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Einstiger Bahnhof wird zur Haltestelle für Begegnungen

Einstiger Bahnhof wird zur Haltestelle für Begegnungen

Eva-Maria Keschkes Bahnhof ist aktuell eine Baustelle. Unter seinem Dach sollen einmal Menschen mit und ohne Behinderungen aufeinandertreffen. Foto: RK

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Diese Visualisierung zeigt, wie die Küche einmal ausgestattet sein wird. Pressefoto

Radibor. Nach der Jahrtausendwende ist an dem ungewöhnlich großen, repräsentativen Bauwerk kein Zug mehr vorbeigerollt, Schienenstränge sucht das Auge inzwischen vergebens. Dafür fallen abmontierte Andreaskreuze und anderes Bahnequipment auf dem Gelände rund um das denkmalgeschützte Haus auf. Ein Ehepaar aus der Gemeinde frönt hier seiner Sammelleidenschaft. Doch das nicht in erster Linie. 2011 hatte Familie Keschke die Immobilie aus dem Besitz eines Luxemburgers erworben. Seitdem verfolgt sie ehrgeizige Pläne, um dem einstigen Empfangsgebäude an der früheren Bahnstrecke Bautzen – Hoyerswerda wieder neues Leben einzuhauchen.

So wurden vor einigen Jahren in einem Teil des Bahnhofskomplexes vier Mietwohnungen geschaffen, die unter anderem Familien ein Dach überm Kopf bieten. Nun sollen die restlichen Räumlichkeiten zu einer Begegnungsstätte für Menschen mit und ohne Behinderung umfunktioniert werden. Bereits mehrere Wochen sind die dafür notwendigen Sanierungsarbeiten in vollem Gange. „Aufgrund der Corona-Pandemie und der damit einhergehenden Lieferengpässe bei einigen Baumaterialien werden wir unser ursprüngliches Ziel, die Baumaßnahme im Mai abzuschließen, nicht halten können. Vielmehr fokussieren wir uns nun auf den September“, erzählte Bauherrin Eva-Maria Keschke dem Oberlausitzer Kurier. In dem Monat, genauer gesagt am Sonntag dem 12., geht der alljährliche Denkmaltag über die Bühne. „Zu diesem Anlass wollen wir interessierte Besucher im Bahnhofsgebäude begrüßen“, wirft die 55-Jährige schon einmal einen Blick voraus. 

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In diesem Raum soll die Projektküche entstehen, für die aktuell Spenden gesammelt werden. Foto: RK

Übernehmen wird die fertiggestalteten Räumlichkeiten der 2016 gegründete Verein Bahnhof der Inklusion Radibor. Er ist dann Pächter der barrierefreien Beherbergungs- und Begegnungsstätte, die einmal fünf Fremdenzimmer und eine Ferienwohnung bieten soll. Hinzukommen Projekträume und eine Projektküche. Und für die sammeln Raphaela Lehmann und ihre Vereinsmitstreiter derzeit kräftig Spenden. Dazu haben sie sich die Kreissparkasse Bautzen mit ihrer Crowdfunding-Plattform „99Funken“ mit ins Boot geholt. „Unser Minimalziel liegt bei 10.000 Euro“, meint Raphaela Lehmann. „Diese Schwelle müssen wir erreichen. Ansonsten werden die Spendengelder nicht ausgezahlt. Mit dieser Summe wäre der Einbau der Projektküche realisiert. Falls mehr Geld für unser Herzensprojekt gespendet wird, wollen wir die Projektküche weiter ausstatten – und zwar mit Tischen, Stühlen, Präsentationstechnik, Geschirr und anderen Dingen.“

Für die Umbauarbeiten im Gebäudeinneren haben sich hingegen schon im vergangenen Jahr Geldgeber finden lassen. So kommt unter anderem aus dem Leader-Fördertopf eine gewisse Summe. Die Eigentümer investieren ebenfalls einen bestimmten Betrag. Insgesamt rechnet Eva-Maria Keschke mit Baukosten in sechsstelliger Höhe. Auch wenn die Arbeiten derzeit noch andauern, ist das, was das Auge zu sehen bekommt, schon recht beachtenswert. Zahlreiche Wände sind frisch geputzt, die Elektrik wurde neu verlegt, moderne Fenster schmücken die 1906 eingeweihte Bahnhofsimmobilie. Ein Fahrstuhl wartet auf seine Montage.

„Wir hoffen, dass wir ab dem Herbst vor Ort die ersten Veranstaltungen durchführen können“, meinte Raphaela Lehmann. Angedacht sind beispielsweise ein- und mehrtägige Projekttage für Schulklassen, Seminare und Kochevents. Denn, so die Projektkoordinatorin: „Auf diese Weise soll die regionale Bildungsarbeit unterstützt werden. Da uns Themen rund um eine ausgewogene Ernährung, Nachhaltigkeit und Umweltbildung besonders am Herzen liegen, möchte wir diese in den Mittelpunkt stellen. Alle Angebote stehen dabei unter dem Kerngedanken der Inklusion.“ Denn beim gemeinsamen Kochen, so erklärte sie weiter, würden zwischenmenschliche Barrieren besonders gut abgebaut. „Aus diesem Grund ist uns die Errichtung einer barrierefreien Projektküche als Herzstück der Begegnungsstätte besonders wichtig.“ Für diese können noch bis zum 30. Juni Spendenbekundungen auf der Onlineplattform des Bautzener Kreditinstituts abgegeben werden. 

Sobald sich im Laufe des Jahres unter das gesamte Vorhaben ein Haken setzen lässt, steht schon, geht es nach dem Willen der Vereinsmitglieder, die nächste Herausforderung auf der Tagesordnung. „Da uns die Angebote und die Arbeit für und mit Menschen mit Behinderungen am Herzen liegen, ist unsere Zukunftsvision die Gründung eines Inklusionsunternehmens zur Bewirtschaftung der Beherbergungs- und Beherbergungsstätte“, legte Raphaela Lehmann dar. „Dafür soll noch in diesem Jahr eine Projektkonzeption mit Unterstützung der Aktion Mensch erstellt werden.“ Darüber hinaus gibt es Überlegungen dahingehend, im nächsten Jahr auf dem Außengelände weitere Übernachtungsmöglichkeiten zu schaffen. Ein dort befindlicher Eisenbahnwaggon und ein Schaustellerwagen sollen Teil dieses Konzeptes werden. 

Für Eva-Maria Keschke wird indes ein Traum wahr. Ihr schwebt seit Längerem vor, Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen unter einem Dach zusammenzubringen – auch aufgrund persönlicher Erfahrungen innerhalb der Familie. Dass sie diesen Weg gemeinsam mit einem Verein beschreiten kann, freut sie umso mehr. Wer diesen bei seinem Unterfangen finanziell unterstützen möchte, kann das an dieser Stelle gern tun. 

Roland Kaiser / 12.05.2021

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