Direkt zum Inhalt springen
Info & Kommentare

Es kann nur einen geben

Es kann nur einen geben

Im Bautzener Wenzelsmarkt sehen einige Stadträte noch Entwicklungspotenzial. Foto: GK

Bautzen. Wer beherbergt denn nun den ältesten Weihnachtsmarkt Deutschlands? Sowohl Dresden als auch die Spreestadt machen einmal mehr in unterschiedlichen Medien ihren Anspruch auf den Titel geltend. Die Krux an der Sache ist: Es kann nur einen geben. So heißt es in der aktuellen Striezelmarktzeitung, also in dem vom Amt für Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt mitherausgegebenen Programmheft: „Gerade die Traditionen sind es, die alle Jahre wieder Millionen Besucher nach Dresden auf Deutschlands ältesten Weihnachtsmarkt locken.“ Bautzen indes lässt ebenfalls nichts unversucht, seine Gäste davon zu überzeugen, dass sie noch bis zum 23. Dezember über den ältesten Weihnachtsmarkt der Bundesrepublik schlendern. Im direkten Vergleich fallen die Besucherzahlen mit bis zu 150.000 Frauen, Männern und Kindern jedoch deutlich geringer aus. 
„Der Dresdner Striezelmarkt geht zurück auf ein Marktprivileg des Kurfürsten Friedrich II. und seines Bruders Sigismund vom 19. Oktober 1434“, erklärt Rico Nonnewitz vom Amt für Wirtschaftsförderung der Landeshauptstadt Dresden. „Das urkundlich belegbare Privileg erlaubt das Abhalten eines Markttages ‚am heiligen Christabend’. Diese Zeitangabe steht am Beginn einer über Jahrhunderte fortlebenden Tradition des Dresdener Weihnachtsmarktes.“ Dem hält Bautzens Rathaussprecher André Wucht entgegen: „Den Recherchen einer von der Stadt beauftragten Historikerin zufolge ist der Bautzener Fleischmarkt vor Weihnachten ein sehr alter Markt, vermutlich sogar der älteste Weihnachtsmarkt in Deutschland, auch wenn der letzte Beweis in Form einer Urkunde nicht erbracht werden kann. Wie verschiedene Chroniken berichten, verlieh König Wenzel im Jahr 1384 der Stadt Budissin das Recht zur Abhaltung eines freien Fleischmarktes. Vom St. Michaelstag an war es sonnabends jedem Fleischer erlaubt, sein Fleisch öffentlich auf dem Markt zu veräußern. Das Recht dieses Verkaufes hatten die Fleischer bis Weihnachten. Im Jahr 1402 wurden alle bisherigen Märkte der Stadt durch ein Gebot von König Wenzel unter besonderen Schutz gestellt und weitere Märkte verboten. Diese Verordnung wurde 1505 durch König Wladislaus mit einer Urkunde bestätigt und damit auch der freie Fleischmarkt, wie er in Budissin ‚seit alters über hundert Jahre lang und weit über Menschen Gedenken gehalten’ wurde. Auch dies spricht für das Jahr 1384.“ 

Inzwischen schaltete sich der Chef des Bautzener Tourismusvereins, Dietmar Stange, in die Diskussion ein. „Zum ältesten Weihnachtsmarkt ist umfassend geforscht worden“, meint er. „Wie wir wissen, konnte der letzte Beweis weder für Dresden noch für Bautzen erbracht werden. Das tut auch nichts zur Sache. Viele Städte werben mit Superlativen, um erfolgreich zu sein. Bautzen wäre nicht so interessant bei Besuchern, wenn wir auf all die Mythen, Anekdoten und Überlieferungen verzichten, nur weil sie historisch nicht exakt bewiesen sind.“ Unabhängig davon kann sich der Lausitzer für die Idee einer Kooperation mit dem Dresdener Striezelmarkt erwärmen. „Das finde ich nicht schlecht. Überhaupt müssen wir auf die Landeshauptstadt schauen, um unsere Gästezahlen zu steigern. Das trifft nicht nur auf den Weihnachtsmarkt zu.“ Wer aufmerksam über den Wenzelsmarkt schlendere, werde schnell feststellen, dass viele Menschen aus Dresden und Umgebung einen Tagesausflug an die Spree unternehmen. „So muss es unser Ziel sein, unseren schon sehr schönen Weihnachtsmarkt weiterzuentwickeln. Dazu gibt es bereits Ansätze seitens der Stadt. Der Tourismusverein hat ebenfalls eigene Ideen vorgestellt. Wenn die Stadtverwaltung die vielen Akteure entsprechend motiviert, muss uns um unseren Wenzelsmarkt nicht bange sein.“ 

Das in Hamburg ansässige RID Rekord-Institut fand unterdessen zu einer salomonischen Lösung. Bautzen darf demzufolge fortan von sich behaupten, Deutschlands ältesten in einer Chronik erwähnten Weihnachtsmarkt auszurichten. Dem Dresdener Striezelmarkt hingegen erkennen die Hanseaten den Rekord für den seit 1434 ältesten mit einer Urkunde bestätigten Weihnachtsmarkt der Bundesrepublik an. Inwieweit in der Zukunft eine Kooperation beider Konkurrenten denkbar ist, darauf fand Bautzens Rathaussprecher André Wucht zunächst keine konkrete Antwort: „Darüber wurde noch nicht explizit nachgedacht.“ Ähnliches ist aus Dresden zu vernehmen. Rico Nonnewitz: „Hinsichtlich einer gemeinsamen Vermarktung gab und gibt es von unserer Seite keine Überlegungen.“ Dabei liegt es auf der Hand: König Wenzel, der bislang von Darsteller Frank-Michael Heuseler verkörpert wurde, könnte mit einer Abordnung ans Elbufer aufbrechen, um dort für Bautzens Budenstadt die Werbetrommel zu rühren. Im Umkehrschluss hätte Dresden die gleichen Möglichkeiten, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Beide Kommunen würden voneinander profitieren, sind sich Experten sicher. Ein solcher Schulterschluss wäre nicht neu: Mit der Frankenmetropole Nürnberg unterhält Dresden eine solche Beziehung bereits. Auch in diesem Jahr stattet das Nürnberger Christkind dem Striezelmarkt einen Besuch ab – und zwar an diesem Samstag. Ein Höhepunkt im Veranstaltungskalender des vorweihnachtlichen Treibens auf dem Altmarkt von Elbflorenz. 

Roland Kaiser / 21.12.2018

Was sagen Sie zu dem Thema?

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Die Mail-Adresse wird nur für Rückfragen verwendet und spätestens nach 14 Tagen gelöscht.

Mit dem Absenden Ihres Kommentars willigen Sie ein, dass der angegebene Name, Ihre Email-Adresse und die IP-Adresse, die Ihrem Internetanschluss aktuell zugewiesen ist, von uns im Zusammenhang mit Ihrem Kommentar gespeichert werden. Die Email-Adresse und die IP-Adresse werden natürlich nicht veröffentlicht oder weiter gegeben. Weitere Informationen zum Datenschutz bei alles-lausitz.de finden Sie hier. Bitte lesen Sie unsere Netiquette.

Weitere aktuelle Artikel