öffentlichen Leben zurückzogen, fassten andere in der neuen Umgebung Fuß, knüpften mitunter an vergangene Erfolge an oder integrierten neue Einflüsse. Die Ausstellung, die vom 17. Mai bis 4. Januar 2026 zu sehen sein wird, hebt die Beiträge hervor, die etwa das Alltagsdesign in der DDR, der Bundesrepublik und der Volksrepublik Polen beeinflussten.

Der im oberschlesischen Pless (Pszczyna) geborene Hans Zimbal zum Beispiel verarbeitete in seinen Gemälden die Trauer über sein verstorbenes Kind und die verlorene Heimat. Der Prager Wlastimil Hofman porträtierte entwurzelte, schlesische „Schicksalsbrüder“, der in Frankreich aufgewachsene Józef Gielniak reflektierte in seinen Grafiken die persönliche prekäre Situation sowie die Fremdheit seines neuen Lebensumfelds in Schlesien. Der Bunzlauer (Boleslawiec) Erich Krause trug im VEB Steingutwerk Elsterwerda zur Weiterentwicklung deutscher Keramikkunst bei und Richard Süßmuth aus dem heute zu Brandenburg gehörenden Ruhland, das bis 1945 zur Provinz Schlesien gehörte, setzte in Hessen die Tradition der schlesischen Glaskunst fort. Die Breslauerin Lieselotte Kantner entwarf als Chefdesignerin von „Melitta“ zahlreiche bis heute populäre Kaffeeservice.

Margarete Jahny, geboren bei Militsch (Milicz), entwickelte in der DDR das ikonische „Mitropa“-Geschirr, während Jan Cybis, der als Johannes Cibis in Fröbel (Wróblin) bei Oberglogau (Glogówek) zur Welt kam, für eine Kontinuität in der polnischen Malerausbildung sorgte.

Schöpferin des Mitropa-Geschirrs

Das oberschlesische Ehepaar Johannes (Jan) Silvester Drost und Erika (Eryka) Trzewik-Drost hatte das Glasdesign der Volksrepublik Polen revolutioniert. Die beiden deutschen Oberschlesier hatten in der Volksrepublik mehrere Jahrzehnte dafür gesorgt, dass erschwingliche Gebrauchsgegenstände auch ästhetisch waren. Zwei monografische Ausstellungen in Schlesien hatte das Ehepaar zuletzt noch gemeinsam erleben können, 2023 im Namslauer (Namyslów) Regionalmuseum und ein Jahr zuvor im Breslauer Nationalmuseum. Johannes Silvester Drost verstarb am 22. April 2024 in Carlsruhe O.S. (Pokój), dem Heimatort seiner Ehefrau Erika Trzewik-Drost.

Annäherung an den Westen in den 70er-Jahren

In der Schau des Breslauer Nationalmuseums zeigte Kuratorin Barbara Banas Alltagsgegenstände, die das Ehepaar in den 60er- bis 80er-Jahren designte. „Diese in Massen produzierten Gegenstände des täglichen Bedarfs sind heute begehrte Sammlerobjekte. In die Museumsbestände finden diese auch deswegen, weil sie eben gute Entwürfe sind“, sagte Banas bei der Ausstellungseröffnung.

40 Jahre lang entwarfen die Eheleute in der Glashütte Zombkowitz (Zabkowice) im an Oberschlesien angrenzenden Dombrower Kohlebecken (Dabrowa Górnicza) Muster für Pressglas. Der aus Klodnitz (Klodnica) bei Cosel (Kozle) stammende Johannes Silvester Drost leitete dort bis zu seiner Pensionierung 2005 die Design-Abteilung. Die Entwürfe von Erika und Johannes Silvester, die polonisiert als Jan Sylwester und Eryka bekannt sind, gaben den Zombkowitzer Erzeugnissen ihren künstlerischen Charakter. „Die Drosts begannen ihren beruflichen Weg in interessanten Zeiten für das polnische Design. Man entfernte sich damals von den sozialrealistischen Strukturen und vom durch Volkskunst inspirierten Dekor hin zu abstrakten Formen. Die 70er-Jahre sind die Zeit, in der sich die Drosts dem Westen nähern konnten. Mit Künstlern wie Tapio Wirkkala oder Timo Sarpaneva aus Skandinavien fanden sie eine gemeinsame künstlerische Sprache“, so Banas.

Ein bleibendes Patent und internationale Anerkennung

„Vor uns haben viele mit Pressglas gearbeitet: in Böhmen, Skandinavien, Deutschland. Aber damals waren die Kontakte zum Westen erschwert. Wir mussten uns vieles selbst erarbeiten. Und als wir dann mit den Entwürfen aus dem Westen konfrontiert wurden, stellten wir fest, unsere waren gar nicht mal so schlecht“, sagte Johannes Silvester Drost bei der Ausstellungseröffnung in Breslau. Der Klodnitzer Bauernsohn Joahnnes wuchs eng mit der Natur auf, die Nähe zum Klodnitzkanal, der Oder, zu den ausgedehnten Forsten seiner Heimat und zum Cosler Oderhafen, dem nach Duisburg einst größten deutschen Binnehafen, prägten Hans, wie Erika ihren Ehemann nannte. „Ich kam dahinter, dass die Flächenstruktur nicht nur im geschliffenen Glas sondern auch im Pressglas an Sandkörner oder Baumrinde erinnern kann. So haben wir neue Methoden für Formen und Dekor, aber auch neue Arbeitsmethoden entwickelt und dafür ein Patent bekommen“, so Drost. Sein Talent zum Zeichnen habe er von seinem Vater geerbt, auch seine Sprachbegabung habe er bereits als Kind in Klodnitz ausbauen können: „Russisch und Tschechisch habe ich kurz nach dem Krieg im benachbarten Cosel-Hafen gelernt, als die deutsche Oderwirtschaft zwischen die Russen und Tschechen aufgeteilt wurde. Wir Bauern haben sie mit Lebensmitteln beliefern müssen“, erinnerte er sich. Polnisch habe er erst in der Schule gelernt, später kam Englisch dazu.

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Das Ehepaar Drost in ihrem Heimatort Carlsruhe O.S. am bekannten Kalide-Löwen im ehemaligen Park des schlesischen Adelszweiges derer von Württemberg-Oels. Foto: Klaudia Kandzia

Auch Erika Trzewik hatte ihr zeichnerisches Talent vom Vater geerbt, und auch sie lernte Polnisch erst in der Mittelschule: „Dort hatte ich eine Zeichenlehrerin, die mir Polnisch beibrachte und mich sogar zur Kunstakademie nach Breslau begleitete. Eigentlich wollte ich Malerei oder Bildhauerei studieren, doch man überredete mich, dass ich mich in die neu eröffnete Fakultät für Glaskunst eintrage“, erinnert sie sich. Eine gute Entscheidung, wie sich später herausstellte, denn als sich die Studenten vorstellten, „höre ich einen Hans Drost aus Klodnitz sprechen. Da habe ich die Ohren gespitzt und dachte, ja das ist eine echte oberschlesische Seele“. Eigentlich hätte Hans als Großbauernsohn gar nicht studieren dürfen und, dass sie als einzige deutsche Oberschlesier in den 50er-Jahren in die Akademie der Bildenden Kunst in Breslau aufgenommen wurden, wäre ebenfalls ein Wunder, sagt die 94-Jährige. Sie und ihr verstorbener Ehemann hätten ein erfülltes Berufsleben, sagt sie. Ihre Glas- und Keramik-Entwürfe findet man in Museen weltweit: in New York, Berlin, Lüttich, dem finnischen Riihimäki wie auch in Warschau, Krakau, Oppeln (Opole) oder Breslau. Nun können ihre Werke auch in Görlitz gesehen werden.

Die Ausstellung „UmBrüche 1945“ wird im Schlesischen Museum zu Görlitz am 16. Mai, 19.00 Uhr, eröffnet. Sie entstand in Kooperation mit dem Riesengebirgsmuseum Hirschberg (Jelenia Góra) und unter anderem auch mit Unterstützung durch die Erika-Simon-Stiftung.

Dresden und Breslau im Architekturvergleich

Im Begleitprogramm zur Ausstellung referiert Katarzyna Sonntag am Donnerstag, 22. Mai, 18.00 Uhr, im Museum, Zugang dann über den Fischmarkt 5, unter dem Motto „Abbruch und Aufbruch“. In den letzten Kriegsmonaten 1945 wurden Breslau und Dresden stark zerstört. Beim Wiederaufbau beider Metropolen musste schnell Wohnraum geschaffen werden, aber neue architektonische Konzepte bedeuteten auch eine Auseinandersetzung mit dem historischen Erbe und die Suche nach einer neuen Identität. Während sich Dresden mit seiner reichen architektonischen Tradition in eine sozialistische Stadt wandeln sollte, kam in Breslau die Frage hinzu, welche nationalen Reflexionen zur deutschen Vergangenheit überhaupt verwertbar erschienen. Die Co-Referenten Dr. Martina Pietsch und Marian Reisinger richten den Blick auf weitere Aufbauprojekte im polnischen Schlesien. Der Eintritt zum Vortrag kostet 3 Euro, ein Kombiticket für Führung und Vortrag gibt es für 8,50 Euro.

Klaudia Kandzia / Till Scholtz-Knobloch / 11.05.2025

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